Von duftenden Petitessen
Was dicke Nadeln mit goldenem Öhr mit der alljährlichen Lavendelernte zu tun haben, und wie man auch an vermeintlichen Kleinigkeiten scheitern und dennoch gewinnen kann.
So wie die meisten Geschichten hat auch diese eine Vorgeschichte, und sie beginnt mit Kati N. Eines Tages überreichte sie mir ein Überraschungspäckchen. Darin befanden sich ein weiß glänzendes Satinband, eine schöne dicke Nadel mit stumpfer Spitze und einem goldenen Nadelöhr sowie eine Handskizze, die eine Anleitung zur Herstellung sogenannter Lavendelstäbe darstellte.
Eines soll an dieser Stelle vorausgeschickt werden: Der Mensch muss nicht alles können. So wird mir beispielsweise die Elektrotechnik ein ewiges Rätsel bleiben, ebenso wie die Herstellung von Lebkuchen. Das schmerzt, trotzdem kann ich gut damit leben. Doch Lavendelstäbe zu flechten wollte ich immer schon lernen.
Kati N., Göttin der Näh-, Handwerksund Lebenskunst und mir in Fingerfertigkeit hoch überlegen, stellt diese duftenden Gebilde alljährlich im Handumdrehen in großen Mengen her. Es sei ganz einfach, versicherte sie, und ich glaubte ihr. Dann scheiterte ich. Obwohl die Voraussetzungen mit Band und Nadel ideal waren, brachen die bockigen Lavendelstängel unter meinen Fingern, während sie mit dem Satinband rangen wie Laokoon samt Söhnen mit den Schlangen, und irgendwie war damals nicht die Ruhe in mir, das Werk fortzusetzen. Eine Niederlage, die jedoch erinnerlich blieb. Die Nadel mit dem goldenen Öhr stak wie ein Stachel in meinem Ehrgeiz.
Zweiter Versuch. Nun, Jahre später, blüht gerade wieder der Lavendel, dieser duftige herrliche Halbstrauch, den man ganz einfach im Garten haben muss. Auch wenn die Bienen noch darin summten und am Lavendelhonig arbeiteten, so der Entschluss, würde ich ihnen doch eine Handvoll erntereifer Blüten wegnehmen und mich noch einmal der Lavendelstabherstellung stellen. Die funktioniert, theoretisch, folgendermaßen: Zuerst entfernt man von den Stängeln alle Blätter und bindet sie knapp unter den Blüten zu einem Strauß. Dann muss das Satinband in passender Länge ebendort mit einem Knoten befestigt werden.
Bis daher schafft das jeder, und auch der Folgeschritt ist noch zu meistern. Denn nun werden die Stängel an der zusammengebundenen Stelle der Reihe nach vorsichtig nach unten abgeknickt, sodass sich die Blüten gewissermaßen im Käfiginneren befinden. Dann fädelt man den Satin durch das güldene Nadelöhr und webt, oben beginnend, rundherum die Stängel samt Blüten zu einem kompakten Etwas zusammen. Die ersten zwei, drei Runden sind die schwierigsten. Ab dann hat die Konstruktion bereits eine gewisse Stabilität und es webt sich leichter, wobei nun die Aufgabe darin besteht, angesichts des sich ständig verdrehenden Bandes nicht die Nerven zu verlieren.
Wie einfach ist es doch vergleichsweise, mit eben diesem Satinband ein adrett umwickeltes Lavendelsträußchen herzustellen, doch diesmal hielt ich bis zum Ende der Stängel durch. Eine gute Stunde und eine Art Lavendelstab war fertig. Zwar unregelmäßig gewebt und den Meisterwerken der Kati N. so wenig ebenbürtig wie mein Lebkuchen dem meiner Oma, aber immerhin. Möglicherweise gibt es irgendwelche geheimen Tricks, die das ewige Verdrehen des Bandes verhindern, aber fürs Erste bin ich zufrieden.
Lavendelduft weht durch das Haus, und auch draußen im Garten gibt es noch genug lila Blütenwolken, um die Imme zufriedenzustellen. Denn im Vergleich zum Lavendelstabbinden ist das Lavendelpflegen eine kinderleichte Übung. Dem Echten Lavendel, Lavandula angustifolia, ist hierbei in unseren Breiten der Vorzug zu geben, weil er im