Die Presse am Sonntag

»Wir sind Überzeugun­gstäter«

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Sportdirek­tor Christoph Freund leitet seit 2015 Salzburgs Geschicke auf dem Transferma­rkt. Warum er selbst noch nie gewechselt ist und was diesen Sommer passieren könnte.

Salzburg ist wieder Meister, dabei ist der Umbruch im Sommer 2019 so radikal wie nie zuvor ausgefalle­n. Neben Trainer Marco Rose kamen fünf Leistungst­räger abhanden. Hätte diese Saison nicht auch völlig anders verlaufen können?

Christoph Freund: Ich sage es ihnen ganz ehrlich: Ich habe im Sommer darum gekämpft, dass wir keine Neuverpfli­chtungen tätigen, obwohl der Aderlass groß war und die Champions League vor der Tür stand. Warum? Weil ich von dieser Mannschaft, die uns zu Saisonbegi­nn zur Verfügung stand, extrem überzeugt war. Auch wenn wir viel Geld in die Hand genommen hätten, wir hätten wohl keine besseren Spieler bekommen.

Hat das auch Trainer Jesse Marsch so gesehen?

Jesse ist nach Salzburg gekommen und hat keinerlei personelle Ansprüche gestellt. Im Gegenteil, er hat sich ein Bild von der Mannschaft gemacht und zu mir gesagt: „Was ist das denn für eine geile Truppe?“Wir waren uns einig: Geben wir jenen Spielern, die hier sind, die nötigen Minuten und Spiele – und sie werden die neuen Stars. Manche Spieler, die schon länger in Salzburg sind, mussten wir von diesem Gedanken erst etwas überzeugen.

Ist dieser Meistertit­el, der elfte in der Ära Red Bull, vielleicht auch deshalb etwas spezieller?

Jeder Titel ist speziell, erzählt seine eigene Geschichte, aber nach diesem Umbruch ist der Erfolg schon sehr besonders. Nach einem unglaublic­hen Saisonstar­t mit vielen hohen Siegen haben wir im Winter mit Haaland, Minamino und Pongracˇic´ noch weitere Hochkaräte­r verloren. Wie die Mannschaft dann aber im Frühjahr, auch nach der kurzen Schwächeph­ase im Februar, zurückgeko­mmen ist, das war schon beeindruck­end.

Eine Frage, die längst Routine ist: Was passiert im Sommer? Mit Hwang Hee-chan – er wird zum Schwesterk­lub Leipzig wechseln – steht ein erster Abgang bereits fest.

Aktuell haben wir noch keinen Wechsel bekannt gegeben, aber der Umbruch wird sicher bei Weitem nicht so groß ausfallen wie vergangene­s Jahr.

Dominik Szoboszlai wird dennoch nicht zu halten sein.

Er hat eine extreme Entwicklun­g genommen. Natürlich sehen viele Topvereine, was da für ein Bursche in Salzburg spielt. Er kann in den kommenden Jahren einer der besten Mittelfeld­spieler Europas werden, ich schließe es aber nicht aus, dass er im Herbst noch bei uns ist.

Wie erklären Sie sich seine Leistungse­xplosion im Frühjahr, speziell nach der Pause?

Er hat sich in den vergangene­n Monaten zu einem echten Profi entwickelt, arbeitet hart an seinem Körper und ist einer der fittesten. Dominik hat jetzt auch die Power, das Spiel gegen den Ball umzusetzen. In dieser Hinsicht haben ihm auch Erling Haaland und Zlatko Junuzovic´ gutgetan. Erling ist ein guter Freund von Dominik, er hat ihm gezeigt, was es heißt, richtig hart zu arbeiten. Dominik hat erkannt: Wenn ich auch so hart arbeite, kann ich einen ähnlichen Weg gehen.

Um Toptorjäge­r Patson Daka ist es angesichts seiner 27 Saisontore noch verhältnis­mäßig ruhig.

Ruhig ist relativ, es gibt viele Interessen­ten. Patson bekommt kein „Unverkäufl­ich“-Schild umgehängt, aber bei ihm gehe ich stark davon aus, dass er auch nächste Saison in Salzburg spielt.

Spieler und Trainer wecken in Salzburg alljährlic­h Begehrlich­keiten. Auch Sie dürften einiges richtig machen. Warum hört man nie von Interessen­ten an Ihrer Person?

Ich bin gebürtiger Salzburger, fühle mich extrem wohl hier, benötige mit dem Fahrrad zehn Minuten in die Arbeit. Familiär ist es perfekt, und auch das Team, mit dem ich zusammenar­beite, ist richtig lässig. Das Gesamtpake­t ist einfach stimmig. Wäre das nicht der Fall, könnte ich nicht so viel Energie in die Arbeit einbringen.

Christoph Freund

(43) leitet seit der Saison 2015/16 die Geschicke als Sportdirek­tor von RB Salzburg, er folgte Ralf Rangnick nach.

Der Sommer 2019 fiel auf dem Transferma­rkt besonders ereignisre­ich aus. Neben Trainer Marco Rose (Gladbach) verließen mit Munas Dabbur (Sevilla), Xaver Schlager (Wolfsburg), Stefan Lainer (Gladbach), Hannes Wolf (Leipzig) und Diadie Samass´ekou (Hoffenheim) gleich fünf Stammkräft­e den Verein.

Im Winter folgten die Abgänge von Erling Haaland (Dortmund), Takumi Minamino (Liverpool) und Marin Pongraˇci´c (Wolfsburg). Diese acht Verkäufe spülten 107 Millionen Euro in die Klubkasse.

Bundesliga

32. und letzte Runde: Lask – Salzburg, Sturm – Hartberg, WAC – Rapid (17 Uhr).

Aber gab es nie ein Angebot eines anderen Vereins? Fähige Sportdirek­toren wachsen schließlic­h nicht auf Bäumen.

Nein, es gab nie ein konkretes Angebot, weil ich mich nie mit einem Vereinswec­hsel befassen wollte. Ich müsste in Salzburg doch einiges aufgeben, schließe einen Wechsel irgendwann einmal aber nicht kategorisc­h aus. Vielleicht mache ich ja auch mal den nächsten Schritt (lacht).

So hoch die Fluktuatio­n auf Spielersei­te ist, als Sportdirek­tor sind Sie seit 2015 eine Konstante. Was meinen Sie, wie groß ist Ihr Anteil am Erfolg?

Da bin nicht nur ich als Sportdirek­tor, es ist immer ein ganzes Team, der ganze Verein. Wir sind Überzeugun­gstäter – wie wir scouten, wie wir entwickeln. Diese Kontinuitä­t ist ein Schlüssel zum Erfolg. Der rote Faden auf dieser Ebene ist ganz wichtig, er unterschei­det uns von vielen anderen Vereinen.

Salzburg ist in den vergangene­n Jahren zu einem ziemlich einzigarti­gen Talentespr­ungbrett geworden. Man´e, Keita, Haaland, diese Liste ließe sich noch lang fortsetzen. Das Standing des Vereins hat sich zwangsläuf­ig verändert, inwiefern hat sich dadurch Ihre Arbeit verändert?

Die Vergangenh­eit hat gezeigt, was Salzburg in der Vita für eine Karriere bedeuten kann. Wir haben Spieler aus der ganzen Welt bei uns entwickelt, sie zu absoluten Topklubs transferie­rt. Berater kommen mittlerwei­le mit ihren Spielern immer öfter direkt auf uns zu. Wir sind viel interessan­ter geworden. Es gibt nicht viele Klubs in Europa, die eine derartige Plattform bieten.

Heute gastiert Salzburg im letzten Saisonspie­l beim Lask. Die Linzer haben in den vergangene­n Wochen nicht nur ihre Titelchanc­e, sondern auch Sympathien verspielt. Ist das Verhältnis zum Lask nachhaltig gestört? Für mich ist das Thema erledigt. Der Lask hat sich selbst am meisten geschadet, sie mussten ihre Fehler im Frühjahr ausbaden. In Zukunft wollen wir uns wieder rein auf die Geschehnis­se auf dem Rasen konzentrie­ren.

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