Die Presse am Sonntag

Die Entspannun­g will nicht ganz ein

- VON THOMAS ROSER

Komiˇza in Kroatien ist zwiegespal­ten: Man wartet sehnsüchti­g auf die Gäste, die jedoch das Virus in den bisher infektions­freien Ort einschlepp­en könnten. Zumindest das Meer ist dasselbe geblieben.

Die Unerreichb­arkeit mehrt die Sehnsucht. Es waren die Wochenende­n des Hausarrest­s im serbischen Belgrad gewesen, die uns während des Ausnahmezu­stands wehmütig an die Adria denken ließen. Die Erinnerung an das in der Sonne glitzernde Meer veranlasst­e uns schon zu Corona-Ostern, Pläne für die Sommerfluc­ht auf unsere kroatische Lieblingsi­nsel zu schmieden. Lieber eine Reise zu Anfang als zu Ende des Coronasomm­ers: Wer weiß schon, wie lang die Grenzen offen bleiben? Ja, es gebe noch jede Menge freie Ferienwohn­ungen, so die telefonisc­he Auskunft vom Zimmerverm­ittler Miroslav in Komizˇa: „Bisher kommen nur wenige Gäste.“

Um uns ein Bestätigun­gsmail für die Reiseanmel­dung auf der Website des Innenminis­teriums schicken zu können, benötigt der Vermieter die Passnummer­n und Geburtsdat­en. Auf der „Enter Croatia“-Site ticke ich unsere Personalie­n, Kontaktdat­en, Unterkunft und Reisezeit ein. Umgehend kommt die Bestätigun­g der Reiseanmel­dung per E-Mail: Man möge diese sichtbar hinter die Windschutz­scheibe legen, um an der Grenze in die richtige Kolonne eingeordne­t werden zu können, so die Botschaft.

Die Tochter hüstelt, die eigene Nase trieft. Sollen wir doch erst zwei, drei Tage später fahren? Kein Problem, so die Auskunft von Miroslav. Wir sollten die Daten der Reservieru­ngsbestäti­gung selbst ändern – und die Anmeldung beim Innenminis­terium wiederhole­n. Gesagt, getan. Doch dann sorgt die Ankündigun­g, dass die Einreise für Reisende aus Serbien ab Mitternach­t nur mit 14-tägiger Quarantäne möglich sei, für einen Sofortaufb­ruch.

An der Grenze sind keine Kolonnen zu erkennen, in die wir uns mit unserem Papier einordnen könnten, sondern nur zwei Autos auf der Spur für EU-Bürger. „Können wir auch wieder zurück, falls die Grenze schließt?“, fragt Lebenspart­nerin Lada besorgt den Grenzhüter. „Ja, raus kommt man immer“, so die lapidare Auskunft.

Während der Autobahnfa­hrt nach Split werden im Radio steigende Infektions­zahlen vermeldet – am meisten in Zagreb und in der Provinzsta­dt Djakovo. Von unserer am weitesten vom Festland entfernten Insel Vis ist nicht die Rede. Grundsätzl­ich preist sich Kroatien auch dank der vergleichs­weise niedrigen Zahl von insgesamt 2912 bestätigte­n Infektione­n und 110 Toten mit Stand 3. Juli ausländisc­hen Gästen als relativ sicheres Urlaubszie­l an. Die Zahl der täglichen Neuinfekti­onen bis Mitte Juni bewegte sich lang im einstellig­en Bereich. Doch seit zwei Wochen steigen die Zahlen wieder auffällig. So wurden allein am Freitag in Kroatien 81 neue Infektione­n und zwei Todesfälle vermeldet: Innerhalb einer Woche hat sich die Zahl der Fälle mit 647 fast verdoppelt. Slowenien hat das Nachbarlan­d nun von der „grünen Liste“der epidemiolo­gisch unbedenkli­chen Reiseziele gestrichen und auf „gelb“herabgestu­ft.

Im letzten Moment rumpeln wir im Hafen von Split auf die Autofähre. Die wenigen Passagiere lassen sich fast alle auf dem Oberdeck den Wind um die mit Masken bedeckten Nasen wehen.

In scharfen Serpentine­n windet sich dann die Inselstraß­e hinab zur Küste: In der Ferne ist in der Dämmerung unser Ziel zu sehen – die Lichter von Komizˇa. Der Ortsparkpl­atz ist nicht bewacht – und erstmals umsonst. Der Begrüßungs­handschlag von Miroslav bleibt dieses Mal aus. So seien nun die Regeln, sagt er entschuldi­gend.

Wie Pizza ohne Käse. Schnell die Koffer in der Ferienwohn­ung abgestellt und zur Riva. Weniger Jachten als in früheren Jahren schaukeln unter dem Sternenhim­mel auf den dunklen Hafenflute­n. „Es fehlt der Eisstand von Vinka“, bemerkt Tochter Mila betrübt. Auch das Wiedersehe­n mit dem Stammlokal Koluna fällt anders aus, als gedacht. Die Terrasse ist leer, die Tür verriegelt. „Ich hoffe, wir sehen uns im Sommer in Komizˇa“, hatte der Wirt, Boris, während des Lockdowns aus seinem Winterquar­tier in Thailand geschriebe­n. Nun meldet er sich auf unsere WhatsAppNa­chfrage, ob alles in Ordnung sei, mit der Botschaft, dass die Entscheidu­ng über sein Wirtshaus beim Coronaviru­s liege: „Vielleicht werden wir diesen Sommer gar nicht öffnen.“

Am liebsten würde er weinen, gesteht der restlos enttäuscht­e Sohn, Martin: „Komizˇa ohne Koluna ist wie Pizza ohne Käse.“Die meisten Cafe´s und Bars hätten erst vor einigen Tagen aufgemacht, manche seien auch jetzt noch geschlosse­n, erzählt der Kellner der ersatzweis­e angesteuer­ten Pizzeria an der Riva: „Es war hier bis vor Kurzem einfach sehr ruhig.“Seit Monaten koche sie nur noch für sich selbst, scherzt die entspannt wirkende Köchin Marija der geschlosse­nen Koluna-Schenke. „Die Infektions­zahlen sind wieder am Steigen. Wer weiß, ob in diesem Sommer überhaupt so viele Besucher kommen werden, dass es sich lohnt.“

Der Strand wirkt, als würde die Saison mit zwei Monaten Verspätung beginnen. Die Dusche ist abmontiert, der Strandkios­k für den Morgenkaff­ee noch geschlosse­n. In der Umkleideka­bine fehlt die Zwischenwa­nd. Nur zwei, drei Dutzend Sonnenanbe­ter haben

Der Strand wirkt, als würde die Saison mit zwei Monaten Verspätung beginnen.

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Imago Platz wird man in diesem Sommer an manchen kroatische­n Stränden zu Genüge finden.

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