Die Entspannung will nicht ganz ein
Komiˇza in Kroatien ist zwiegespalten: Man wartet sehnsüchtig auf die Gäste, die jedoch das Virus in den bisher infektionsfreien Ort einschleppen könnten. Zumindest das Meer ist dasselbe geblieben.
Die Unerreichbarkeit mehrt die Sehnsucht. Es waren die Wochenenden des Hausarrests im serbischen Belgrad gewesen, die uns während des Ausnahmezustands wehmütig an die Adria denken ließen. Die Erinnerung an das in der Sonne glitzernde Meer veranlasste uns schon zu Corona-Ostern, Pläne für die Sommerflucht auf unsere kroatische Lieblingsinsel zu schmieden. Lieber eine Reise zu Anfang als zu Ende des Coronasommers: Wer weiß schon, wie lang die Grenzen offen bleiben? Ja, es gebe noch jede Menge freie Ferienwohnungen, so die telefonische Auskunft vom Zimmervermittler Miroslav in Komizˇa: „Bisher kommen nur wenige Gäste.“
Um uns ein Bestätigungsmail für die Reiseanmeldung auf der Website des Innenministeriums schicken zu können, benötigt der Vermieter die Passnummern und Geburtsdaten. Auf der „Enter Croatia“-Site ticke ich unsere Personalien, Kontaktdaten, Unterkunft und Reisezeit ein. Umgehend kommt die Bestätigung der Reiseanmeldung per E-Mail: Man möge diese sichtbar hinter die Windschutzscheibe legen, um an der Grenze in die richtige Kolonne eingeordnet werden zu können, so die Botschaft.
Die Tochter hüstelt, die eigene Nase trieft. Sollen wir doch erst zwei, drei Tage später fahren? Kein Problem, so die Auskunft von Miroslav. Wir sollten die Daten der Reservierungsbestätigung selbst ändern – und die Anmeldung beim Innenministerium wiederholen. Gesagt, getan. Doch dann sorgt die Ankündigung, dass die Einreise für Reisende aus Serbien ab Mitternacht nur mit 14-tägiger Quarantäne möglich sei, für einen Sofortaufbruch.
An der Grenze sind keine Kolonnen zu erkennen, in die wir uns mit unserem Papier einordnen könnten, sondern nur zwei Autos auf der Spur für EU-Bürger. „Können wir auch wieder zurück, falls die Grenze schließt?“, fragt Lebenspartnerin Lada besorgt den Grenzhüter. „Ja, raus kommt man immer“, so die lapidare Auskunft.
Während der Autobahnfahrt nach Split werden im Radio steigende Infektionszahlen vermeldet – am meisten in Zagreb und in der Provinzstadt Djakovo. Von unserer am weitesten vom Festland entfernten Insel Vis ist nicht die Rede. Grundsätzlich preist sich Kroatien auch dank der vergleichsweise niedrigen Zahl von insgesamt 2912 bestätigten Infektionen und 110 Toten mit Stand 3. Juli ausländischen Gästen als relativ sicheres Urlaubsziel an. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen bis Mitte Juni bewegte sich lang im einstelligen Bereich. Doch seit zwei Wochen steigen die Zahlen wieder auffällig. So wurden allein am Freitag in Kroatien 81 neue Infektionen und zwei Todesfälle vermeldet: Innerhalb einer Woche hat sich die Zahl der Fälle mit 647 fast verdoppelt. Slowenien hat das Nachbarland nun von der „grünen Liste“der epidemiologisch unbedenklichen Reiseziele gestrichen und auf „gelb“herabgestuft.
Im letzten Moment rumpeln wir im Hafen von Split auf die Autofähre. Die wenigen Passagiere lassen sich fast alle auf dem Oberdeck den Wind um die mit Masken bedeckten Nasen wehen.
In scharfen Serpentinen windet sich dann die Inselstraße hinab zur Küste: In der Ferne ist in der Dämmerung unser Ziel zu sehen – die Lichter von Komizˇa. Der Ortsparkplatz ist nicht bewacht – und erstmals umsonst. Der Begrüßungshandschlag von Miroslav bleibt dieses Mal aus. So seien nun die Regeln, sagt er entschuldigend.
Wie Pizza ohne Käse. Schnell die Koffer in der Ferienwohnung abgestellt und zur Riva. Weniger Jachten als in früheren Jahren schaukeln unter dem Sternenhimmel auf den dunklen Hafenfluten. „Es fehlt der Eisstand von Vinka“, bemerkt Tochter Mila betrübt. Auch das Wiedersehen mit dem Stammlokal Koluna fällt anders aus, als gedacht. Die Terrasse ist leer, die Tür verriegelt. „Ich hoffe, wir sehen uns im Sommer in Komizˇa“, hatte der Wirt, Boris, während des Lockdowns aus seinem Winterquartier in Thailand geschrieben. Nun meldet er sich auf unsere WhatsAppNachfrage, ob alles in Ordnung sei, mit der Botschaft, dass die Entscheidung über sein Wirtshaus beim Coronavirus liege: „Vielleicht werden wir diesen Sommer gar nicht öffnen.“
Am liebsten würde er weinen, gesteht der restlos enttäuschte Sohn, Martin: „Komizˇa ohne Koluna ist wie Pizza ohne Käse.“Die meisten Cafe´s und Bars hätten erst vor einigen Tagen aufgemacht, manche seien auch jetzt noch geschlossen, erzählt der Kellner der ersatzweise angesteuerten Pizzeria an der Riva: „Es war hier bis vor Kurzem einfach sehr ruhig.“Seit Monaten koche sie nur noch für sich selbst, scherzt die entspannt wirkende Köchin Marija der geschlossenen Koluna-Schenke. „Die Infektionszahlen sind wieder am Steigen. Wer weiß, ob in diesem Sommer überhaupt so viele Besucher kommen werden, dass es sich lohnt.“
Der Strand wirkt, als würde die Saison mit zwei Monaten Verspätung beginnen. Die Dusche ist abmontiert, der Strandkiosk für den Morgenkaffee noch geschlossen. In der Umkleidekabine fehlt die Zwischenwand. Nur zwei, drei Dutzend Sonnenanbeter haben
Der Strand wirkt, als würde die Saison mit zwei Monaten Verspätung beginnen.