»Die Museen waren leer und die Italiener extrem freundlich«
Einen Monat nach Grenzöffnung wartet Italien weiter auf fremde Gäste: Die Strände sind ebenso leer wie Museen. Doch wer sich dorthin wagt, ist begeistert.
Wie ein kleines grünes Paradies liegt Ischia im Golf von Neapel. 47 Quadratkilometer wilde Vegetation auf Vulkangestein, umgeben von türkisblauem Wasser. Jetzt sind die Büsche entlang der Straßen noch grün, die Sonne hat ihre volle Kraft noch nicht entfaltet.
Ischia ist die unscheinbare Schwester der Jetsetdestination Capri, die ein paar Kilometer südlich aus dem Meer ragt, und hat gerade deshalb viele Liebhaber, die ihre Ruhe und Verschwiegenheit schätzen. Doch dieser Tage hat die Stille etwas Bedrückendes, denn im Juli ist auf Ischia eigentlich Hochsaison. Aber heuer fehlen wegen des Coronavirus die Touristen: „Aktuell haben wir etwa 20 Prozent der Besucher, die wir normal haben“, berichtet Andrea di Meglio, Hotelbetreiberin auf der Insel und Vizechefin des Hotelverbands Federalberghi. Ausländische Gäste, die in diesem Teil der Saison eigentlich in der Mehrzahl seien, gäbe es noch so gut wie keine. Di Meglio plant, ihr Hotel ab 18. Juli zu öffnen, aber die
Sorge, dass das ein Minusgeschäft wird, ist ihrer Stimme anzuhören.
2018 entfielen satte 13,2 Prozent des italienischen BIP auf den Tourismus. Corona wird dort überproportional hart zuschlagen: Von 180 Milliarden Euro, die Italien wegen des Lockdowns wohl verlieren wird, entfallen etwa 110 Milliarden auf diese Branche.
Katastrophe für eine Insel. Für die rund 60.000 Bewohner von Ischia ist das Ausbleiben der Fremden eine Katastrophe, denn sie hängen alle auf die eine oder andere Weise am Fremdenverkehr. Angefangen bei Hoteliers über Wein- und Käseproduzenten, Hafenangestellte und Maurer bis hin zum Fischer, der seinen Fang nicht mehr loswird, weil die Einheimischen sich keinen frischen Fisch mehr leisten können. Und das alles wegen eines Virus, der auf der Insel nur wenig Spuren hinterlassen hat: Neun Menschen sind dort daran gestorben.
Auch im Rest Italiens konnte Corona gestoppt werden. Nachdem bisher fast 35.000 Menschen daran gestorben und über Wochen täglich dreistellige Todesziffern gemeldet worden sind, hat sich die Lage entspannt. Zuletzt gab es 20 bis 30 Tote pro Tag und einige Hundert Neuinfektionen, die meisten in der Lombardei. Doch obwohl die Lage vielversprechend ist, wagen sich nur wenige Touristen ins Land. Dabei wartet man sehnlichst auf sie.
Langsam geht’s wieder los. Und an den Stränden gibt es mehr als genug Platz – wie hier bei Punta Ala in der Toskana.
Wirt Giovanni Pesce (60), der im Strandrestaurant Ida auf Ischia herrliche Gerichte aus rohem Fisch serviert, erzählt, wie er sein Lokal zur Eröffnung coronasicher gemacht hat. Das sei simpel gewesen: „Wir haben die Tische im Restaurant und auf der Terrasse mit größerem Abstand aufgebaut.“Ebenso die Liegen am Strand vor dem Lokal. „Aber die Kinder, die dort spielen, kann man nicht zwingen, Abstand zu halten“, lacht er. Nun habe er zwar 30 bis 40 Prozent weniger Kapazität. Aber was bringe es schon, sich zu beklagen, sagt Pesce und zuckt mit den Schultern, während er eine Weißweinflasche entkorkt: „Wir müssen die Lage akzeptieren, wir können sie nicht beeinflussen.“
Ischias Problem ist, dass Ausländer etwa nach Neapel fliegen, jedenfalls von dort per Boot übersetzen. Aber noch ist der Flugverkehr beschränkt. Viele wollen nicht fliegen und reisen nicht weit weg. Ein Vorteil für Norditalien: Erste Deutsche und Österreicher kommen per Auto. Aktuell machen sie 30 Prozent des Tourismus in Italien aus, bestätigt Giorgio Palmucci, Präsident der nationalen Tourismusagentur: „Die Saison wird voraussichtlich von Inländern und Urlaubern, die per Auto aus Nachbarländern kommen, gerettet.“
Rom für die Römer. Entsprechend verwaist wirkt also auch Rom. Zwar hat der Alltag wieder Fahrt aufgenommen, die Leute treffen einander mit Gesichtsmasken zum Aperitivo auf der Piazza, doch die fehlenden Touristen machen sich bemerkbar. Die Straßen im Zentrum wirken eigentümlich leer. Immerhin kommen vereinzelt Individualtouristen, meist junge Paare und eingefleischte Italien-Fans.
Ein älterer Herr aus Deutschland, der ein Leinenhemd trägt und in einem Cafe´ Aperol-Spritz trinkt, schwärmt von seinem zweiwöchigen Urlaub, der gerade zu Ende geht: „Wunderbar. Die Museen waren völlig leer und die Italiener ausgesprochen freundlich.“Die Lage habe er als entspannt empfunden: Da und dort musste er Maske tragen, aber es sei überall genug Platz, um sich mit Abstand zu bewegen. „Ich habe mich sicher gefühlt und nicht mehr als daheim an das Virus gedacht.“