UNITED KINGDOM
werden, Mütter sammeln mit ihren Töchtern bunte Steine, die sich zu keinen Ketten fügen. Mit 2158 Metern ist der Southend-Pier der längste der Welt. Der Strand zieht sich über 13 Kilometer. Er ist gezeichnet von Narben des Zweiten Weltkriegs. Befestigungsanlagen zerklüften immer noch die Küste der Grafschaft Essex. Was danach noch nicht verschandelt war, fiel oft dem Wiederaufbau zum Opfer.
Längst ein Schatten. Wer Southend mit der Bahn erreicht, darf glauben, im Bukarest des Jahres 1971 angekommen zu sein. Nutzgebäude aus Waschbeton stehen leer, dem Autoverkehr wurden brutal mehrspurige Schneisen geschlagen. Motorradfahrerkonvois und Oldtimerparaden lieben die Uferstraße. Fußgänger fürchten sie.
Von der viktorianischen Zeit, als Southend seine größte Blüte erlebte, sind nur mehr bescheidene Reste wie der „Kursaal“übrig. Längst ein Schatten seiner selbst, musste der 1901 errichtete Veranstaltungsort nun das Handtuch werfen. Nicht viel leichter wird es sein, die Hotellerie zu retten. 850.000 Übernachtungen im Jahr brachten bisher rund 50 Millionen Pfund Einnahmen. Nach Angaben der Stadtverwaltung sind fast acht Prozent aller Jobs in der 180.000-EinwohnerStadt direkt vom Tourismus abhängig. In der Rekordsaison 2017 wurden 7,5 Millionen Besucher gezählt, die 335 Millionen Pfund (rund 370 Millionen Euro) ausgaben. Nur wenige wie etwa „The Hope Hotel“hielten sich mit Zimmervermietung an Schlüsselarbeitskräfte über Wasser. Für 35 Pfund pro Nacht bekommt man in der Londoner City ein besseres Frühstück. Die Hoffnung aber stirbt zuletzt.
Von raschem Neubeginn träumen nicht einmal Optimisten. „Wir halten zusammen“, sagt Gilbert. Als jüngster Schock aber kam die Ankündigung von EasyJet, den Standort am Flughafen Southend zu schließen. Schon acht Prozent der Bewohner der Stadt beziehen Staatshilfe. Notgedrungen bleibt da wenig anderes als Urlaub daheim: John, ein rüstiger Rentner, nimmt’s sportlich: „Der einzige Grund, ins Ausland zu fahren, war immer das Wetter. Strände haben wir hier genug.“
Rund 37 Mio. Gäste
beförderten Großbritannien 2019 auf Rang 10 der Reiseziele, doch das wird heuer sicher nicht mehr der Fall sein: Der Verkehr zwischen vielen Staaten, vor allem Europas, und den wunderschönen britischen Inseln ist wegen sehr hoher Coronazahlen dort nach wie vor unterbrochen. Nach Fällen liegt man auf Platz 7 weltweit, nach Toten (zuletzt rund 44.000) sogar auf Platz 3 nach den USA und Brasilien.
Die fast 68 Millionen Einwohner
Von der viktorianischen Zeit sind in Southend nur mehr bescheidene Reste übrig.
leiden ohnehin unter Folgen des Austritts des Landes aus der EU. In den letzten Wochen überrannten Massen die Strände und ließen alle Vorsicht fahren, weshalb die Behörden mit Schließungen von Stränden drohten. Generell ist die Stimmung gekippt, man befürchtet eine „Explosion“, sollte es neuerlich einen Lockdown geben.