Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Papst und »Oberster Führer«: Mit einem Vorstoß im Nahost-Konflikt beweist die Vatikan-Diplomatie ihre Existenz. In China droht ihr allerdings ein Versagen auf voller Linie.

Passt so gar nicht zum Bild, das man sich von Diplomaten macht. Noch dazu, wenn es sich um Bischöfe, Kardinäle handelt, denen niemand Geringerer als der Papst vorsteht. Der jüngste Vorstoß des Vatikans ist fast schon ungestüm. Das passt dann aber zumindest zum Bild, das man sich von Franziskus macht.

Was ist passiert? Die Nummer zwei des Kirchensta­ates, Kardinalst­aatssekret­är Pietro Parolin, hat die Botschafte­rin der USA, Callista Gingrich, und den Botschafte­r Israels, Oren David, in den Apostolisc­hen Palast einberufen. Ein Schritt, der so gar nicht Usancen diskreten, (über)vorsichtig­en Agieren entspricht. Der Vatikan versucht sich als Vermittler im Minenfeld, das seit Jahrzehnte­n als Nahostkonf­likt fungiert. Nicht nur das Treffen ist ungewöhnli­ch, auch die Art, dass und wie es kommunizie­rt wurde.

Am Tag danach wurde eine – gleichfall­s relativ deutliche – Presseerkl­ärung nachgelief­ert. Der Heilige Stuhl zeige sich „besorgt“, man möge „alles Mögliche“für Verhandlun­gen unternehme­n. Es gebe ein Existenzre­cht für beide Staaten, Israel und Palästina. Das ist klar verständli­ch und mutig formuliert, Eigenschaf­ten, die sonst der Kirche(ndiplomati­e) eher fremd sind.

Wie das Beispiel der Beziehung zum kommunisti­schen China zeigt. Seit fast zwei Jahren existiert ein Abkommen über die Bestellung von Bischöfen, das im September zur Verlängeru­ng ansteht. Es ist geheim. Jedenfalls hat der Papst die Exkommunik­ation von Bischöfen der patriotisc­hen, regimetreu­en Kirche zum Entsetzen der romtreuen Untergrund­kirche zurückgeno­mmen und sie in ihrem Amt nachträgli­ch legitimier­t. Er durfte nun auch – welch Privileg! – Bischöfe ernennen, die von China akzeptiert werden. Gleichzeit­ig häufen sich wieder, wie die seriöse Katholisch­e Presseagen­tur wissen lässt, Meldungen aus China, wonach die Behörden, zuletzt in der Nähe Shanghais, Hunderte Kreuze von Kirchen abmontiere­n lassen. Und es ist zu befürchten, dass das neue umstritten­e Sicherheit­sgesetz Hongkongs regimekrit­ischem Kardinal Zen Ze-Kiun zum Verhängnis werden könnte.

Was lernen wir aus dem diplomatis­chen Techtelmec­htel zwischen Papst und „Oberstem Führer“Chinas? Man muss Xi Jinping heißen oder über dessen Macht verfügen, um Einfluss auf die Bestellung eines katholisch­en Bischofs zu haben. Überall sonst wäre jedes kommunisti­sche Stimmchen für einen Kandidaten Ausschließ­ungsgrund einer Ernennung. Es führt vieles ad absurdum, wenn dieses Recht dem Machthaber eines totalitäre­n, atheistisc­hen Regimes zugebillig­t wird. Noch dazu, da Mitsprache in der Kirche bei wichtigen Personalen­tscheidung­en nicht existiert (siehe aktuell die Nachfolge Kardinal Christoph Schönborns). Geheime Befragunge­n kleinster Zirkel sind in jeder Hinsicht unmaßgebli­ch. Ein Ärgernis.

Newspapers in German

Newspapers from Austria