Die Presse am Sonntag

»Ich hätte ein besserer Vater sein können«

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Am 7. Juli werden Sie 80 Jahre alt. Wie werden Sie diesen runden Geburtstag feiern? Ringo Starr: Wegen der Coronapand­emie musste ich meine traditione­lle „Peace and Love“-Geburtstag­sfeier absagen. Das Virus kann jeden treffen, das wollen wir nicht riskieren. Stattdesse­n feiern wir mit einer Charity-Show unter dem Titel „Ringo’s Big Birthday Show“auf YouTube zugunsten von Black Lives Matter Global Network, The David Lynch Foundation, Musicares und Wateraid. Die Show startet um 17 Uhr, ich werde von meinem Studio zu Hause aus die Einführung machen und Konzertmit­schnitte der Ringo Starr And His All-Starr Band zeigen. Freunde werden mit Video-Überraschu­ngen aufwarten.

Wer sind die Freunde?

Einen werden Sie bestimmt kennen. Raten Sie einmal, wen.

Paul McCartney?

Ahhh, den haben Sie richtig erraten! Mitfeiern werden auch Joe Walsh, Gary Clark Jr., Sheryl Crow, Sheila E und Ben Harper sowie andere Überraschu­ngsgäste.

Wie ist die „Peace and Love“-Bewegung entstanden?

Durch Zufall. 2008 wurde ich in Chicago kurz vor meinem Geburtstag gefragt: „Was wünschen Sie sich von den Fans?“Worauf ich entgegnete: „Ich wünsche mir, dass die Fans an meinem Geburtstag um zwölf Uhr Mittag das ,Peace and Love‘-Zeichen machen.“Eine Woche später versammelt­en sich an meinem Geburtstag rund 100 Personen beim Hard Rock Cafe, einige hatten kleine Torten gebracht, und um Punkt zwölf Uhr Mittag zählte ich: „3, 2, 1 – Peace and Love.“Das war der Beginn, seither hat sich die Bewegung auf 27 Nationen ausgeweite­t. Trotz Corona werde ich an meiner Geburtstag­stradition festhalten und „Peace and Love“virtuell feiern.

Welche persönlich­en Wünsche oder Ziele haben Sie für Ihre Zukunft?

Mein Ziel ist es, weiterhin Musik zu machen. Wegen Corona musste ich leider auch meine All Starr Tour absagen. Mir geht die Live-Stimmung ab, und daher werde ich nach Corona Vollgas geben und mehr spielen als je zuvor. Musik ist mein Leben, und ein Leben ohne Musik kann ich mir gar nicht vorstellen.

Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblic­ken, worauf sind Sie besonders stolz?

Meine Familie. Mein Frau, Barbara, ist ein wunderbare­r Glücksfall in meinem Leben. Meine Kinder machen mich glücklich, ich bin stolzer Großvater von acht Enkeln, habe sogar einen Urenkel! Wissen Sie, ich bin ein Einzelkind, und wenn sich die gesamte Familie bei mir zu Hause versammelt, dann komme ich nicht aus dem Staunen heraus, dass all diese Menschen mit mir verwandt sind – ich bin wirklich ein Glückspilz!

Die Dokumentat­ion „The Beatles: Get Back“von Peter Jackson hätte im Sommer im Kino anlaufen sollen, doch wegen Corona ist der Kinostart aufs nächste Jahr verschoben worden.

Schade, dass der Start der Dokumentat­ion verschoben werden musste, aber wegen der Pandemie ist eben alles anders. Alle sind in der Warteschle­ife, sogar James Bond ist verschoben worden! (lacht) Peter Jackson hat mir Ausschnitt­e gezeigt, und ich bin total begeistert. Wir baten den australisc­hen Regisseur, er möge die 56 Stunden unveröffen­tlichten Archivmate­rials sichten,

Richard Starkey

geboren am 7. Juli 1940 in Liverpool

1962–1970

The-BeatlesSch­lagzeuger

1965–1975

Verheirate­t mit Maureen Cox

1970–1976

Solokarrie­re

1981

Hochzeit mit Schauspiel­erin Barbara Bach

1988

Rock and Roll Hall of Fame als Bandmitgli­ed der Beatles

1989

Gründung der Ringo Starr And His All-Starr Band

1990

Benennung eines Asteroids nach Starr

2015

Rock and Roll Hall of Fame als Solokünstl­er

2018

Ritterschl­ag Knight Bachelor Sir Richard Starkey

2021

Dokumentat­ion „The Beatles: Get Back“, Regie Peter Jackson das auch unseren letzten Live-Auftritt auf dem Dach des Savile Row Studio inkludiert. Mir erscheint die Dokumentat­ion von Peter Jackson authentisc­her, weil sie einen intimen Einblick in unsere Höhen und Tiefen als Band wiedergibt.

Yoko Ono wird oftmals die Schuld am Zerfall der Beatles in die Schuhe geschoben. Wie ist Ihr Verhältnis zur Witwe von John Lennon? Und erinnern Sie sich an die erste Begegnung?

Die bleibt unvergessl­ich. Ich kam ins Studio, und da lag Yoko im Bett! (lacht) Ich war total perplex. Keiner von uns hatte jemals seine Frau an unseren Arbeitspla­tz mitgebrach­t. Als ich John fragte, was hier abgehe, antwortete er: „Yoko und ich wollen ganz eng im Leben des anderen sein und wissen, was der andere tut. Dadurch erfahren wir, wer der andere wirklich ist.“Seine Erklärung akzeptiert­e ich und hatte kein Problem mit Yoko. Ich mag Yoko und spielte sogar auf der ersten Platte von Plastic Ono und John mit. Wir sind für einander da – eben wie eine Familie.

Kommen wir nochmals auf Ihre eigene Familie zu sprechen. Wie sind Sie als Vater gewesen?

Ich hätte ein besserer Vater sein können. Das ist eine der großen Lehren im Leben. Zu jenem Zeitpunkt war ich ein Vater, so gut ich konnte. Ein Bild hat sich ganz besonders eingebrann­t: die Geburt meines ältesten Sohnes, Zak. Die Krankensch­wester reichte mir das Baby, und ich war wie versteiner­t. Zak war so fragil, und ich hatte Angst, er würde zerbrechen. Als Zak Vater wurde, waren wir natürlich als Familie dabei. Als die Krankensch­wester Zak das Baby geben wollte, hatte ich ein De´ja`-vu. Ich erkannte mich in seiner Reaktion total wieder, denn mein Sohn stand genauso perplex da.

Was machen Sie denn heute als Großvater anders?

Als Großvater habe ich viel mehr Spaß. Das Beste am Opasein ist, dass man abends die Enkel wieder den Eltern zurückgibt!

Gibt es einen Traum, der für Sie unerfüllt geblieben ist?

Wie ich vorhin erwähnte, bin ich ein Einzelkind. Das einzige, was ich mir als Bub gewünscht habe, war ein älterer Bruder (lacht) – ein unmögliche­r Traum! Erst in der Band (The Beatles; Anm.) hatte ich erstmals das Gefühl: Ich habe drei Brüder! Für mich waren sie meine Brüder, wir waren eine Familie, und ich spielte in der besten Band der Welt.

Haben Sie es jemals als Belastung empfunden, berühmt zu sein?

Berühmtsei­n hat seinen Preis, in unserem Fall war er sehr hoch. Die folgende Begebenhei­t hat sich tatsächlic­h so um 1967 ereignet. Ich esse in einem Restaurant und will gerade meine Gabel zum Mund führen. Da stürmt eine Frau auf mich zu, reißt mir die Gabel aus der Hand und fordert mich auf, sie zu signieren. Ich lehnte ab. Der Hype ist heute abgeflacht. Außerdem trage 1962 wurde Ringo Starr Schlagzeug­er der Beatles. . . . wie Sie Schlagzeug­er geworden sind?

Im Alter von 13 Jahren bin ich mit Tuberkulos­e im Krankenhau­s gelegen. Mein Musiklehre­r brachte mir ein Schlagzeug, um mich zu beschäftig­en. Von dem Moment an wusste ich: Ich möchte nichts anderes in meinem Leben sein als Schlagzeug­er. Dass ich bis heute Schlagzeug spiele, hätte ich allerdings nie zu träumen gewagt.

...ob Sie daran denken, mit 80 Jahren aufzuhören?

Als Musiker habe ich das Glück, nicht in Pension gehen zu müssen. Mein Plan lautet: weitermach­en bis weit über die 80 und solang es mich freut.

...ob es etwas gibt, was Sie bereuen?

Mein Leben resultiert aus guten und weniger guten Entscheidu­ngen. Jede einzelne trug dazu bei, dass ich heute da bin, wo ich bin. ich wegen Corona eine Mund-NaseSchutz­maske, da erkennt mich niemand.

In den 1960er-Jahren unterstütz­ten die Beatles die US-Civil-Rights-Bewegung und weigerten sich, vor segregiert­em Publikum aufzutrete­n. Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklun­gen in den USA?

Ja, es war das erste Mal, dass eine Band sich weigerte, vor segregiert­em Publikum aufzutrete­n. Unsere musikalisc­hen Vorbilder waren die Afroamerik­aner Ray Charles, Lightnin’ Hopkins oder Stevie Wonder. Menschen sind Menschen, und The Beatles spielen für alle Menschen. Die Ermordung von George Floyd öffnet uns wieder die Augen und die „Black Lives Matter“-Bewegung ist zu einer weltweiten Bewegung gegen Rassendisk­riminierun­g und Polizeigew­alt geworden. Dass 75 Prozent der Demonstran­ten zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, ist ein starkes Signal der Jugend, die zum Ausdruck bringt: Wir wollen eine Veränderun­g! Obwohl manche natürlich Veränderun­gen ablehnen, bin ich voller Zuversicht, dass es der jungen Generation gelingen wird, Veränderun­gen herbeizufü­hren.

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Reuters Ringo Starr: „Mein Ziel ist es, weiter Musik zu machen.“
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DIEPRESSE.COM/DEBATTE
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