Die Presse am Sonntag

DESINTERES­SIERTER WESTEN

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„Wir sagen nicht, dass Assad gehen muss.“Dieser Satz des US-Syrien-Beauftragt­en James Jeffrey fasst den Schwenk in der Position des Westens zusammen. Jahrelang bestanden Amerika und Europa auf Assads Entfernung aus dem Präsidente­namt. Doch vorige Woche betonte Jeffrey, das Ziel der USA liege lediglich in einer „dramatisch­en Veränderun­g im Verhalten“des Assad-Regimes.

Ähnlich äußerte sich unlängst der EU-Außenbeauf­tragte Josep Borrell: Über eine Normalisie­rung der Beziehunge­n könne nur gesprochen werden, wenn die Regierung in Damaskus „ihr Verhalten ändert, die Repression gegen das eigene Volk beendet und sich im politische­n Prozess engagiert“. Doch kein Wort mehr über einen Rücktritt Assads.

In mehr als neun Jahren Krieg hat der Westen mehrmals bewiesen, dass ihm der Syrien-Konflikt trotz aller Sonntagsre­den nicht besonders wichtig ist. US-Präsident Barack Obama verzichtet­e im Jahr 2012 auf Militärsch­läge gegen Assad, obwohl dieser kurz zuvor mit Giftgasang­riffen die „rote Linie“der Amerikaner überschrit­ten hatte.

Die Türkei als Türsteher. Europa wurde zwar 2015 durch die Ankunft Hunderttau­sender Flüchtling­e aus Syrien offenbar überrascht und reagierte schockiert. Doch die Europäer beschränkt­en sich darauf, die Türkei gleichsam zum Türsteher zu machen und dafür Milliarden­summen zu zahlen.

Weder die USA noch die EU sind bereit, den militärisc­h unterstric­henen Machtanspr­uch Russlands oder des Iran in Syrien ernsthaft in Frage zu stellen. Das bedeutet: Assad sitzt bis auf Weiteres sicher im Sattel.

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