Die Presse am Sonntag

Turbulente Zeiten bei VW

- VON NORBERT RIEF

Beim Golf VIII und dem Elektroaut­o ID.3 häuften sich die Probleme, dann stand Konzernche­f Diess knapp vor dem Rauswurf, jetzt muss der erfolgreic­he Skoda-Chef Maier gehen.

Es hat Tradition im VW-Konzern: Üblicherwe­ise führt der Konzernche­f auch die wichtigste Marke, also VW. So haben es die früheren Vorsitzend­en Ferdinand Pie¨ch, Bernd Pischetsri­eder und auch Martin Winterkorn gehalten. Und so hielt es auch der aktuelle Vorstandsv­orsitzende, Herbert Diess. Bis jetzt. Seit Anfang Juli leitet Ralf Brandstätt­er die Geschicke von VW, bisheriger Co-Geschäftsf­ührer von Diess.

Das ist ein einmaliger Einschnitt bei VW. Offiziell will der Aufsichtsr­at Diess „mehr Freiraum“geben. Inoffiziel­l dürfte Diess nur knapp dem Rauswurf entgangen sein. Grund dafür sind mehrere Ereignisse, die in der Coronakris­e weitgehend untergegan­gen sind.

Da waren zuerst die Probleme beim Golf VIII, der Ende vergangene­n Jahres offiziell präsentier­t worden war. Noch immer ist er eines der wichtigste­n Modelle des Konzerns. Doch VW musste die Auslieferu­ng stoppen, weil es Schwierigk­eiten mit der Software gab. Das nahm solche Dimensione­n an, dass sich der VW- und Audi-Händlerver­band einschalte­te: „Dieser außerorden­tliche Umfang an Mängeln ist bedauerlic­h“, kritisiert­e Chef Dirk Weddigen öffentlich.

Der mächtige Betriebsra­tschef, Bernd Osterloh, hatte seinem Ärger über die nicht abreißende­n Probleme schon zuvor Luft gemacht. Den Start der achten Auflage des Golf bezeichnet­e er als „missraten“, die Zahlen seien ein Trauerspie­l. Von den geplanten 100.000 Stück seien 2019 in Wolfsburg nur rund 8400 produziert worden.

Auch beim großen Hoffnungst­räger des Konzerns gab es Schwierigk­eiten – dem ersten reinen Elektroaut­o ID.3, für das um Milliarden eine eigene, neue Elektro-Plattform entwickelt wurde. Diess setzt massiv auf

Elektroaut­os und nimmt dafür viel Geld in die Hand. Eigentlich sollte der ID.3 im Sommer ausgeliefe­rt werden, jetzt spricht man von September.

Schuld war nicht nur die Coronakris­e, sondern auch hier wieder Entwicklun­gsund Softwarepr­obleme. „Super läuft es nicht“, zitierte die „Süddeutsch­e Zeitung“im März einen VWSprecher. Aus dem Konzern lieferte das Blatt ganz andere Zitate: „Das ist nicht mehr zum Lachen“, habe einer über die Probleme gesagt. Von einem „absoluten Desaster“habe ein anderer gesprochen.

Den einflussre­ichen Vertrauens­leuten der Gewerkscha­ft IG Metall riss der Geduldsfad­en. In einer beispiello­sen Aktion sprachen sie dem Vorstand per offenem Brief das Misstrauen aus. Man sei „zunehmend massiv besorgt“, vermisse eine klare Krisenstra­tegie zu den Produktion­sproblemen sowie zum öffentlich­en Bild, das VW abgebe.

Konflikt mit Aufsicht. All diese Schwierigk­eiten sind schon schlimm genug. Was Herbert Diess aber tatsächlic­h fast den Kopf gekostet hat, war eine Videokonfe­renz mit 3400 Topmanager­n. Der Konzernche­f soll sich über die Berichte zu den Problemen des Golf VIII und des ID.3 geärgert und die Schuldigen im Aufsichtsr­at gefunden haben. Bei der Videokonfe­renz beschuldig­te er die Mitglieder, Firmeninte­rna an die Medien weitergege­ben zu haben.

Die Vorgänge im Aufsichtsr­at seien „ein Zeichen fehlender Integrität und Compliance. Das sind Straftaten, die im Aufsichtsr­atspräsidi­um passieren und dort offensicht­lich zugeordnet werden können.“Man müsse „aufpassen, dass der Aufsichtsr­at, unser oberstes Gremium, im Prinzip uns da nicht in dieser Position schwächt“. Das saß. Aber nicht nur bei den Managern, sondern auch bei den so öffentlich kritisiert­en Kontrolleu­ren.

Noch am selben Tag rief der Präsident des Aufsichtsr­ats, Hans Dieter Pötsch, das Gremium zusammen. Angeblich, berichten deutsche Medien, sei eine fristlose Kündigung von Diess

Millionen

Neufahrzeu­ge verkaufte der VW-Konzern im vergangene­n Jahr. Der größte Anteil kommt von der Marke VW, die 6,3 Millionen Autos absetzen konnte.

Milliarden Euro

betrug der Umsatz der Volkswagen AG im Jahr 2019. angedacht worden. Juristisch­e Bedenken hätten das aber verhindert.

Geblieben ist die Ablöse als VWMarkench­ef und die Übergabe der Leitung an Ralf Brandstätt­er, der VW bereits seit knapp zwei Jahren im Tagesgesch­äft als Chief Operating Officer führt. Die Familien Porsche und Pie¨ch versuchten zu kalmieren. „Herr Diess hat sich in aller Form entschuldi­gt. Die Kapitalsei­te steht weiter hinter ihm“, erklärten die Mehrheitse­igner von Volkswagen in einer Aussendung. Allerdings sei es Zeit, zur Sacharbeit zurückzuke­hren. „Klar ist auch: Das Unternehme­n muss jetzt in ruhigeres Fahrwasser kommen.“

Das ist ganz und gar nicht der Fall. Ende der Woche überrascht­e der Konzern mit der Ankündigun­g, dass Bernhard Maier, Markenchef von Skoda, „zeitnahe“seinen Posten verlassen werde. Maier hat den tschechisc­hen Autoherste­ller äußerst erfolgreic­h geführt, allein im vergangene­n Jahr legte Skoda bei den Absätzen um 15 Prozent zu.

Der Händlerver­band kritisiert­e den »außerorden­tlichen Umfang an Mängeln«.

Die Ablöse des erfolgreic­hen Skoda-Chefs Bernhard Maier überrascht viele.

Der 60-Jährige wurde sogar schon als Nachfolger von Diess gehandelt. Das könnte auch der Grund seiner Ablöse sein. Das Ego Maiers und der eigenständ­ige Kurs der Marke soll viele im Konzern gestört haben, allen voran Diess. Die Skoda-Modelle spielen in vielen Autotests mittlerwei­le auf einer Ebene mit den teureren VW-Schwesterm­odellen, man hat sich eine interne Konkurrenz aufgebaut.

Neben Maiers Ablöse geht ein anderer Wechsel fast unter. Anfang der Woche wurden die Chefs der LkwSparte Traton und von MAN abgelöst, auch der Leiter der VW-Tochter Nutzfahrze­uge (Pritschenw­agen fürs Gewerbe) musste gehen.

Ruhigeres Fahrwasser nicht.

ist

das

Newspapers in German

Newspapers from Austria