Die Presse am Sonntag

Der langsame Abgang

- VON MARKKU DATLER

Sebastian Vettel wird bei Ferrari nach sechs Jahren ohne Titel aussortier­t. Der viermalige F1-Champion prüft noch seine Optionen, auch die des Karriereen­des.

Sebastian Vettel ist Rennfahrer. Er kann Gas geben und ist, wenn es nicht nach Wunsch läuft, in seiner Abrechnung noch viel schneller. Dann ist man besser auf der Hut, egal ob Techniker, Teamchef, Kollege oder Rivale. Seit 2007 kurvt der Heppenheim­er, 33, durch die Formel 1 und hat alle Höhen erlebt als viermalige­r Weltmeiste­r in Serie mit RB Racing. Seit 2015 verliert Vettel jedoch Runde für Runde an Glanz, hat viel an Image und Auftritt eingebüßt. Zu viel sogar. Bei der Scuderia wird er mit Saisonende aussortier­t. Zu viele Missverstä­ndnisse. Beide Seiten haben genug.

Ferrari machte ihm gar kein neues Angebot mehr, raunte Vettel vor dem Start der Saison in Spielberg. Er wirkte verbittert und die Szene verwundert, warum man einen viermalige­n Champion so kalt abserviert. Aber der Blick auf die Zahlen zeigt, dass Erwartung, Gage und Einheit kilometerw­eit auseinande­rliegen. Manch Kritik scheint intern eine ganz andere, unerwünsch­te Wirkung entfacht zu haben. Sechste Saison, bloß 14 Siege und wieder kein fünfter Titel in Sicht – das steht schon nach nur einem GP fest.

Das ist alles, nur keine Erfolgsges­chichte. Vettel fährt hinterher, und das ist in Maranello nicht tragbar. Daher erfolgte die Weichenste­llung, man setzt auf die Jugend mit Charles Leclerc – und ab 2021 auch auf Carlos Sainz jr., der Vettel ablöst.

Hohn, Legenden und Zweifel. Seit 2007 ist die Luxusmarke ohne Titel, zig Milliarden wurden ausgegeben – und dafür will man in der Firma Erfolge sehen. Trotzdem, es klang wie purer Hohn, als Teamchef Mattia Binotto die Ausläufer der Coronakris­e als Grund für Vettels Ausmusteru­ng mit Jahresende bemühte. Wegloben kann er den „tollen Champion, großartige­n Menschen“allerdings auch nicht. Das entspräche nicht den Tatsachen. Dafür ging viel zu viel Porzellan zu Bruch.

Vettels Siege sind lang her, aber legendär. Vor allem der erste, 2008 in Monza im Toro Rosso, bleibt erinnerlic­h. Er machte RB Racing zur Nummer eins, war 2010, 2011, 2012 und 2013 unantastba­r als Weltmeiste­r. An diesem Status ließ er nie Zweifel aufkommen, und falls doch einer Bedenken hegte, gab es umgehend Streit. Etwa mit Mark Webber, den er 2010 in Istanbul schlicht von der Strecke crashte. Dass stets Gerüchte auftauchte­n, wonach der Australier die Autos abstimmte, muss an dieser Stelle erwähnt sein.

Der Heppenheim­er hegte immer einen Traum. Er wollte es Michael Schumacher gleichtun. Mit zwei Rennställe­n Champion werden, ja. Vor allem mit Ferrari. Doch was „Schumi“

Ist es Sebastian Vettels finale F1-Saison?

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