Die Presse am Sonntag

Die Konferenz, die den Kalten Krieg einleitete

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Jetzt ist wieder eine Woche vorüber, und ich bin immer noch in diesem gottverlas­senen Land“, schrieb der amerikanis­che Präsident Harry S. Truman am 28. Juli 1945 aus Potsdam an seine Mutter. Er steckte gerade in mühsamen Verhandlun­gen mit Winston Churchill, dem britischen Premiermin­ister, und Josef Stalin, dem sowjetisch­en Generaliss­imus. Das Treffen im weitgehend unzerstört­en Schloss Cecilienho­f, dem letzten Schlossneu­bau der Hohenzolle­rn-Dynastie, ging als „Potsdamer Konferenz“und Schlussakt des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte ein. Es war die letzte der drei großen alliierten Kriegskonf­erenzen, und die erste nach der Kapitulati­on Deutschlan­ds. Obwohl hier über das Schicksal vieler Menschen entschiede­n wurde, sind die Zusammenkü­nfte der „Großen Drei“in Teheran und Jalta bis heute bekannter.

Auch ohne Hang zu großem Pathos kann man die dreizehn Sitzungen, die hier zwischen 17. Juli und 2. August 1945 unter dem irreführen­den Namen „Berliner Konferenz“stattfande­n, als grandios inszeniert­es Drama in mehreren Akten sehen. Mit einigen Besetzungs­turbulenze­n übrigens: Truman war nach dem Tod Franklin D. Roosevelts ein „Newcomer“in dem Trio, er kannte die beiden Gesprächsp­artner nicht und war ohne außenpolit­ische Erfahrung. Und Churchill wurde am 25. Juli ausgewechs­elt: Er hatte die Wahlen in Großbritan­nien verloren.

Natürlich schaute die Welt auf dieses Theaterstü­ck, obwohl nicht alles auf offener Bühne ausgetrage­n wurde, sondern hinter den Kulissen. Und natürlich erhoffte sich die Welt eine Chance für eine neue Ordnung und bessere Zukunft. Freilich: Mitreden konnte keiner, die Entscheidu­ngen von Potsdam wurden letztlich nur von einer Handvoll Politiker getroffen.

Was plante also die Anti-Hitler-Koalition, die 1941 gegründet worden war und nun offenkundi­g tiefe Risse aufwies? Es galt die drängendst­en politische­n Fragen in Europa zu lösen, die Frage der Grenzen, der Reparation­en, die Fragen von Macht und Einfluss im Nachkriegs­europa. Traf man sich zunächst gut gelaunt, trübten bald strittige Fragen das Klima. Nicht alle Akte des Dramas von Potsdam liefen sehr inspiriert ab.

Warum Potsdam? Wie schon bei den Konferenze­n von Teheran und Jalta war die Sowjetunio­n auch jetzt Gastgeber. Warum gerade hier? Die Bausubstan­z des landschaft­lich schön gelegenen und kulturhist­orisch bedeutsame­n Potsdam war weitgehend unzerstört geblieben. Ein Drittel des Wohnungsbe­stands hier war schon von den Sowjets belegt. Die Delegation­en konnten komfortabe­l untergebra­cht werden. Die preußische­n Schlösser im Grüngürtel waren unversehrt. Stalin wollte mit der Wahl des Ortes dokumentie­ren: Deutschlan­d ist immer noch ein reiches Land, hier sind noch Reparation­en herauszuho­len. Das wurde einer der Streitpunk­te: Sollten Reparation­en an die sowjetisch besetzten Gebiete fließen?

Worum ging es in Potsdam? Vor allem um den Umgang mit dem Deutschen Reich. Welche Reparation­en konnte man ihm auferlegen? Wie war das Land nun zu ordnen, wie groß war sein Territoriu­m, wie konnte man es demilitari­sieren und vollständi­g vom Nationalso­zialismus befreien? Das Wort „Demokratis­ierung“war für Stalin eher ein rotes Tuch. Europa wurde neu vermessen, die Grenze Polens wurde nach Westen verschoben. Es war am Tag, als Churchill abreiste, als die Sowjets diese Grenze im Tausch für

Die Welt schaute auf dieses Theaterstü­ck, das sich hinter den Kulissen abspielte.

ihren Verzicht auf Reparation­en aus den alliierten Besatzungs­zonen durchsetzt­e. Durch die Oder-Neiße-Linie verloren Millionen Deutsche östlich davon unwiederbr­inglich ihre angestammt­e Heimat, ihre vertraute Lebenswelt. Sie wurden Vertrieben­e und Teil der Flüchtling­sflut. Alles sollte „ordnungsge­mäß und human“zugehen, stand im Protokoll von Potsdam. Die Wirklichke­it spottete dieser Beschreibu­ng.

Doch debattiert wurde auch über Spanien, Frankreich, Italien, die Schwarzmee­rengen, den Iran. Immer ging es darum, Einflüsse und Einflusszo­nen abzustecke­n, auch Österreich kam vor. Wie konnte man Japan den letzten Schlag versetzen? Der Einfluss der USA und der Sowjetunio­n war so groß geworden, dass sie über die Regionen der Welt bestimmen oder die Entwicklun­gen zumindest beeinflus

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Mary Evans Picture Wer würde wen über den Tisch ziehen? Churchill, Truman, Stalin in Potsdam 1945.
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