Retten Maschinen unser Klima?
Über ein Drittel aller Emissionen könnten heute mit bekannten und leistbaren Technologien eingespart werden. Auch für den Rest haben Techniker gute Ideen – wenn der Preis stimmt.
Wir haben die technische Lösung des Klimaproblems längst gefunden.
Es ist schon lang nicht mehr fünf vor zwölf. Zu Jahresbeginn haben Wissenschaftler den Countdown auf der sogenannten Weltuntergangsuhr auf hundert Sekunden gestellt. Von der Coronapandemie war damals noch gar keine Rede. Die Untätigkeit im Klimaschutz reichte völlig aus. Jetzt müssten radikale Schritte her, tönt es nicht erst seither von allen Seiten. Die reichen Länder müssten die Erderwärmung eben wegsubventionieren. Und weil das nicht reiche, sollten am besten alle Menschen aufhören, Fleisch zu essen, Auto zu fahren und einkaufen zu gehen. Das ist schon im gesättigten Westen kaum vermittelbar. Für die Bewohner von Schwellenländern, die heute für den Großteil des Anstiegs der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, ist es eine reine Provokation. Doch zum Glück wächst nicht nur die Konsumlust, sondern auch der technische Fortschritt. Grüne Technologien könnten das Klimaproblem heute rasch lindern – wenn sie endlich flächendeckend zum Einsatz kämen.
Nach einer Studie der amerikanischen Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) halten die Maschinen- und Anlagenbauer den Schlüssel zur Klimarettung in Händen. Sie sind indirekt für einen Großteil der 50 Milliarden Tonnen an Kohlendioxid (CO2) und anderen klimaschädlichen Treibhausgasen verantwortlich, die von der Menschheit Jahr für Jahr in die Atmosphäre geblasen werden. 86 Prozent der jährlichen Emissionen der Industrieund Schwellenländer könnten demnach mit dem Umstieg auf bereits bekannte saubere Technologien abgebaut werden. In Summe müssten die Konzerne bis 2050 allerdings zehn Billionen Euro für Ökostromanlagen, effizientere Motoren und Elektrolyseure zur Wasserstoffproduktion investieren.
Bei 37 Prozent aller Emissionen scheitert es nach Ansicht der Autoren nur noch am guten Willen. Sie könnten sofort mit bekannten – und wirtschaftlich tragfähigen – Technologien vermieden werden. Der größte Brocken entfällt auf die Umstellung der Stromgewinnung auf erneuerbare Energiequellen. Die Produktion von Elektrizität mit Kohle und Gas in den Industrieund Schwellenländern verursacht jedes Jahr zehn Milliarden Tonnen an zusätzlichem Kohlendioxid. In der Theorie könnten Solar-, Wind- und Wasserkraftwerke die fossilen Kraftwerke gänzlich ersetzen. Realistisch werde bestenfalls jede zweite Kilowattstunde Strom im Jahr 2050 grün erzeugt werden, heißt es in der Studie. Aber auch konventionellere Technologien, wie die Rückgewinnung von Wärme in Industrieanlagen oder bessere Motoren haben Potenzial. Würden alte Verbrennungsmotoren gegen neue Modelle getauscht, könnten auf einen Schlag 1,2 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr eingespart werden.
Pillen gegen furzende Kühe. Die Erfindungskraft der Forscher ist damit noch lang nicht zu Ende. Selbst Kühe, die das Klima mit ihren Abgasen belasten, sind vor ihren Ideen nicht sicher. In klinischen Studien werden Antimethanpillen getestet, die dafür sorgen sollen, dass die Rinder weniger furzen. Das Problem: Es ist unwahrscheinlich, dass sich ihr Einsatz je ökonomisch für den Landwirten rechnen wird. So ergeht es vielen technologischen Hoffnungsträgern. Sie sind längst erfunden, erprobt, aber immer noch zu teuer, als dass sie breit Verwendung fänden. Spielte der Preis keine Rolle mehr, könnten nach Schätzung der BCG-Berater weitere 49 Prozent aller Emissionen mit bekannten Technologien verhindert werden.
Das größte Potenzial sehen sie bei grünem Wasserstoff, der mit Ökostrom erzeugt wird. Die Stahlindustrie könnte mit seiner Hilfe von den rund 3,9 Milliarden Tonnen CO2, die die Branche ausstößt, 3,1 Milliarden Tonnen einsparen. Die heimische Voestalpine experimentiert bereits mit Wasserstoff in der Stahlerzeugung. Doch die Technologie ist teuer und energieintensiv. Für die komplette Dekarbonisierung der Voest wären fast 30 Terawattstunden Strom im Jahr nötig – mehr als ein Drittel des Gesamtverbrauchs Österreichs.
CO2 als Rohstoff. Erschwerend kommt hinzu, dass weniger Emissionen allein nicht reichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Theoretisch müssten dafür bis 2030 jedes Jahr 7,6 Prozent der Emissionen eingespart werden. Doch die Realität sieht anders aus. Bis 2030 steigt der globale CO2Ausstoß selbst dann an, wenn alle Staaten das Pariser Klimaabkommen einhalten. Um ihr Ziel zu erreichen, müssen die Menschen der Atmosphäre CO2 entziehen. Auch hier sind – neben Bäumen – Maschinen die besten Helfer.
Wer soll all die Innovationen bezahlen, wenn es der Markt (noch) nicht tut?
Firmen wie Climeworks verkaufen etwa Kollektoren, die Umgebungsluft aufsaugen und CO2 herausfiltern. In den Niederlanden entstehen gewaltige, unterirdische Lager, in denen Kohlendioxid gespeichert oder weiterverwendet wird. In Österreich stellt der Unternehmer Jürgen Roth kommende Woche eine Pilotanlage vor, mit der er aus CO2 und Ökostrom grünes Öl erzeugen will. Der Haken bei all diesen Innovationen: Wer soll sie bezahlen, wenn es der Markt nicht tut? Subventionen haben oft das Problem, dass sie ins Leere laufen können, weil auch der Staat nicht wissen kann, ob er aufs richtige Pferd setzt. Die BCG-Experten plädieren für einen anderen Weg: Der Preis für eine Tonne CO2 in der Atmosphäre müsse empfindlich steigen, idealerweise weltweit. Vermeidung und Weiterverarbeitung des Treibhausgases würden sich rasch rechnen. Und ist die Reduktion der Emissionen erst einmal ein Geschäft, wird es genug Unternehmer geben, die es gern erledigen.