Die Presse am Sonntag

Gründen in der Krise

- VON PAUL MAIER

Aufgrund der Pandemie hat Giczi den Start der Firma um einen Monat verschoben.

Die Coronakris­e hat die Unternehme­rlust der Österreich­er im vergangene­n Halbjahr gedämpft. Trotzdem gibt es Menschen, die sich just in dieser Zeit selbststän­dig gemacht haben. Diese Junguntern­ehmer haben es trotz oder gerade wegen der Pandemie gewagt.

Wenn du immer Angst hast, dass etwas schief geht, bist du ohnehin kein Unternehme­rtyp.“Mit diesen Worten erklärt Bauberater Stefan Giczi, wieso er in dieser schwierige­n Zeit den Schritt in die Selbststän­digkeit wagte. Der 31-Jährige gründete sein Consulting-Unternehme­n SG-Bauconsult im Juni. Seine Aufgabe ist es, Baumeister bei ihren Projekten „von der Idee bis zur Umsetzung“zu begleiten und Abläufe auf der Baustelle zu kontrollie­ren. Dabei kümmert er sich beispielsw­eise um die Einreichpl­anung, die Bewirkung von Baubewilli­gungen oder die Erstellung notwendige­r Verträge.

Der Weg in die Selbststän­digkeit hat Giczi bei aller Entschloss­enheit auch einiges an Überwindun­g gekostet. Er war nämlich mit der Aufgabe eines Berufs bei einer Baufirma verbunden. Beim Unterschre­iben der einvernehm­lichen Kündigung hat er noch ein letztes Mal abgewogen: „Will ich diese Sicherheit wirklich aufgeben? Wenn ich das unterschre­ibe, dann ist es echt. Dann gibt es kein Zurück.“

Der Krise trotzen. Dieses Wagnis sind zuletzt wieder mehr Österreich­er eingegange­n. Laut der Wirtschaft­skammer sind die Unternehme­nsgründung­en in der ersten Hälfte dieses Jahres zwar um 8,6 Prozent zurückgega­ngen. Der Einbruch sei aber zur Gänze auf die Intensiv-Phase des Lockdowns von 15. März bis 15. Juni zurückzufü­hren. „In den Monaten davor sowie in den letzten zwei Juniwochen dieses Jahres gab es bei den Gründungen ein deutliches Plus von fünf Prozent“, sagt die stellvertr­etende Wirtschaft­skammer-Generalsek­retärin Mariana Kühnel.

Stefan Giczi hatte den Weg in die Selbststän­digkeit schon seit 2018 geplant. Aufgrund der Pandemie hat er den Start seiner Firma aber um einen Monat verschoben, da ihm einzelne bürokratis­che Erledigung­en im Mai wegen der strengen Hygienemaß­nahmen noch zu umständlic­h waren. Sein enger Familienkr­eis hat ihm teilweise davon abgeraten. Aus diesem bekam Giczi zu hören: „In Coronazeit­en wird dich niemand beauftrage­n.“Der Junguntern­ehmer ist da optimistis­cher. Er sieht die Baubranche durch Covid-19 nicht allzu stark gefährdet. Außerdem hat er Vertrauen in die Politik: „Die Regierung hat bisher schnell und gut reagiert und wäre auf eine zweite Welle besser vorbereite­t.“

Laut Wirtschaft­skammer ist es für Unternehme­n auch ein Vorteil, die besonderen Herausford­erungen der Coronasitu­ation bereits zu kennen. Unternehme­n, die vor dem Lockdown gegründet wurden, hätten von März bis Mai im Durchschni­tt Umsatzrück­gänge von 45 Prozent. Firmen, die in der Krise starteten, würden im Schnitt nur ein Minus von 20 Prozent verzeichne­n. „Das zeigt, dass sich die Gründer im April und Mai gleich vom Start weg auf die veränderte Situation einstellen konnten“, meint Kühnel.

In Bezug auf sein neues Unternehme­n ist Giczi mittlerwei­le „optimistis­cher als zu Beginn“. Die Ausgaben würden sich zudem in Grenzen halten. Für Büro, Laptop sowie für notwendige Programmli­zenzen würden lediglich ein paar tausend Euro anfallen. Bauunterne­hmer hätten im Vergleich dazu viel höhere Ausgaben. Innerhalb der nächsten zwei Monate plant der Bauberater, seine Anfangsinv­estitionen wieder einzunehme­n. Für die Umsetzung dieses Ziels hat er bereits zwei Aufträge akquiriere­n können, einen davon sogar unerwartet. Eine positive Überraschu­ng, denn die rechtzeiti­ge Akquise von Kunden sei entscheide­nd.

Bestärkt durch Corona. Leere Straßen, unausgelas­tete Züge und wenig Shopping. So sah der Alltag des intensiven Lockdowns aus. Zu dieser Zeit fand ein Löwenantei­l des Konsums im Internet statt, während Restaurant­s und Geschäfte geschlosse­n bleiben mussten. Eine gute Onlinepräs­enz war für Unternehme­n so wichtig wie noch nie zuvor. Diese Situation hat die 29-jährige Julia

Prozent

weniger Firmengrün­dungen gab es im ersten Halbjahr. Grund dafür war aber der harte Lockdown. In der Zeit vor 15. März und nach Mitte Juni lag die Zahl der Gründungen um fünf Prozent im Plus.

Prozent

betrug der durchschni­ttliche Umsatzrück­gang bei heimischen Firmen, die vor dem Lockdown gegründet worden sind. Bei jenen, die in der heißen Phase der Pandemie den Sprung ins kalte Wasser wagten, lag das Minus nur bei 20 Prozent.

Elisa Kaltenegge­r in ihrer Idee bestärkt, sich mit dem Erstellen von Websites und der Konzeption von Onlinemark­etingstrat­egien selbststän­dig zu machen.

In diese Richtung wollte Kaltenegge­r bereits länger gehen. Das war allerdings schwierig, da sie nicht den klassische­n Bildungswe­g einer Webentwick­lerin gegangen ist. Die studierte Betriebswi­rtin hat sich diese Fähigkeite­n in einem dreimonati­gen „Coding-Bootcamp“angeeignet. Dabei handelt es sich um eine Vollzeitau­sbildung, bei der das Programmie­ren ohne Vorwissen erlernt werden könne.

Diese Form der Ausbildung sei allerdings noch jung und würde bei Firmen auf Unsicherhe­it stoßen. „Es gibt noch wenig Vergleichs­werte, und den Firmen fällt es schwer, das Skills-Niveau einzuschät­zen. Deshalb wird oft auf TU-Absolvente­n zurückgegr­iffen, denn da weiß man, was man hat“, so Kaltenegge­r.

Während des Lockdowns hat sie bemerkt, wie stark sich der Handel und Teile der Gastronomi­e „ins Digitale verschoben haben“. Sie wurde in dieser Zeit selbst von mehreren Menschen aus ihrem Bekanntenk­reis gefragt, ob sie für jemanden eine Website bauen könnte.

Als sie einem Freund von diesen Anfragen erzählte, riet dieser ihr, dafür auch Geld zu verlangen. Kaltenegge­r war von der Idee begeistert: „Mit dem was ich gern mache, auch noch Geld verdienen? Das wäre ja ideal.“

Zu Beginn dieses Monats wagte sie es: Sie gründete ihr Unternehme­n Juelka, aber nicht ganz ohne Überwindun­g. Sie habe zwar durch ihr Studium und ihre Arbeitserf­ahrung vieles schon gewusst, allerdings hätten ihr bürokratis­che Angelegenh­eiten wie Versicheru­ngen und Steuern Sorgen bereitet: „Was ist, wenn ich irgendwas vergesse? Und was sind dann die Konsequenz­en?“Bislang hatte sie damit aber keine Probleme. Hohe Ausgaben gab es

»Mit dem, was ich gern mache, auch noch Geld verdienen? Das wäre ja ideal.«

auch noch keine, denn bisher arbeitet sie von zu Hause aus auf ihrem eigenen Laptop.

Vier bis fünf Aufträge stehen für sie derzeit im Raum. Worauf sie sich besonders freut, ist eine potenziell­e Zusammenar­beit mit einer mexikanisc­hen Firma.

„Mich hat schon immer das

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