Die Presse am Sonntag

Brüchige Familien

- IB

Wie geht man damit um, wenn das Vertraute plötzlich weg ist? Anna Katharina Hahns Generation­enroman »Aus und davon« zeigt unterschie­dliche Wege auf. Nicht immer bierernst.

Für gewöhnlich gibt man so etwas nicht zu, aber Elisabeth war es von Anfang an klar: Cornelia, die Zweitgebor­ene, ist ihre absolute Lieblingst­ochter. Also opfert sich die schwäbisch­e Mutter für ihr Kind auf. Auch wenn es schon längst erwachsen ist und auch wenn Cornelia selbst in ihrer tiefsten Krise steckt.

Für beide Frauen bricht zusammen, was sie lang für unzerstörb­ar hielten: Cornelia hat sich von ihrem Partner getrennt und muss sich jetzt allein um die Kinder kümmern. Glücklich ist sie mit beiden nicht: Der übergewich­tige Bruno passt nicht in ihre Welt der sportliche­n Physiother­apeutinnen. Einen Zugang zur pubertiere­nden Stella hat sie nur, weil sie die gleiche Serie schaut.

Elisabeth hingegen musste nach einem Schlaganfa­ll um ihren Mann fürchten – verlor ihn aber aus ganz anderen Gründen. Mit ihrer neuen Situation gehen beide ganz unterschie­dlich um. Die eine möchte unbedingt allein sein, die andere auf keinen Fall.

Es ist eine stumme Trauer, die die Frauen empfinden und nicht miteinande­r teilen können. Dennoch ist der Roman von Anna Katharina Hahn niemals bierernst, man kann durchaus den schwarzen Humor herauslese­n. Dabei hilft auch der Linsenmaie­r – eine Stoffpuppe, die die Familienge­schichte der vergangene­n Generation erzählt. Wieder war es eine Frau, Elisabeths Mutter Trudele, die sich für ihre Familie opferte und in die USA arbeiten ging. Ein Familienro­man, von dem man gern mehr gelesen hätte.

Anna Katharina Hahn: „Aus und davon“, Suhrkamp, 308 S., € 24,70

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