ALEXANDER VON DER THANNEN
Besitzer des Hotels Trofana Royal über
Apr`es-Ski-Partys in Ischgl.
Andreas Steibl ist seit fast 20 Jahren Geschäftsführer des Tourismusverbands, spricht mittlerweile mit breitem Ischgler Dialekt und duzt jeden Gesprächspartner. Mit seinen schulterlangen, blonden Haaren erinnert er an Hansi Hinterseer und sieht wie jemand aus, der das Motto des Ortes – „Relax. If you can“– auch lebt.
Ja, sagt der 53-Jährige, er sei schon ein Apre`s-Ski-Geher. Das gehöre irgendwie zu einem schönen Skitag dazu. Aber Apre`s Ski sei eben nur eine der „Erlebniswelten“, die Ischgl seinen Besuchern bieten könne. „Wir haben so viel mehr als das, auf was uns die Medien reduzieren.“Die Stammgäste wüssten das, sie machten immerhin 72 Prozent der Gäste aus. Deswegen schaue er mittlerweile auch recht zuversichtlich in die Zukunft.
Zu den Erlebniswelten gehöre etwa die Hotellerie mit den vier Fünf-Sterne-Hotels – eine Dichte pro Einwohner, die es sonst nirgendwo in Österreich gibt. Genauso wie bei der Gastronomie: In der Dorfstraße reiht sich ein Gourmetrestaurant an das andere, insgesamt zählt die kleine Ortschaft neun Haubenlokale.
Und natürlich das einmalige Skigebiet. Jeder Gesprächspartner betont das wie ein Mantra. Es dürfte ganz oben auf der Liste der Talking Points stehen, die die schnell engagierte Krisen-PR-Agentur mit Sitz in Innsbruck und Wien vermutlich erstellt hat. Sie hat auch Zitate von Gästen von der Facebook-Seite Ischgls zusammengetragen: „Ich werde euch auf alle Fälle treu bleiben“, schreibt da ein Klaus Späth. „Stark und gesund bleiben, geht auch wieder vorbei“, rät Christine Jenal. „We all make mistakes, it is a human trait“, schreibt Malcolm Magnet. Auf der Seite findet sich freilich auch der Eintrag von Thomas Nadrowski: „Tja, wenn die Gier nach Geld so groß ist wie bei dieser Ischglspezie, wundert mich das nicht, sondern zeigt, das (sic!) denen alles andere egal ist.“Vor „egal“hat er ein Bild eines kleinen Hundehäufchens platziert.
Über Fehler spricht Bürgermeister Werner Kurz nicht gern. Man habe die ganze Angelegenheit am Anfang „medial vielleicht nicht ideal“gemeistert.
Dass er nach dem Ausbruch der Coronakrise beispielsweise sehr TV-wirksam tagelang nicht für einen Fernsehbeitrag eines ORF-Reporters erreichbar war, erklärt er damit, dass er drei Mobiltelefone habe und einfach zu viel los war. Dass man bewusst etwas verzögert habe, den Vorwurf lässt er nicht zu. Aber wie sehr ist die Politik in so einer kleinen Gemeinde getrieben von der Wirtschaft, von den vielen Hoteliers, die hohe Steuereinnahmen bringen,
Jeder Gesprächspartner betont die Einmaligkeit des Skigebiets wie ein Mantra. »Die Wirtschaft sagt nicht, wie es läuft. Der Gemeinderat entscheidet, was passiert.«
oder auch von der Seilbahn AG, die im Winter mehr als 500 Personen beschäftigt und wichtige Bauvorhaben mitfinanziert? „Gar nicht“, sagt Kurz. Natürlich würden sich Gemeinde, Tourismusverband und Seilbahn AG absprechen, wenn es um Planungen für die Zukunft gehe. „Aber die Wirtschaft sagt nicht, wie es läuft. Der Gemeinderat entscheidet, was passiert.“
Jetzt müsse ganz Ischgl zusammenhalten und zusammenstehen, die Krise habe die kleine Ortschaft zusammengebracht wie damals 2005 das Hochwasser.
Seit zehn Jahren ist Kurz Ortschef, noch einmal kandidieren will er nicht. „Aber nicht wegen Corona, das hab ich schon früher entschieden.“In seiner Amtszeit habe man den Dorfplatz gestaltet, ein Kulturzentrum errichtet, die große Parkgarage gebaut, die Feuerwehrhalle erneuert, sozialen Wohnbau gestartet. Und hängen bleibt von den zehn Jahren nur Corona? „Ich hoffe nicht“, sagt Werner Kurz.
In der Dorfstraße 73 sitzt Benjamin Parth in der leeren Bar des geschlossenen Hotels Yscla. Parth kocht im hauseigenen Haubenlokal Stüva und gehört zu Österreichs höchstdekorierten Köchen. „Vielleicht war dieser Weckruf gar nicht so schlecht für uns“, meint er. „Die Krise hat uns wieder auf den Boden geholt.“Jetzt müsse man eben so kämpfen und so kreativ sein wie zuvor die Eltern und die Großeltern, die Ischgl groß gemacht hätten.
Ein paar Häuser weiter in der Dorfstraße hat jemand groß einen Spruch auf sein gelbes Wohnhaus gemalt: „Höre nie, was Menschen sagen, tue ruhig Deine Pflicht. Gott wird nicht die Menschen fragen, wenn er Dir Dein Urteil spricht.“