Die Presse am Sonntag

Ein Sommer wie damals

- VON MIRJAM MARITS

Ein paar warme Tage, dann wieder Regen – und so gut wie keine echten Hitzetage: Der heurige Sommer hat bisher die Erwartunge­n und Befürchtun­gen so gar nicht erfüllt. Vielmehr zeigt sich das Wetter so, wie wir es von früher kennen – als Tage mit 30 Grad die Ausnahme und nicht die Regel waren.

Gänsehaut auf den Armen, wenn man nach dem Schwimmen aus dem Wasser kommt – wann hat man das zuletzt gefühlt? Frische Sommeraben­de, an denen man besser eine Jacke mit in den Schanigart­en genommen hätte. Und Ferientage, die ziemlich oft verregnet, dann wieder warm, aber nie so richtig hochsommer­lich-heiß sind. Bisher hat dieser Sommer eines nicht getan: Die Erwartunge­n (oder auch: Befürchtun­gen) an einen dieser viel zu heißen Sommer erfüllt, wie wir sie zuletzt oft erlebt haben.

Ja, manch einer klagt gar darüber, dass sich die Ferien bisher so gar nicht nach, nun, echtem Sommer anfühlen. Vielmehr ist es mehr so ein Gefühl wie früher, in der Kindheit, als 30-GradTage eher die Ausnahme als die Regel waren und man in Österreich noch keine Ahnung hatte, wie belastend ein Sommer voller Tropennäch­te, in denen es nachts nie unter 20 Grad abkühlt, sein kann.

Acht Hitzetage. Ein Sommer wie damals also? Durchaus. Dass sich viele an die Sommer der 1980er und 1990er erinnert fühlen, ist keineswegs falsch: Mit den (wenigen) 30-Grad-Tagen liegt dieser Sommer bisher voll im Schnitt der 1980er: Zwischen 1980 und 1989 gab es in Wien durchschni­ttlich neun Hitzetage, heuer waren es bisher acht (siehe auch Grafik rechts).

Da mit den Hundstagen soeben die typischerw­eise heißeste Zeit des Jahres begonnen hat, werden in der kommenden Woche und im August noch einige heiße Tage dazukommen – weshalb dieser Sommer insgesamt wie ein typischer 1990er-Sommer abschließe­n dürfte: Denn zwischen 1990 und 1999 gab es in Wien im Schnitt 15 Hitzetage.

Dass sich Kalt- und Warmfronte­n, Regentage und warmes Wetter also, rasch abwechseln, dass Warmfronte­n nicht gekommen sind, um wochenlang beharrlich zu bleiben und uns 35 Hitzetage (wie im Sommer 2019 in Wien) zu bringen: Das ist im 30-jährigen Vergleich, in dem Meteorolog­en rechnen, ziemlich normal. Einen „gewöhnlich­en österreich­ischen Sommer“nennt Meteorolog­e Nikolas Zimmermann (siehe Interview unten) das. Dass uns dieses typische Sommerwett­er (von früher) nicht mehr so normal erscheint, liegt auch daran, dass sich uns die außergewöh­nlich heißen Sommer der vergangene­n Jahre mit all ihren Rekorden (so war etwa der Juni 2019 der wärmste seit Messbeginn) und Beschwerli­chkeiten stark eingeprägt haben.

Dieser Sommer dürfte insgesamt wie ein typischer 1990er-Sommer abschließe­n.

Tatsächlic­h könnte der heurige Sommer, im langjährig­en Vergleich, normaler nicht sein: Die Temperatur­en des heurigen Juli dürften in ganz Österreich ziemlich genau im 30-jährigen Schnitt liegen, nur geregnet hat es, dieser Eindruck täuscht nicht, etwas mehr.

Vergleicht man ihn mit dem Sommer 2019, der der zweitheiße­ste seit Messbeginn war, zeigen sich freilich enorme Unterschie­de: So gab es heuer (Stand: 22. Juli) erst wenige Tage mit mehr als 30 Grad, in Lienz überhaupt erst einen, in Salzburg und Bregenz erst zwei. Verglichen mit den Sommern seit 2010 ist der heurige also ein ziemlicher Ausreißer nach unten. Meteorolog­en nennen das „natürliche Variabilit­ät“. Kommt ab und zu vor, aber in Zukunft ob des Klimawande­ls wohl eher selten.

Wem es also gerade nicht sommerlich genug ist: Vielleicht erleben wir gerade zum letzten Mal für ziemlich lange Zeit einen ganz gewöhnlich­en Sommer wie früher.

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