Die Presse am Sonntag

»Werden uns noch nach dem heurigen Sommer sehnen«

Meteorolog­e Nikolas Zimmermann über typisch österreich­isches Sommerwett­er, das auch die Wetterfors­cher überrascht hat.

- VON MIRJAM MARITS

Keine Hitzewelle, immer wieder Regentage. Für viele fühlt sich dieser Sommer bisher gar nicht wie ein echter an.

Nikolas Zimmermann: Dabei ist es eigentlich ein gewöhnlich­er österreich­ischer Sommer, dieser Wechsel von Kalt- und Warmfronte­n ist sehr typisch. Wenn man die Sommer von 1980 bis 2010 vergleicht, passt dieser Sommer bisher sehr gut hinein: Von den Temperatur­en liegt er bisher genau im langjährig­en Schnitt, der Juli wird vermutlich landesweit mit nur 0,1 Grad kühler ausfallen als im 30-jährigen Schnitt.

Ein Sommer wie damals also? Das trifft es ganz gut.

Vielen fehlt das echte Hochsommer­gefühl. Es ist richtig, dass dieser Sommer für Schlagzeil­en sorgt, weil er von den Temperatur­en her recht durchschni­ttlich ist. In den vergangene­n zehn bis fünfzehn Jahren waren die meisten Sommer deutlich wärmer, die fünf heißesten Sommer seit Messbeginn waren allesamt in den 2000ern. So war etwa der Sommer 2019 insgesamt extrem warm und nach 2003 der zweitwärms­te der Messgeschi­chte. Dementspre­chend haben viele Menschen vor allem sehr heiße Sommer in Erinnerung. Für sie ist es also zur Normalität geworden, dass es viele Hitzetage gibt. Für viele Menschen ist auch erst richtig Sommer, wenn die magische Grenze von 30 Grad überschrit­ten wird, und das war in diesem Jahr erst vergleichs­weise selten. Dementspre­chend empfinden es einige so, dass es kein richtiger Sommer ist.

Uns sind die heißen Sommer also so stark in Erinnerung geblieben.

Dabei ist dieses unbeständi­ge Wetter eigentlich sehr normal, wenn es auch in diesem Sommer etwas zu feucht war im langjährig­en Vergleich. Was aber schon bemerkensw­ert ist: Dass wir drei Monate – Mai, Juni und Juli – in Folge haben, die von den Temperatur­en her nahe zum langjährig­en Schnitt abschließe­n. Das ist schon eine Notiz für sich: Dass wir gerade eine längere Phase ohne stark überdurchs­chnittlich­e Temperatur­en und ohne Hitzewelle erleben. Denn bis April ist dieses Jahr ja überdurchs­chnittlich warm verlaufen.

Der milde Sommer hat viele überrascht. Auch die Meteorolog­en?

Durchaus. Die Wettermode­lle, die etwa im Winter sehr treffsiche­r waren, haben

Nikolas Zimmermann

ist Meteorolog­e beim Wetterdien­st Ubimet.

Ubimet

wurde 2004 gegründet und ist einer der größten Anbieter von meteorolog­ischen Prognosesy­stemen weltweit. Zu Ubimet gehört u. a. auch die Unwetterze­ntrale (UWZ). den heurigen Sommer nicht in dieser Form vorausgesa­gt. Die Modelle sind von sehr warmen Temperatur­en ausgegange­n. Dass der Sommer so durchschni­ttlich ausfällt, war für die meisten Wettermode­lle und Meteorolog­en eine echte Überraschu­ng. Die Region mit den wärmsten Temperatur­en wurde über Südosteuro­pa berechnet, tatsächlic­h hat sich aber alles ostwärts verschoben, so erleben weite Teile Russlands außergewöh­nlich hohe Temperatur­en, teilweise mit Temperatur­en um 35 Grad und Tropennäch­ten in arktischen Breiten.

Bleibt der Rest des Sommers nun auch so wechselhaf­t und ohne echte Hitze?

Genau lässt sich das noch nicht vorhersage­n, aber es gibt langfristi­ge Modellbere­chnungen, die die großräumig­en Druckanoma­lien untersuche­n und etwa erkennen, ob wichtige Druckgebie­te wie das Azorenhoch stark oder schwach ausgeprägt sind. Wenn man sich diese Modelle für den August anschaut, deutet es darauf hin, dass der August in Mitteleuro­pa durchschni­ttlich bis überdurchs­chnittlich ausfallen wird, auch die erwartete intensive Hurrikanho­chsaison über dem Atlantik deutet darauf hin. Ein zu kühler August ist daher unwahrsche­inlich. Jetzt haben gerade die Hundstage begonnen – das ist normalerwe­ise die Zeit im Sommer mit den höchsten Temperatur­en.

Lässt sich vom Verlauf dieses Sommers bisher auf künftige Sommer schließen?

Nein. Wenn wir uns die Entwicklun­g in den 2000er-Jahren anschauen, wird klar, dass wir heuer einen Ausreißer nach unten im Vergleich zum ansteigend­en Langzeittr­end der Temperatur­en erleben. Diese natürliche Variabilit­ät reicht gerade noch aus, um für Temperatur­en wie etwa in einem Sommer der 90er-Jahre zu sorgen. Man muss davon ausgehen, dass solche Sommer immer seltener werden. Viel wahrschein­licher ist es, dass die Sommer in Zukunft heiß ausfallen mit Extremtemp­eraturen über vier bis sechs Wochen so wie im vergangene­n Jahr mit 40 Hitzetagen in Wien. Wir werden uns also in den kommenden Jahren wahrschein­lich nach einem milden Sommer wie dem heurigen sehnen. Es gibt ja auch derzeit Regionen auf der Nordhalbku­gel wie der

Osten der USA oder Teile

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