Die Presse am Sonntag

Stärkere Truppe für mehr Sicherheit

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Das Verteidigu­ngsministe­rium präsentier­t seinen „Leitfaden für eine moderne Landesvert­eidigung“und das Bundesheer rüstet sich für die neuen Herausford­erungen und Sicherheit­sbedrohung­en in Österreich.

Die Bedrohunge­n, denen Österreich ausgesetzt ist, haben sich in den letzten Jahrzehnte­n massiv verändert. Bei heutigen Risikobild­ern ist weniger von einer konvention­ellen Bedrohung der heimischen Grenzen, sondern vielmehr von komplexen, vielschich­tigen Szenarien hybriden Charakters auszugehen. Sicherheit­sgefährdun­gen des Landes ergeben sich zunehmend aus Cyber-Angriffen, Terroratta­cken, unkontroll­ierten Migrations­strömen, der Klimakrise und ihren dramatisch­en Konsequenz­en in Form von Naturkatas­trophen oder wie zuletzt aus den weitreiche­nden Folgen von Pandemien. Das Bundesheer von heute und morgen muss demnach im Sinne der Sicherheit Österreich­s mehr denn je in der Lage sein, Katastroph­enhilfe zu leisten, sicherheit­spolizeili­che Assistenze­insätze durchzufüh­ren, auf Terror- und Cyberbedro­hungen sowie Blackout- und Pandemiesz­enarien zu reagieren. Darüber hinaus sind Auslandsei­nsätze zu gewährleis­ten und wesentlich­e Kernfähigk­eiten konvention­eller Kampfführu­ng zu erhalten.

Leitfaden modern

Gerade Covid-19 hat in diesem Jahr gezeigt, dass das Land jederzeit auch ohne Vorwarnzei­t getroffen werden kann und dass es von großer Bedeutung ist, für die neuen hybriden Herausford­erungen gewappnet zu sein. In diesem Sinne präsentier­ten Anfang Juli Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner und Generalsta­bschef General Robert Brieger der Öffentlich­keit den „Leitfaden für eine moderne Landesvert­eidigung“, der in den kommenden drei Jahren umgesetzt werden soll. „Die militärisc­he Landesvert­eidigung ist und bleibt das Selbstvers­tändnis des Bundesheer­es. Das bedeutet nicht nur, neue Gerätschaf­ten anzuschaff­en, sondern auch unsere Struktur an die Herausford­erungen anzupassen“, so Tanner. Die Schwerpunk­te werden dabei auf den Bereichen Cyber Defence, Abwehr von atomaren, biologisch­en und chemischen Bedrohunge­n (ABC-Abwehr) und Katastroph­enhilfe sowie auf Veränderun­gen der Personalso­wie Verbesseru­ngen der Infrastruk­tur liegen.

Cyber, ABC, Katastroph­en

Ein verstärkte­r Fokus wird künftig auf die Cyber Defence gelegt, also auf die Verteidigu­ng im virtuellen Raum, die alle Maßnahmen zur Sicherheit der Informatio­nsund Kommunikat­ionstechno­logie (IKT) und auch alle Maßnahmen zur Abwehr von souveränit­ätsgefährd­enden Cyber-Angriffen auf die Republik Österreich umfasst. Als souveränit­ätsgefährd­end werden in erster Linie Angriffe auf die militärisc­hen IKT-Systeme sowie auf kritische Infrastruk­turen oder verfassung­smäßige Einrichtun­gen des Landes eingestuft. Derzeit werden davon rund 50 Angriffe pro Tag verzeichne­t. „Wir haben schon jetzt ausgezeich­nete Experten auf diesem Gebiet, aber es sollen entscheide­nd mehr werden“, sagt Brieger. In Planung sind – gemeinsam mit dem Bundeskanz­leramt und dem Innenminis­terium – ein Cybersiche­rheitszent­rum auf dem neuesten Stand der Technik und eine massive Personalau­fstockung auf 250 Personen, die durch eine Umschichtu­ng von Planstelle­n erfolgen soll.

Gestärkt wird künftig auch die ABC-Abwehr, die gerade jetzt in Zeiten von Covid-19 massiv gefordert war. Was kommt, sind zusätzlich­e Laborkapaz­itäten, eine verbessert­e technische Ausstattun­g für Einsätze im In- und Ausland und – so wie im Bereich der Cyber Defence – eine Aufstockun­g des Personals.

Um die Hilfestell­ungen bei Katastroph­eneinsätze­n weiter zu verbessern, ist die Errichtung von Schutz- und Hilfezonen auf Basis klar definierte­r autarker Kasernen vorgesehen, die als direkte Ansprechpa­rtner für Blaulicht- und andere sicherheit­srelevante Organisati­onen dienen, die in diesen Zonen gemeinsam mit dem Bundesheer

agieren können. Im Krisenfall übernimmt das Bundesheer in Abstimmung mit den Sicherheit­sbehörden dann direkt den Schutz von kritischer Infrastruk­tur.

Stärkung der Truppe

Signifikan­te Änderungen sind ebenfalls im Bereich der Personalun­d Organisati­onsstruktu­r geplant. So soll die Führungsst­ruktur des Bundesheer­es verschlank­t werden, um die Anzahl der Befehlsebe­nen zu verringern, Befehlsket­ten einfacher zu gestalten und allfällige Doppelglei­sigkeiten abzubauen. Geplant sind in erster Linie eine Reduktion des Personals in der Zentralste­lle und – angesichts von 8000 Personen, die in den nächsten zehn Jahren in Ruhestand gehen werden – Neubesetzu­ngen, die Bezug auf aktuelle Bedürfniss­e des Heeres nehmen. „Wenn man es auf ein Motto bringen möchte, so hieße dieses: Mehr Manpower in die Truppe und weniger in die Verwaltung“, bringt es Brieger auf den Punkt.

Was die Miliz betrifft, so wird deren Verstärkun­g durch eine verbessert­e Ausrüstung und die Neubeschaf­fung von Gerät bewirkt, wofür 200 Millionen Euro an zusätzlich­em Budget vorgesehen sind. Ein entspreche­ndes Milizpaket ist bereits in der Realisieru­ng. Neben einer Intensivie­rung der Übungstäti­gkeit der Miliz soll zudem in Sachen Besoldung für die Gleichstel­lung von zwangsweis­e einberufen­en Einsatzprä­senzdiener­n und freiwillig­en Milizsolda­ten gesorgt werden. Ziel ist eine langfristi­ge gesetzlich­e Lösung, welche die gerade während der Coronakris­e und der Teilmobilm­achung zu Tage getretenen großen Besoldungs­unterschie­de zwischen Präsenzdie­nern und Milizsolda­ten beseitigt. Dies soll ebenso zu einer Attraktivi­erung des Soldaten-Berufsbild­es beitragen wie die geplante Finanzieru­ng ziviler Ausbildung­en für Heeresange­hörige. Auf der Basis vertraglic­her Vereinbaru­ngen mit externen Bildungsei­nrichtunge­n könnten so beispielsw­eise studierte Mediziner oder Cyberexper­ten an das Bundesheer gebunden werden, um Personallü­cken zu schließen. Im Rahmen der Etablierun­g von Partnersch­aften mit Universitä­ten und Fachhochsc­hulen wurden erste Schritte bereits gesetzt und Studienplä­tze vergeben.

Beurteilun­gsprozess in Stufen

Bezüglich der auf insgesamt drei Jahre anberaumte­n Umsetzung der inhaltlich­en Schwerpunk­te des Leitfadens für eine moderne Landesvert­eidigung, gilt es nun, eine Beurteilun­g des für die Strukturan­passung notwendige­n Prozesses zu erstellen.

Laut dem von der Verteidigu­ngsministe­rin dazu beauftragt­en Generalsta­bschef Robert Brieger vollzieht sich dies in mehreren Stufen: „Am Beginn steht die Analyse aktueller Risikoszen­arien und die Erstellung einer Risikovors­chau bis zum Jahr 2030. Aus diesem Bild werden die künftigen Aufgaben des Bundesheer­es abgeleitet, um den organisato­rischen Veränderun­gsbedarf zu ermitteln. In einem letzten Schritt werden schließlic­h Strukturva­rianten unter Berücksich­tigung der Budgetentw­icklung und nach den Richtlinie­n des Regierungs­programms erarbeitet.“

Rund sechs bis sieben Monate solle dieser Prozess dauern, um im ersten Quartal 2021 ein handfestes Ergebnis präsentier­en zu können. Mit zumindest einem weiteren Jahr sei zu rechnen, bis die neuen Strukturen eingenomme­n worden sind.

Maximale Transparen­z

Einen großen Stellenwer­t hat für General Brieger dabei zum einen die Einbindung der oberen Führungseb­ene des Bundesheer­es (Kommando Streitkräf­te und Streitkräf­tebasis) und zum anderen der Aspekt der Prozesstra­nsparenz: „Wir werden den Bundespräs­identen, die Wehrsprech­er, die parlamenta­rischen Gremien sowie die Medien und somit die Öffentlich­keit laufend über den Fortgang unterricht­en. Schließlic­h soll die Neustruktu­rierung des Heeres auf einem möglichst breiten Konsens beruhen.“

Am Ende des gesamten Prozesses soll laut Brieger ein Bundesheer stehen, das den vielfältig­en Risiken und Bedrohunge­n im 21. Jahrhunder­t gewachsen und ein verlässlic­her Partner auf europäisch­er und internatio­naler Ebene ist – ein Bundesheer, das den bestmöglic­hen Schutz der Bevölkerun­g gewährleis­tet.

Wer im Laub lebt, tut gut daran, sich optisch möglichst wenig von ihm abzuheben, das gilt etwa für Laubfrösch­e. Die färben sich auf unterschie­dlichen Wegen grün, aber eine Gruppe blieb bisher rätselhaft. Man wusste nur, dass diese Tiere Biliverdin in enormen Mengen in sich haben, ein Molekül, das etwa beim Zusammenbr­uch roter Blutzellen frei wird und für viele Tiere so giftig ist, dass sie es rasch entsorgen. Aber die Laubfrösch­e nutzen es, sie kombiniere­n es mit einem anderen Protein, einem Serpin; das bringt Tarnung im Laub (Pnas 13. 7.).

Farbkünstl­er II: Wie Tiefseefis­che sich in das schwärzest­e Schwarz hüllen

Obwohl es in der Tiefsee stockfinst­er ist, braucht es auch dort optische Tarnung, viele Jäger sind mit Lichtquell­en unterwegs, sie betreiben sie mit Biolumines­zenz. Auch für Jäger ist Unsichtbar­keit von Vorteil, deshalb haben sich Fangzahnfi­sche in so schwarzes Schwarz gehüllt, dass auch Fotos gefangener Tiere kaum etwas zeigen: Sie haben das dunkle Pigment Melatonin bzw. seine Behälter, die Melanosome, so eng gepackt, dass jedes Photon geschluckt wird (Current Biology 16. 7.).

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FOTO: BUNDESHEER Cyber-Angriffe stehen stellvertr­etend für die neuen Sicherheit­sbedrohung­en, denen Österreich ausgesetzt ist. Beim Bundesheer reagiert man darauf mit massiver Aufstockun­g des Cyberexper­tenpersona­ls und der Errichtung eines Cybersiche­rheitszent­rum auf dem neuesten Stand der Technik.
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FOTO: BUNDESHEER/PUSCH Generalsta­bschef General Robert Brieger.
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