Wo die Algorithmen entscheiden
Zo¨e Beck zählt zu den besten deutschen Krimiautorinnen. Mit »Paradise City« geht sie nun einen Schritt weiter. Ihr dystopischer Roman lässt sich in keine Genre-Schublade stecken.
Bislang hat sich Zoe¨ Beck vor allem einen Namen als Autorin ausgezeichneter Kriminalromane gemacht. Technik spielte dabei in ihren zeit- und sozialkritischen Thrillern immer eine wichtige Rolle. In „Die Lieferantin“ging es um Drogenhandel per Drohne und in „Brixton Hill“um ein Luxus-Hochhaus, in dem der Strom ausfällt. Mit „Paradise City“macht die in Berlin lebende Deutsche so gesehen nun eigentlich nur einen weiteren logischen Schritt.
Das Buch spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Algorithmen – und nicht die Politik – über viele Bereiche des Lebens entscheiden. Deutschland, das von Seuchen und Umweltkatastrophen heimgesucht wurde, befindet sich endlich wieder im Aufschwung. Der Regierungssitz wurde nach Frankfurt verlegt, Berlin dient nur mehr als Kulisse für Touristen. Es scheint eine schöne neue Welt zu sein, die hier entstanden ist. Bloß sollte man keinen zweiten Blick darauf werfen.
Bürgerrechte? Kein Interesse. Die Demokratie, wie wir sie kennen, hat in der jahrzehntelangen Krisenzeit massiv gelitten. Für Bürgerrechte scheint sich niemand mehr zu interessieren. Staatliche Nachrichtenagenturen beherrschen die Medienlandschaft. Unabhängiger Journalismus, dessen Hauptrolle mittlerweile darin besteht, Fake News aufzudecken und den Wahrheitsgehalt der staatlichen Quellen zu hinterfragen, wird von allen Seiten in Verruf gebracht. An investigativen Journalismus ist kaum mehr zu denken. Ohnehin glaubt niemand mehr an die Existenz einer objektiven Wahrheit: „Der Mensch glaubt sowieso nur, was er glauben will“, heißt es an einer Stelle. Das Gesundheitssystem basiert auf schwer nachvollziehbaren Entscheidungen, die eine Software trifft; auf Datenschutz beharrt nur, wer etwas zu verbergen hat. Wer sogenannte Videoblocker verwendet, um die automatische Gesichtserkennung zu verhindern, macht sich verdächtig.
Liina ist Rechercheurin bei Gallus, einem der letzten nichtstaatlichen Nachrichtenportale. Als sie in die Provinz geschickt wird, um den ungewöhnlichen Fall einer angeblichen Schakal-Attacke zu untersuchen, fühlt
Zo¨e Beck »Paradise City«
Suhrkamp Verlag 280 Seiten
16,50 Euro