Die Presse am Sonntag

Wo die Algorithme­n entscheide­n

- VON PETER HUBER

Zo¨e Beck zählt zu den besten deutschen Krimiautor­innen. Mit »Paradise City« geht sie nun einen Schritt weiter. Ihr dystopisch­er Roman lässt sich in keine Genre-Schublade stecken.

Bislang hat sich Zoe¨ Beck vor allem einen Namen als Autorin ausgezeich­neter Kriminalro­mane gemacht. Technik spielte dabei in ihren zeit- und sozialkrit­ischen Thrillern immer eine wichtige Rolle. In „Die Lieferanti­n“ging es um Drogenhand­el per Drohne und in „Brixton Hill“um ein Luxus-Hochhaus, in dem der Strom ausfällt. Mit „Paradise City“macht die in Berlin lebende Deutsche so gesehen nun eigentlich nur einen weiteren logischen Schritt.

Das Buch spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der Algorithme­n – und nicht die Politik – über viele Bereiche des Lebens entscheide­n. Deutschlan­d, das von Seuchen und Umweltkata­strophen heimgesuch­t wurde, befindet sich endlich wieder im Aufschwung. Der Regierungs­sitz wurde nach Frankfurt verlegt, Berlin dient nur mehr als Kulisse für Touristen. Es scheint eine schöne neue Welt zu sein, die hier entstanden ist. Bloß sollte man keinen zweiten Blick darauf werfen.

Bürgerrech­te? Kein Interesse. Die Demokratie, wie wir sie kennen, hat in der jahrzehnte­langen Krisenzeit massiv gelitten. Für Bürgerrech­te scheint sich niemand mehr zu interessie­ren. Staatliche Nachrichte­nagenturen beherrsche­n die Medienland­schaft. Unabhängig­er Journalism­us, dessen Hauptrolle mittlerwei­le darin besteht, Fake News aufzudecke­n und den Wahrheitsg­ehalt der staatliche­n Quellen zu hinterfrag­en, wird von allen Seiten in Verruf gebracht. An investigat­iven Journalism­us ist kaum mehr zu denken. Ohnehin glaubt niemand mehr an die Existenz einer objektiven Wahrheit: „Der Mensch glaubt sowieso nur, was er glauben will“, heißt es an einer Stelle. Das Gesundheit­ssystem basiert auf schwer nachvollzi­ehbaren Entscheidu­ngen, die eine Software trifft; auf Datenschut­z beharrt nur, wer etwas zu verbergen hat. Wer sogenannte Videoblock­er verwendet, um die automatisc­he Gesichtser­kennung zu verhindern, macht sich verdächtig.

Liina ist Rechercheu­rin bei Gallus, einem der letzten nichtstaat­lichen Nachrichte­nportale. Als sie in die Provinz geschickt wird, um den ungewöhnli­chen Fall einer angebliche­n Schakal-Attacke zu untersuche­n, fühlt

Zo¨e Beck »Paradise City«

Suhrkamp Verlag 280 Seiten

16,50 Euro

 ?? Victoria Tomaschko ?? Die vielseitig­e Zo¨e Beck ist als Schriftste­llerin, Übersetzer­in und Verlegerin erfolgreic­h.
Victoria Tomaschko Die vielseitig­e Zo¨e Beck ist als Schriftste­llerin, Übersetzer­in und Verlegerin erfolgreic­h.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria