Die Presse am Sonntag

»Menschen sterben jeden Tag. So ist das Leben«

17,6 Millionen Menschen haben sich weltweit mit Covid-19 infiziert. Die WHO sieht Auswirkung­en auf Jahrzehnte.

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Kaum hatte sich Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro von seiner Corona-Infektion erholt, wandte er sich schon wieder mit Durchhalte­parolen an seine Landsleute. Die Brasiliane­r sollten „sich dem Virus stellen“, sagte der Rechtspopu­list vor Journalist­en. Es gebe nichts zu befürchten. Und: „Ich wusste, dass ich mich eines Tages anstecken würde, denn ich glaube, dass leider fast jeder hier sich irgendwann anstecken wird“, so Bolsonaro. „Ich bedauere die Todesfälle. Aber Menschen sterben jeden Tag, an vielen Dingen. So ist das Leben.“

Erst vor einigen Tagen, fast einen Monat nach seinem positiven Test, hatte sich Bolsonaro als genesen erklärt. Inzwischen ist auch seine Ehefrau an Covid-19 erkrankt. Trotzdem spielt der umstritten­e Staatschef die Krise weiter herunter. Dabei verzeichne­t Brasilien mit 92.500 Opfern die zweithöchs­te Todesrate weltweit – hinter den USA mit gut 153.000 Toten. Mehr als 2,6 Millionen Brasiliane­r haben sich mit dem Coronaviru­s infiziert.

Auf Platz drei in der internatio­nalen Opferstati­stik ist mittlerwei­le Mexiko aufgerückt: Mit knapp 47.000 Toten hat das Land inzwischen Großbritan­nien (46.200 Opfer) überholt. Experten führen die Explosion der Infektions­zahlen in dem mittelamer­ikanischen Land auf eine zu langsame Reaktion der Regierung von Präsident Andres´ Manuel Lo´ pez Obrador zurück, der die Corona-Einschränk­ungen nun wieder schrittwei­se lockern will.

Warnung der WHO. Die WHO warnte unterdesse­n, die Auswirkung­en der Pandemie würden „in den nächsten Jahrzehnte­n“noch spürbar sein. Nach Aufzeichnu­ngen der John Hopkins Universitä­t haben sich weltweit mittlerwei­le 17,6 Millionen Menschen infiziert, fast 679.000 sind gestorben.

Immer mehr Staaten verzeichne­ten zuletzt wieder eine zum Teil dramatisch steigende Zahl an Corona-Infektione­n. Mit 57.000 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden meldete Neu-Delhi am Freitag die höchste Ansteckung­srate innerhalb eines Tages in Indien seit Ausbruch der Pandemie. Wegen einer „explosions­artigen Ausbreitun­g“von Infektione­n rief die japanische Präfektur Okinama den Notstand aus.

Griechenla­nd, wo am Freitag 78 Neuinfekti­onen gemeldet wurden, erweiterte die Maskenpfli­cht. Der MundNasen-Schutz muss fortan in geschlosse­nen Räumen getragen werden. In Berlin demonstrie­rten am Samstag dagegen rund 15.000 Personen mit „Freiheit“-Rufen gegen die Coronamaßn­ahmen. Russland kündigte unterdesse­n an, ab Oktober Massenimpf­ungen gegen Covid-19 durchführe­n zu wollen. Das Land will einen Impfstoff entwickelt haben. Experten sind skeptisch.

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