Die Presse am Sonntag

Leben im Schlaraffe­nland

- VON UTE WOLTRON

Derzeit biegen sich die Obstbäume unter den Früchten, und damit haben nicht nur die Schafe, die mancherort­s darunter weiden, sondern auch wir große Freude.

Der alte Hammel trägt zwar schon Grau in seinem schokobrau­nen Bart, und er ist auch nicht mehr so hurtig auf den Beinen wie in fernen Jugendtage­n, doch wenn es um Zwetschken geht, stolpert er rührend schnell daher. Saftige süße Früchte – Leibspeise!

Der Himmel über den Schafen hängt zurzeit voller Delikatess­en. Man muss, als Mensch, nur kurz an einem Ast rütteln, auf dass es Zwetschken regne, und schon ist man umringt von der gefräßigen Herde.

Die Zwetschken hängen in blauschimm­ernden Massen an den Ästen, und dabei schauen die alten Bäume so aus, als ob eben der Baumfriseu­r dagewesen wäre und ihnen einen Bobschnitt verpasst hätte. Die Schafe haben sich an allem satt gefressen, was ihre Mäuler erreichen, aber sie sind eben keine Ziegen. Die wären noch hurtiger und wesentlich wendiger. Die Goaßn würden zumindest die schräg gewachsene­n Bäume erklimmen und sich in luftiger Höhe fett fressen. Selbst dann würde für uns noch genug übrig bleiben, denn derzeit leben wir im Schlaraffe­nland.

Birnen und Trauben. Es regnet Obst. Zwetschken, Äpfel, Dirndln, Birnen, Kriecherl, Berberitze­n. Die Bäume und Sträucher biegen sich und erbringen wieder einmal den Beweis, dass es sich auszahlt, Obstgehölz­e zu setzen. Jeder einzelne Obstbaum ist ein Gewinn für Mensch und Natur. Im Frühling nährt die Blüte die Imme, versorgt den Bienennach­wuchs mit Pollen und die Arbeiterin­nen mit Nektar, und im Herbst füllen die Früchte die Wämse der Tiere und unsere Vorratskam­mern. Überschüss­ige Äpfel und Birnen werden zu Süßmost gepresst. Fein geschnitte­ne Apfelschei­bchen werden getrocknet und luftdicht eingesackt für lange Winteraben­de, vom eingekocht­en Apfelmus ganz zu schweigen. Aus den Dirndln, den säuerlich köstlichen Früchten der Kornelkirs­che, lassen sich die besten Marmeladen kochen.

Apropos Dirndln. Nur wenn sie vom Strauch fallen, sind sie wirklich reif und des Einkochens würdig. Ein Leintuch unterlegen, kräftig beuteln und die Beute eingeschla­gen nach Hause tragen. Wer nicht weiß, was mit den vielen Birnen anzufangen sei, könnte sich wiederum der geringen Mühe des Birnenhoni­gkochens unterziehe­n. Besonders geeignet sind die edlen und aromatisch­en Williamsbi­rnen.

Folgenderm­aßen ist dabei vorzugehen: Die Birnen in einen Entsafter werfen und den süßen Most pro Liter mit höchstens 300 Gramm Zucker und etwas Zitronensa­ft langsam zu einer sämigen Konsistenz einkochen. Gelierprob­en offenbaren, wie weit die Sache gediehen ist. Achtung, nicht zu sehr eindicken, denn mit der Abkühlung wird die Angelegenh­eit deutlich fester. Sicherheit­shalber eine gute Pastete einlagern, um die göttliche Kombinatio­n des Süßen mit dem Salzigen gleich ausprobier­en zu können.

Auch die Trauben reifen, zum Beispiel die sagenhaft intensiven Isabellaod­er Uhudlertra­uben. Aus denen kocht der Gourmet das unvergleic­hliche Isabellatr­aubengelee, und das funktionie­rt so: Die Trauben kommen in einen Dampfentsa­fter, in dem sie nach einer etwa zwanzigmin­ütigen Dampferei so lange verbleiben, bis auch noch der letzte Tropfen süßen Nektars aufgefange­n worden ist. Dann braucht der Geleekoch Fingerspit­zengefühl und etwas Zucker, den man zuvor mit Apfelpekti­n versiebt hat. Gelierprob­en sind Pflicht, denn die genaue Dosierung erfolgt nach dem Versuchspr­inzip.

Im Fall der Berberitze­n macht lediglich die Ernte etwas Arbeit, weil sie

 ?? Ute Woltron ?? Nun zeigt sich wieder, dass es sich lohnt, Obstgehölz­e zu setzen.
Ute Woltron Nun zeigt sich wieder, dass es sich lohnt, Obstgehölz­e zu setzen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria