Worauf sich Theatergäste jetzt einstellen müssen
Man sollte unbedingt Bravo rufen!“, weist JosefstadtTheaterdirektor Herbert Föttinger das Publikum an, das demnächst, so hoffen er und seine Kollegen, zu den nach Corona wiedereröffneten Bühnen strömen könnte. Ausdrücke der Begeisterung sind hier ausdrücklich erwünscht, sie sollen auch laut sein – nur sollte man davor eine Maske anlegen, erklärt der Direktor, damit sich die Begeisterung nicht in Form einer Aerosolwolke über dem Parkett entlade. Hier zeigt sich einer der Unterschiede zwischen den Corona-Maßnahmenprogrammen der Theater: In der Staatsoper ist „Bravo!“explizit nicht empfohlen („Buh!“noch weniger), in der Volksoper auch nicht (auch wenn man es nicht verbieten könne), in allen anderen von der „Presse am Sonntag“befragten Bühnen darf man durch den Mundschutz gern rufen: Dieser „wird ja niemanden von seiner Begeisterung abhalten“, heißt es aus dem Burgtheater.
Ansonsten sind die Regeln, mit denen sich Theater-, Konzert- und Opernbesucher jetzt vertraut machen müssen, durchwegs ähnlich. Eintrittskarten sind überall personalisiert, einen Ausweis sollte man dabei haben. Freie Platzwahl gibt’s nicht. Die meisten Häuser setzen auf eine dynamische Sitzordnung. Das heißt: Als Gruppe darf man nebeneinander sitzen, links und rechts davon bleibt ein Platz frei. Wie viele Leute maximal gemeinsam sitzen können, ist verschieden, in der Staatsoper sind es vier, im Salzburger Landestheater zwei, im Grazer Schauspielhaus ebenso (ausgenommen Logen), auch in St. Pölten (ausgenommen Schulklassen).
In der Burg gibt es keine Beschränkung. Im Wiener TAG gibt es ein Schachbrettmuster, durch die verringerte Auslastung soll dann auch das Foyer nicht überfüllt sein. Und im Stadtsaal ersetzen Trennwände aus Plexiglas den freien Sitzplatz. Schaltet die Corona-Ampel auf Orange oder gar Rot, müssen sich die (größeren) Häuser freilich etwas anderes überlegen.
„Ein Misthaufen ist das hier, weißt du nicht, wo der Besen wohnt?“, beschimpft die Frau den Mann, als sie nach monatelanger Abwesenheit heimkehrt. Was hat sie getrieben? Obszönes? Mörderisches? Oder war sie bloß hinter dem Halleyschen Kometen her? Lucy Kirkwood, 1984 in London geboren (sie wirkte u. a. bei der Teenie-TV-Serie „Skins – Hautnah“mit), erzählt, was alles am und unterm Himmelszelt möglich ist. Ihr explosives Drama erinnert an den Film-und Bühnenhit „Die zwölf Geschworenen“und an „Hexenjagd“von Arthur Miller. Den lakonischen Stil mag man als „pinteresk“beschreiben, nach Harold Pinter. Tina Lanik inszeniert „Das Himmelszelt“mit Sophie von Kessel, Barbara Petritsch, MarieLuise Stockinger, Elisabeth Augustin. Männer sind in diesem Stück rar. (bp)
Abonnenten, die durch die neue Sitzordnung ihre fixen Plätze nicht belegen dürfen, werden benachrichtigt. „Kann sein, dass da herumgeschoben wird“, sagt Föttinger. Er hat in der Josefstadt gleich zwei Sitzreihen entfernen lassen: Im Cercle und Parkett im Haupthaus und in den ersten zehn Reihen der Kammerspiele beträgt der Abstand jetzt einen Meter. Das bringe nicht nur eine Gefühl der Sicherheit, sondern auch Beinfreiheit: „Wir wollen ja nicht so sitzen wie im 19. Jahrhundert, als die Leute noch kleiner waren.“
Es empfiehlt sich, wenn möglich, seine Karten vorab abzuholen oder selbst auszudrucken. In manchen Häusern ist jedem Ticket ein Eingang zugeteilt. Die Volksoper, wo von allen befragten Institutionen die strengsten Maßnahmen gelten, hat sogar ein Farbleitsystem mit zugewiesenen Toiletten und Pausenfoyers. Der Kartenschalter ist ins Freie verlegt, die Garderobe ist gratis, damit kein Bargeld von Hand zu Hand gereicht werden muss.
Applaus mit Maske. In einem Video, das an die Sicherheitshinweise im Flugzeug erinnert und vor jeder Vorstellung gezeigt wird, erklärt Volksoperndirektor Robert Meyer, assistiert von einem diabolischen animierten Virus-Tierchen, wie man seine Maske richtig trägt (und wie nicht). Der Mund-Nasen-Schutz muss bei einer gelben Corona-Ampel durchgehend getragen werden, bei Grün darf er bei Vorstellungsbeginn abund muss vor dem Schlussapplaus wieder aufgesetzt werden. Ausgenommen zum Sektschlürfen, erklärt Meyer – „falls Sie sich heimlich eine Flasche mitgebracht haben“.
Denn das Pausenbuffet bleibt hier geschlossen. In Burg und Staatsoper ist es geöffnet (hier wird Kartenzahlung empfohlen), in St. Pölten gibt es nur Wasser, in der Josefstadt kann man Getränke vorbestellen, die dann auf Stehtischen gerichtet werden.
Und natürlich wird viel desinfiziert. Nach der Vorstellung nimmt an einigen Bühnen ein Hochdruckvernebler seine Arbeit auf. Das Grazer Schauspielhaus hat den Lockdown genutzt, um eine Lüftungsanlage zu installieren, die die Luft im Saal vor jeder Vorstellung, in der Pause und danach komplett austauscht. Allen ist es wichtig, zu signalisieren: Die Bühnen dieses Landes sind sicher. Und wenn sich doch einmal ein
Besucher als Corona-positiv herausstellt? Dann übermitteln die Theater den Gesundheitsbehörden die Kontaktdaten der Besucher. Wer benachrichtigt wird – der ganze Saal oder nur die Sitznachbarn – hängt laut Kulturstaatssekretariat von den infrastrukturellen Gegebenheiten ab. In Salzburg will man selbst alle Besucher, die im Umkreis von fünf Metern um die infizierte Person gesessen sind, kontaktieren.
Die strengsten Regeln gelten in der Volksoper: Hier wird sogar mit Maske geprobt.
Manche Buffets sind offen, manche geschlossen – und mancherorts gibt’s nur Wasser.
Und hinter den Kulissen? Einige Bühnen nutzen das Sicherheitskonzept der Salzburger Festspiele, viele eine Abwandlung: Dabei werden die Mitarbeiter in Gruppen geteilt, die einander möglichst nicht begegnen. Vier Kategorien gibt es etwa an der Staatsoper, „rot“sind jene Mitarbeiter, die keinen Abstand wahren und auch nicht immer Maske tragen können (etwa Sänger), sie werden wöchentlich getestet. Beim Proben dürfen die Künstler ihre Masken meist abnehmen – außer in der Volksoper, da wird mit einem Plastikvisier geprobt, auf das erst bei der Generalprobe verzichtet wird. In Graz hat man, um die Personenanzahl in den Proberäumen zu senken, weniger Kleindarsteller und Statisten eingesetzt oder gleich auf kreative Ideen gesetzt – etwa Videoeinspielungen.
Wenn ganze Reihen frei bleiben. Dort verzichtet man bei Neuproduktionen auch darauf, die Vorbühne zu bespielen, um genug Abstand zur ersten Zuschauerreihe zu wahren; bei Repertoirestücken, bei denen die Vorbühne gebraucht wird, bleiben dafür die ersten beiden Sitzreihen unbesetzt.
Am Salzburger Landestheater, wo es künftig gar keine Pausen gibt, werden bestehende Aufführungen neu bearbeitet. Mitunter soll es kurze Lichtpausen für schnelle Umbauten geben; das Publikum darf sich dabei auf „eine süße Überraschung“freuen.
Und an der Staatsoper? Wo etwa die „Don Carlos“-Inszenierung im Pausenfoyer mitten unter den Zuschauern weitergeht – undenkbar unter CoronaAuflagen? Hier setzt Regisseur Peter Konwitschny auf ein Video.
Gebeutelt vom Coronavirus – oder jedenfalls von den Auswirkungen der von diesem verursachten Krise – sind die heimischen Konzertveranstalter. Das Wiener Konzerthaus, das in der Zeit der allgemeinen Schließungen fleißig Konzerte zum Zwecke des Online-Streamings veranstaltet hat, geht nun wie alle anderen Häuser in eine Art reduzierten Normalbetrieb über. Finanzielle Löcher werden weiterhin klaffen. Doch da hilft das Engagement einiger beherzter Künstler. Einer von ihnen ist der beliebte Tenor Piotr Beczala. Er gibt ein Benefizkonzert für das Konzerthaus im Konzerthaus: Begleitet von Helmut Deutsch singt der Publikumsliebling am 22. November Lieder von Wolf-Ferrari, Respighi, Richard Strauss – und bringt aus seiner Heimat Gesänge von Mieczyslaw Karlowicz.
„Am Rand tummeln sich allerlei Gestalten“, Astronautinnen und Astronauten, Expeditionen, Projektionsflächen, Paranoia. Miroslava Svolikova zählt zu den fantasievollsten jungen Schriftstellerinnen. Im Schauspielhaus inszeniert Tomas Schweigen ihr Stück „Rand“über ein wichtiges und aktuelles Thema, nämlich wo ist der Rand der Gesellschaft, wer gehört dazu und wer wird dorthin gestellt? Sind das womöglich all jene, die in der Mitte keinen Platz haben, weil der Mittelstand sie nicht mag? Oder sind das freie Radikale? Svolikova schreibt witzig, vieldeutig, dennoch leichter verständlich als andere experimentelle Autoren. Märchen und Mythen sind für die Wienerin mit slowakischen Wurzeln eine wichtige Quelle ihrer Werke. Es spielen Vera von Gunten, Sebastian Schindegger, Sophia Löffler.
„Nichts ist gewesen, einen Mann, der mich geärgert hat, habe ich vom Balkon geworfen!“Als Prinz Sigismund, der in Gefangenschaft aufwuchs, betäubt und auf den Thron gesetzt wird, übertrifft er die schlimmsten Befürchtungen seines Vaters Basilio – und wird flugs wieder eingesperrt. „Das Leben ein Traum“vom Spanier Caldero´ n de la Barca erinnert an „König Ödipus“, den verfluchten Vatermörder, und an Shakespeare, dessen „Richard II.“über brüchige Macht ab November in der Burg zu erleben ist. Bei Caldero´ n geht es nicht nur um Traum, sondern auch um Wahn und Illusion. Martin Kusˇej inszeniert, es spielen Franz Pätzold, Norman Hacker u. a. Besonders der optimistische Schluss der Comedia famosa mag überraschen: Läuterung ist möglich – oder salopp gesagt: gescheiter werden.
Das hat nun schon gute Tradition: Die Wiener Philharmoniker richten alle Jahre wieder eine Sommerakademie der Angelika Prokopp Stiftung aus, bei der Mitglieder des Orchesters jungen Musikern eine Starthilfe geben. Vom reichen Erfahrungsschatz profitieren angehende Orchestermusiker bei der Einstudierung einer Mozartoper, die mit Studenten der MUK-Kunstuniversität – vormals Konservatorium der Stadt Wien – erarbeitet wird. Das Ergebnis konnte sich bisher immer hören und sehen lassen, immer wieder werden Opernfreunde dabei auf junge Stimmen aufmerksam. Im Mozartsaal gibt man diesmal „Don Giovanni“mit Jinxin Chen in der Titelpartie und Risa Matsushima als Donna Anna. Wolfgang Gratschmaier führt Regie, Andrea Alessandrini dirigiert.
eute startet die „Tatort“-Saison mit einer ÖsterreichAusgabe. Gut möglich, dass das Timing damit zu tun hat, dass Harald Krassnitzer, der seinen bereits 47. Einsatz als Kommissar Moritz Eisner hat, kommende Woche seinen 60er feiert. In „Pumpen“ermittelt er an der Seite von Adele Neuhauser (Bibi Fellner) diesmal im Bodybuildermilieu. Was Anlass gibt für die eine oder andere Stichelei, die typisch ist für den „Ösi-Tatort“. Als Eisner mit Fellner auf dem Weg in ein Fitnessstudio an einem muskelbepackten jungen Mann vorbeigeht, bemerkt der Kommissar: „In dem Alter hab ich auch noch so ausg’schaut.“Sie pariert schlagfertig: „Was? Du hast an Bart g’habt.“
Und tatsächlich: So ausgeschaut hat er nie. Es sei nicht seine Sache, den Körper zu stählen, sagt Krassnitzer. „Ich habe zwar – als Teil meines Berufes – immer wieder was zu machen. Aber ich bin der klassische Jo-Jo-Effekt.“Die Kilos sind gleich wieder da. Veranlagung. Und falsches Essen: „Meistens passiert’s bei den Dreharbeiten, weil es da eher unkonventionelle Zeitabläufe gibt – und ich dann leider zu den falschen Zeiten esse.“
Uneitel und mit Mitgefühl. Ein Leiden, das er mit seiner Fernsehfigur teilt. „Kommissare haben immer irgendwas zu essen oder trinken in der Hand“, kommentiert ein Zeuge am Tatort launig, als Eisner frühmorgens mit einem Kipferl und einem Pappbecher Kaffee in der Hand versucht, seinen Blutzucker in Schwung zu bringen. „Bei mir is’ des Zufall“, grantelt der zurück . . .
Es sind die Schwächen, die die Stärke der zwei Österreich-Kommissare ausmachen, die völlig uneitel und mit Mitgefühl den jeweiligen Fall und ihre privaten Probleme lösen. Am Ende von „Pumpen“heult Bibi Fellner jedenfalls Rotz und Wasser. „Das sind keine Superhelden“, sagt Krassnitzer. „Die strahlen nicht in Stahl und Wonder-Anzügen, das sind Menschen. Die sind greifbar. Fehlbar. Die haben Träume, Sehnsüchte – und manchmal eben falsche Erinnerungen.“
Eisner und Fellner sind mehr als Kollegen. Sie sind Freunde, eine „Schicksalsgemeinschaft“, sagt Krassnitzer. Adele Neuhauser sei ihm auch im echten Leben „eine Weggefährtin“geworden. „Das ist einer der wenigen Punkte, die wir mit unseren Figuren gemeinsam haben.“Zwischen Eisner und Fellner herrscht ein im Krimigenre unübliches Grundvertrauen, die ergehen sich nicht in Konkurrenzkämpfen oder Eitelkeiten. Nur der Kollege Schimpf (köstlich: Thomas Stip
Nicht ohne Pappbecher: Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) mit dem Kollegen Schimpf (Thomas Stipsits) und einem Zeugen (Edi Jäger). sits) hat’s nicht leicht. Aber mögen tun die beiden ihn doch.
Erstmals hat Andreas Kopriva als Regisseur einen „Tatort“inszeniert. Krassnitzer schätzt dessen ruhige Art und „diese Form des Humors, gepaart mit einer hohen Konzentration – das nennt man gemeinhin Leichtigkeit“. Aber auch an diesem Set war Corona ein stiller Begleiter. Ein Zonensystem sorgte dafür, die Kontakte gering und gefahrlos zu halten. Auf einen Drink zu gehen oder gemeinsam essen – das geht derzeit aber nicht. Man diszipliniert sich, um die Dreharbeiten und die Jobs nicht zu gefährden.
Unsere Achillesferse. Darüber hinaus beschäftigt Krassnitzer die Frage, was diese anhaltende Disziplin mit uns macht. „Was verändert das in uns? Welche Resonanzen löst das aus?“Er empfinde die permanente Vorsicht als Belastung, sagt er, und ist sicher: „Es ist noch lange nicht vorbei.“Als Optimist sieht er die positiven Seiten: „Es gibt Indizien, dass die Menschen durch Corona näher zusammengekommen sind – es gibt Solidarität, man hilft einander, schaut auf den Nachbarn.“Das zeige, dass wir in einer gesunden Gesellschaft leben. Aber was passiert, wenn auch noch ein „ökonomischer Tsunami“mit Pleiten und mehr Arbeitslosen kommt? „Corona und was diese Pandemie in uns auslöst, zeigt uns gerade unsere Verletzlichkeit. Sie führt uns an die Achillesferse unserer Resilienz. Und sie ist nicht die einzige Herausforderung, vor der wir gerade stehen – wir haben ja auch noch das Thema des Klimawandels vor uns.“