Wenn einer beim Kino-»Amadeus« das Dirigieren erlernt
Renaud Capu¸con in dreifacher Rolle, als Slapstick-Kapellmeister, Spitzengeiger und dominanter Konzertmeister am Pult der Wiener Symphoniker bei einem bunten Konzertprogramm aus Werken von Mozart, Richard Strauss und Franz Schubert im Großen Musikvereinss
Ein hysterisch grinsender Mozart mit rosa Perücke dirigiert mit ungelenken, energischen Bewegungen seine „Entführung aus dem Serail“– hat sich Renaud Capuc¸on diesen dirigierenden Mozart aus dem „Amadeus“-Film zum Vorbild genommen?
Im ebenso engen Frack und fast so gut gelaunt stürmte er auf die Bühne des Musikvereins, um die Wiener Symphoniker mit steifem Oberkörper und seltsam herausgestellten Ellbogen zu dirigieren, ganz in der parodiehaften Manier des leicht verrückt wirkenden Film-Mozarts. Zum Glück war das nur eine Kostprobe von Capuc¸ons amüsanter Kapellmeister-Attitüde. Bald wendete sich der französische Geiger dem zu, was er wirklich kann.
Im versöhnlichen Adagio zwischen den fröhlichen Ecksätzen von Mozarts G-Dur-Konzert, KV 216, konnte er als Solist über gedämpften Violinen und gezupften Celli sein unverkennbares Timbre entfalten: Etwas dumpf in den Tiefen, darüber metallisch-dünn, trotzdem weich, nie schneidend mit dem omnipräsenten feinen Vibrato klang er wie ein wehklagender Singvogel.
Tiefe Trauer dann in Richard Strauss’ „Metamorphosen“, einer musikalischen Reaktion auf das verwüstete Europa von 1945, komponiert vor allem angesichts der zerstörten Opernhäuser von München und Wien. Unter dem Damoklesschwert des noch gar nicht verkündeten Lockdowns gewann diese Musik inmitten einer tödlichen Pandemie bittere Aktualität.
Schubert, ausladend. Selten wirkt Applaus so fehl am Platz wie nach dem Zitat des „Trauermarsch“aus Beethovens „Eroica“, mit dem die „Metamorphosen“schließen. Renaud Capuc¸on hatte etwas Schwierigkeiten beim Rollenwechsel vom Dirigenten zum Konzertmeister der 23 Solostreicher: Sein
Nachtigallklang war auch vom ersten Geigerpult aus stets merklich vernehmbar. Die große Orchesterbesetzung machte es den Wiener Symphonikern danach kaum möglich, das Werk derart fein akzentuiert zu spielen, wie ihre Originalklang-Kollegen vom Concentus Musicus vor drei Wochen am selben Ort.
Vor allem drohten die drängenden Achtel der Bratschen im dritten Satz unterzugehen. Dafür war das Tremolo im letzten Satz stürmischer, das Forte überwältigender. Dank des slapstickartigen Dirigenten Capuc¸on wurde man ohnehin stets gut unterhalten.