Gernot Blümel: »Ich würde alles noch einmal so machen«
Worüber ärgern Sie sich mehr: Über den Inhalt der Nachrichten rund um Novomatic – oder dass man so ungeschickt gewesen ist und so etwas per SMS verschickt hat? Gernot Blümel: Erstens kann man für das Erhalten von SMS nichts. Zweitens würde ich alles noch einmal so machen, weil die Rückschlüsse der Staatsanwaltschaft aus den Nachrichten falsch sind. Ich würde generell Unternehmen auch weiterhin im Rahmen der Gesetze helfen. Ich finde, das muss man als Politiker sogar, es geht immerhin um Arbeitsplätze und Wohlstand. Es gibt auch viele Oppositionspolitiker, die Probleme von Unternehmen mit der Bitte um Unterstützung an mich als Finanzminister herangetragen haben. Darüber hinaus ist klar, dass es keine Spende gegeben hat und dass ich auch keinen Termin mit Kurz vermittelt habe.
Es wäre hilfreich gewesen, wenn Sie auf das Spendenangebot von Novomatic-Chef Harald Neumann einfach „Nein, danke“geantwortet hätten.
Würde ich mir wünschen, dass es so ein Rück-SMS gäbe: Ja. Nur, wenn ich das per Telefon gemacht habe, ist es genauso in Ordnung. Es ist halt nicht in schriftlicher Form erfolgt.
Aber von welcher Spende wird da geredet? Das weiß ich nicht, das müssen Sie Herrn Neumann fragen.
Der kann sich leider auch nicht erinnern. Ist Novomatic nun der böse Glücksspielkonzern, von dem die ÖVP keine Spenden will, oder das gute, österreichische Unternehmen, dem man bei Problemen helfen will? Es ist beides zutreffend. Dass wir uns entschieden haben, von gewissen Unternehmen keine Spenden anzunehmen, kann man uns schwer vorwerfen. Auf der anderen Seite ist Novomatic ein Unternehmen, das viele Arbeitsplätze schafft und Steuern zahlt – und das wir wie jedes andere Unternehmen nach Maßgabe der Gesetze unterstützen wollen.
Gabi Spiegelfeld, die sich für die ÖVP im Wahlkampf 2017 um Spenden gekümmert hat, dürfte das nicht gewusst haben, dass die ÖVP von Novomatic keine Spenden annimmt. Oder warum hat sie den NovomaticChef sonst zu einem Frühstück für potenzielle Spender eingeladen?
Ich war nicht dabei. Aber ehrlich, es gibt viele Unternehmerrunden. Ich mache das selbst auch, derzeit aufgrund der Coronapandemie virtuell – also da sehe ich kein Problem. Welche Intention Frau Spiegelfeld damit gehabt hat, weiß ich nicht. Ich war nicht ÖVP-Generalsekretär, sondern Parteichef in Wien.
Die Staatsanwaltschaft vermutet aufgrund zweideutiger Kalendereinträge schon, dass es Termine mit Kurz gegeben hat. Gehen Sie davon aus, dass der Kanzler auch bald als Beschuldigter geführt werden könnte?
Ich wüsste nicht warum. Aber es hat mich auch bei mir überrascht.
Sie sind vergangene Woche noch recht cool gewesen, was die Ermittlungen betrifft, haben versprochen, an der Aufklärung mitzuhelfen. Kurz ist weniger entspannt und fordert eine Reform der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Finden Sie wirklich, dass das ein guter Zeitpunkt ist? Man muss die Dinge auseinanderhalten. Es war mühsam und unangenehm, über Twitter vom Beschuldigtenstatus zu erfahren und dann medial darüber sprechen zu müssen, obwohl mir unklar war, worum es ging. Ich bin froh, dass das Gespräch bei der WKStA stattgefunden hat, weil ich seitdem weiß, dass da nichts dran ist und dass sich das auflösen wird. Gibt es darüber hinaus Themen die Justiz betreffend, die von vielen in der ÖVP als herausfordernd gesehen werden und bei denen Handlungsbedarf geortet wird? Ja, offensichtlich. Aber die Themen würde ich nicht ursächlich miteinander verknüpft sehen.
Aber Ursache ist nun einmal Ihr Fall.
Ich glaube, Kurz hat schon vor einem Jahr einmal gesagt, dass er in der Justiz mit einigem nicht einverstanden ist.
Solchen SMS, bei denen es um Spende gepaart mit Intervention geht, müsste doch jeder Staatsanwalt der Welt nachgehen, oder? Ich habe mit der Justiz so das erste Mal in meinem Leben zu tun und weiß nicht, wie das inhaltlich zu bewerten ist. Offensichtlich ist man in der WKStA der Meinung gewesen, dass es Verdachtsmomente gibt. Wenn das dann ein Richter auch noch prüft – dann findet das so statt, das ist zur Kenntnis zu nehmen.
Ist Ihr Laptop bei der Hausdurchsuchung aufgetaucht? Im U-Ausschuss haben Sie gesagt, Sie sind unsicher, ob Sie einen haben. Es wurde ein Laptop mitgenommen, nämlich der, den ich mit meiner Frau gemeinsam nütze.
Ihr Handy wurde auch mitgenommen. Was wird da noch auftauchen?
In dem aktuellen Zusammenhang würde mir nicht einfallen was.
Aber wird uns Ihr Mobiltelefon schöne Geschichten über den Aufstieg der Türkisen erzählen, oder gibt es auch andere Unternehmen, mit denen Sie so freundliche SMS schreiben?
Ich glaube, es gibt schon viele schöne Geschichten über Türkis, und es gibt auch viele Unternehmen, mit denen ich in Kontakt bin.
Die Spendenkeilerei der ÖVP war von Anfang an ein Spiel mit dem Feuer, oder? Weil ehrlich, Großspenden haben doch immer den Geruch von politischen Gegengeschäften.
Jeder, der gespendet hat, musste unterzeichnen, dass man sich kein Gegengeschäft erwarten darf – das hat Sebastian
Kurz in der neuen Volkspartei eingeführt. Und außerdem war ja alles im Rahmen der Gesetze. Die sind mittlerweile geändert worden, jetzt ist das so nicht mehr möglich. Ich finde das im Nachhinein auch in Ordnung so.
Es wird noch immer darum gestritten, wer das künftig kontrollieren soll. Die SPÖ will nicht, dass der Rechnungshof in ihre Parteifinanzen schaut, weil sie dort türkise Besetzungen orten. Wer soll das also sein?
Ich bin mir sicher, da wird es im Parlament eine Lösung geben.
Sie haben eidesstaatlich erklärt, dass es weder bei der Wiener Partei noch ihr nahestehenden Vereinen Spenden gegeben hat. Man könnte das aber auch so lesen, als könnte das in St. Pölten schon wieder ganz anders sein, weil dort Gernot Blümel keine Rolle gespielt hat, oder?
Ich kann ausschließen, dass irgendwo Geld als Gegenleistung für meine politischen Handlungen geflossen ist, wo ich involviert gewesen bin oder davon gewusst habe. Das kann ich beschwören, weil das mache ich nicht.
Woher kommt eigentlich der Brauch der politischen Vereinsgründungen, den einige Parteien schon seit Ewigkeiten pflegen?
Ich glaube, Österreich ist ein Land der Freiwilligen und ein Land der Vereine. Die ÖVP ist ein historisch gewachsenes Konstrukt, das auch historisch in der Gesellschaft verwoben ist. Ich bin auch in Vereinen Mitglied, die nicht im Umfeld der ÖVP sind. Beim Musikverein und der freiwilligen Feuerwehr Moosbrunn zum Beispiel.
Wie ist eigentlich ihr Verhältnis zu Harald Neumann? Es wirkt fast intim.
Wenn man in Österreich einige Zeit in der Spitzenpolitik tätig sein darf, dann trifft man auch viele Wirtschaftsbosse. Novomatic ist ein großes Unternehmen, das in vielen Bereichen Sponsorings macht – etwa im Kulturbereich. Und da trifft man eben auch immer wieder den Herrn Neumann, bei Opernpremieren oder beim Life Ball zum Beispiel. Aber das trifft auch auf andere Unternehmer zu.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt gegen den Finanzminister.
Wir waren nicht gemeinsam trainieren, aber wir sind im selben Fitnessstudio eingeschrieben, das ist richtig. Auch den Herrn Christian Kern habe ich dort übrigens öfter getroffen.
Wenn man den Akt liest, scheint es auch so, als ob Neumann Ihnen immer wieder lästig gewesen ist, oder?
Aus dem Akt geht hervor, dass Herr Neumann damals schon öfter beim Finanzministerium angeklopft hat – und aus irgendeinem Grund nicht reagiert worden ist. Alles, was ich versucht hatte, war, einen Rückruf zu vermitteln.
Haben Sie mit dem Herrn Neumann je über die Bestellung von Aufsichtsräten bei den Casinos gesprochen?
Ich war Mitglied im Nominierungskomitee der Öbib. Da war es meine Aufgabe, gemeinsam mit anderen Vorschläge für diverse Aufsichtsräte zu machen. Welche in dieser Zeit bestellt worden sind, das ist ja aktenkundig. Darüber hinaus hat es immer wieder die verschiedensten Termine mit Unternehmern gegeben.
Offensichtlich wurde mit Novomatic auch versucht, „eine österreichische Lösung“für die Casinos zu finden. Die sind jetzt Großteils in tschechischer Hand – ist nicht so gut gelungen, oder?
Was jeder mitbekommen hatte, war, dass es zwischen den Eigentümern Schwierigkeiten gab. Und das haben die einzelnen Stakeholder auch immer wieder an die verschiedensten politischen Entscheidungsträger herangetragen, wann sie das konnten. Nachdem ich nicht zuständig gewesen bin, das zu lösen: Da hört man sich das an, nimmt es zur Kenntnis. Und das war’s.
Glücksspiel gehört zu Ihren Agenden. Wollen Sie die abgeben? Sind Sie da noch handlungsfähig?
Zunächst einmal sehe ich überhaupt keine Handlungseinschränkungen. Darüber hinaus war das auch bei an
Der ÖVP-Finanzminister spricht im Interview über die Hausdurchsuchung bei ihm zu Hause, sein vertrautes Verhältnis zu Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann und die verhängnisvollen Nachrichten, die sie sich geschrieben haben. Und darüber, wie sein Fall das Klima mit dem grünen Koalitionspartner belastet.
deren beschuldigten Politikern im Amt keine Frage, ob man Agenden abgibt – etwa bei Werner Faymann oder Peter Kaiser. Außerdem haben wir schon vor dieser Situation im Regierungsprogramm festgelegt, dass die Vielfachrolle des Finanzministeriums aufgedröselt werden soll. Daran wird gearbeitet.
Was soll kommen und wann?
In dem Fall des Glücksspiels sollen Lizenzvergabe und Aufsicht in eine Behörde ausgelagert werden, die unabhängig und weisungsfrei ist, damit es nicht einmal die Möglichkeit von politischer Einflussnahme gibt. Wir entwickeln das gerade, werden das mit dem Koalitionspartner diskutieren und hoffentlich bald umsetzen.
Wie ist das Verhältnis mit dem gerade so? Gut.
Das kommt bei uns anders an.
Ich würde da nicht zu viel hineininterpretieren. Ich habe jetzt schon mehrere Koalitionen erlebt, dass es immer wieder schwierige Phasen gibt, ist normal. Wenn man sich ansieht, was wir allein diese Woche etwa im Bereich der Wirtschaftshilfen auf den Weg gebracht haben, kann man das nur, wenn man gut miteinander arbeitet.
Sie spüren da kein Misstrauen?
Nicht in einem außergewöhnlichen Maß.
Sie sind auch Regierungskoordinator – in der ÖVP läuft es nicht so gut. Da wäre Wirtschaftsministerin Schramböck mit dem gefloppten Kaufhaus Österreich; Ex-Arbeitsministerin Aschbacher und die Plagiatsvorwürfe. Gegen Sie wird ermittelt. Gegen Kurz vielleicht bald. Was ist da nur los?
Da werden einige Dinge, die gar nichts miteinander zu tun haben, vermischt. Insofern kann man jeden einzelnen Fall betrachten.
Auch als Finanzminister kommen keine schönen Zeiten auf Sie zu: Die Arbeitslosigkeit wird vielleicht sogar zuerst steigen statt sinken, wir erwarten eine Pleitewelle.
Ich gebe Ihnen recht, Finanzminister in der größten Pandemie seit 100 Jahren und in der größten Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges zu sein, ist nicht witzig. Das ist eine große Herausforderung, der ich mich sehr gern stelle. Wenn man sich Daten und Fakten ansieht, ist viel gelungen. Es gab durch unsere Maßnahmen vergangenes Jahr 38 Prozent weniger Insolvenzen als im Jahr davor. Klar ist, wenn verschiedene Maßnahmen auslaufen, wird ein gewisser Nachholeffekt passieren. Wie groß der sein wird, ist noch nicht abschätzbar. Ich glaube aber, dass es in den nächsten Jahren insgesamt zu weniger Insolvenzen kommen wird als zuvor. Ich würde also nicht von einer anstehenden Pleitewelle sprechen.
Wie kommen Sie darauf, dass es weniger Insolvenzen geben wird?
Weil es auch in den letzten Krisen immer so war. Warum? Weil die Staaten immer stark interveniert haben. Wir haben momentan ein Zinsniveau, das seit zehn Jahren sehr niedrig ist und so wie es ausschaut auch niedrig bleiben wird. Das ermöglicht für viele ein Weiterwirtschaften. Plus: Es ist extrem viel Geld in den Markt gepumpt worden, um ihn liquide zu halten. Plus: Es ist extrem viel Geld hineingepumpt worden, das nicht mehr zurückgezahlt werden muss. All diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Druck von den Unternehmen genommen wird.
Es werden laufend Milliarden in die Wirtschaft gepumpt, aber man fragt sich schon, wer zahlt das?
Das Wachstum. Das Wichtigste ist, eine wachstumsorientierte Politik zu machen. Das geht nicht, solange es Geschäftsschließungen gibt, das ist klar. Aber, sobald die Pandemie so weit es geht bekämpft ist, werden wir ansetzen. Mit der Impfung ist hier eine Aussicht da – sie ist überhaupt ein Triumph gegen die Krankheit, der früher gekommen ist, als gedacht. Wenn die Schließungen weg sind, kommt die Wirtschaft zurück. Ich bin optimistisch, dass alles gut wird.