Eine Marke zwischen Gazelle und Raubkatze
Die Traditionsmarke Jaguar will der Entwicklung vorauspreschen und ab 2025 nur noch E-Autos herausbringen. Mancher fragt sich, ob sie CEO Thierry Bollor´e nicht zum Verkauf herrichten möchte.
Vom Starruhm unvergänglicher Schönheiten wie dem E-Type abgesehen: Jaguar hat im Automobilbau einiges an Pionierarbeit geleistet, etwa die Ausstattung mit Scheibenbremsen rundum, im Rennbetrieb der Fifties erprobt, oder die Einführung der selbsttragenden Karosserie in der Massenproduktion (selbst wenn andere bei den Grundlagen früher dran gewesen sind). Auch den vollelektrischen I-Pace von 2018 kann man dazuzählen, seine Konstruktion ist alles andere als alltäglich.
Aber was das Wesen der Marke vielleicht am besten beschreibt, ist ein Motor aus längst vergangenen Tagen. Ein gewaltiges Trumm, ein Zwölfzylinder
aus Alu, 5,3 Liter groß. Die Pläne dafür stammten aus dem Rennsport, wurden dort aber nie verwirklicht.
Doch um 1970 war bei Jaguar auf der Straße Power gefragt, mehr, als sich aus den markentypischen, ohnehin schon kräftigen Reihensechsern holen ließ. Von diesen spannte man nun zwei auf einer Kurbelwelle zusammen, trimmte das Paket kunstfertig in Richtung Leistung, Langlebigkeit und überschaubare Herstellungskosten – und versenkte es 1971 im Motorraum des schon angegrauten E-Type, der sich mit der Prachtmaschine auf dem Markt noch einmal aufbäumen konnte. Den viertürigen XJ von 1968, noch von Firmengründer William Lyons himself entworfen, machte jener V12 kurz darauf zur weltweit schnellsten Serienlimousine. Der Motor, immer wieder optimiert, blieb 26 Jahre im Programm.
Katze auf dem Sprung. Ein Zwölfzylinder, das war schon etwas, sonst nur geboten von Lamborghini und Ferrari – unerreichbar für die allermeisten. Bei Jaguar gab es diesen Prunk für vergleichbar kleines Geld. Und dieses spezielle Preis-Leistungs-Verhältnis – wenn auch auf gehobenem Niveau – begleitete die Marke seit Anbeginn, seit den frühen Jahren als Lyons noch auf der Suche nach einem neuen Firmennamen war. Der alte, S. S., hatte begonnen, einen unguten Beiklang zu entwickeln. Gazelle und Hawk (Falke) verwarf Lyons. Eine Raubkatze auf dem Sprung, der berühmte Leaper, gab die ungleich bessere Kühlerfigur ab.
Die Geschicke der Marke ähneln seither weniger einem Jäger auf der Pirsch denn einer Haken schlagenden Gazelle. Durchwegs erfolgreich waren die Jahre der Eigenständigkeit, als man während der 1950er als Seriensieger in Le Mans triumphierte – und mit dem E-Type eine Ikone schuf, deren Appeal bis heute knisterte. Der XJ, mit Zwölfzylinder als Topmodell, motorisierte auf Jahrzehnte Würdenträger des Empires und anderswo. Auch sein Design erwies sich als epochaler Wurf – an dem man vielleicht zu lang festhielt.
Im Strudel. Unvermeidlich geriet auch Jaguar in den Abwärtsstrudel der britischen Autoindustrie und hatte alle Mühe, als Teil des staatlich ausgeheckten British-Leyland-Disasters nicht unterzugehen. Die Jahresproduktion in den 1980ern war zeitweise auf 13.000 Exemplare gesunken, selbst für einen feinen Nischenanbieter ein kritisches Maß. Das Jahrzehnt beschloss Jaguar aber in sicheren Händen: als Neuerwerbung des Ford-Konzerns.
Die Amerikaner hatten Großes vor mit ihrem Asset: An BMW wollte man sich messen, Stückzahlen von 200.000 pro Jahr wurden ausgerufen – eine Marke, die Jaguar auch im bislang besten Jahr, 2018, nicht erreichen sollte. Der Absatz seit den Achtzigern gleicht vielmehr einer Hochschaubahn, die der wirtschaftlichen Weltlage hinterherfährt. Immerhin mit klarer Aufwärtstendenz.
Ford scheiterte indes schon an einer bescheidenen Gewinnmarge und gab die englische Besitzung samt Land Rover nach zwanzig Jahren entnervt ab. Der indische Tata-Konzern staubte beide günstig ab, 2013 wurden sie zur JLR-Gruppe zusammengefasst.
Ein eigentlich schwieriges Gespann, der 4x4-Spezialist und die Nobelmarke mit sportlich-eleganter Haltung. Doch wen sollte das stören? Beide
Der Gründer suchte einen neuen Markennamen – Gazelle und Hawk verwarf er.