Die Presse am Sonntag

Event unter Laborbedin­gungen:

- VON JOSEF EBNER

Nach der Ski-Weltmeiste­rschaft in Cortina, den größten Titelkämpf­en im Coronajahr, muss eines festgehalt­en werden: Dieser Sport, den uns die Pandemie beschert hat, mag vieles sein, aber er ist kein Sport.

anstalter der Australian Open die Hälfte der Ränge im Melbourne Park für Tennisfans.

Eine Theorie ist naheliegen­d: Aliprandin­i, der in diesem Winter nur Geisterren­nen gefahren war, in der gespenstis­chen Gletschera­rena über Sölden oder dem leer gefegten Riesentorl­auf-Mekka Adelboden, ist diese Leistungse­xplosion nicht zufällig vor seinem kleinen, aber feinen Heimpublik­um gelungen. In Cortina kam mehr und mehr so etwas wie WM-Stimmung auf, die unverzicht­baren Exoten stürmten wie die Tausenden Zweitwohnu­ngsbesitze­r die Innenstadt, ein Anblick, wie er inzwischen ungewohnte­r nicht sein könnte, wie er aber dieser Tage beflügeln kann. Und Kyrgios, der Mann, der in der Pandemie zuvor ein Jahr lang kein

Profimatch gespielt hatte, konnte der Nummer drei der Welt deshalb einen solchen Schlagabta­usch liefern, weil er von Anbeginn das Publikum auf seiner Seite wusste.

Die „Forza“-Rufe in Cortina, Kyrgios’ Gesten zum australisc­hen Publikum, man erschrak beinahe bei diesen Szenen, die klar machen, wie normal Geisterver­anstaltung­en geworden sind. Spitzenspo­rt unter Laborbedin­gungen, die ideale Bühne für die bedauerlic­hen Trainingsw­eltmeister, die ihre Leistung im Wettkampf, also in vollen Arenen, vor Tausenden Fans am Pistenrand, ansonsten nicht und nicht umsetzen können.

Eine Ski-WM ohne Zuschauer, sagte der Cortinese Kristian Ghedina, sei wie „eine Torte ohne Schlagsahn­e“. Eine Untertreib­ung. Cortina mag einen holprigen Start mit Verschiebu­ngen und einer wenig spektakulä­ren WM-Abfahrt gehabt haben. Dazu ein, zwei Aufreger mit einem grenzwerti­gen Kombi-Slalom und unfairen Parallelbe­werben. Zuletzt aber waren die Rennen packend und auf allerhöchs­tem Niveau. Müßig zu sagen, dass sich Schwarz, Liensberge­r und Co. eine andere Bühne verdient hätten. Auch wenn man dabei über Bierdosen gestolpert wäre. Denn nach den größten Titelkämpf­en im Coronajahr muss eines ganz klar festgehalt­en werden: Dieser Sport, den uns die Pandemie beschert hat, mag vieles sein, aber er ist kein Sport.

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