Der Superstar von Cortina: Herz, Pathos und Nervenstärke
Katharina Liensberger
gewinnt den Slalom und verabschiedet sich mit drei Medaillen und einer Machtdemonstration von der WM. Was macht die 23-Jährige so stark?
Katharina Liensberger hat immer eine kleine Episode zu erzählen. Als sie in Cortina im Parallelbewerb zu WMGold fuhr, fasste sie sich im Zielraum ans Herz, schließlich habe ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel gesagt, sie solle mit Herz Skifahren. Nach Riesentorlaufbronze sprach sie vom „ganzen Universum“, das ihr zur Medaille verholfen habe, und einem über die Straße geflitzten Eichhörnchen, das sie als Omen gedeutet habe – schließlich dient ein solcher Nager als offizielles WM-Maskottchen. Und als sie am Samstag auch noch den WM-Slalom in überlegener Manier (1,00 Sek. vor Petra Vlhova´) gewann, erzählte sie von einem Traum. „Ich habe wirklich einmal davon geträumt, dass ich mit einer Sekunde Vorsprung die Ziellinie überquere. Aber dass ich das bei diesem Rennen zeigen kann, dafür bin ich unglaublich dankbar.“
Die 23-Jährige aus Göfis in Vorarlberg ist der Superstar dieser WM. Wie die Schweizerin Lara Gut-Behrami nimmt sie zweimal Gold und einmal Bronze mit nach Hause. Doch was macht Liensberger so stark, dass sie, ohne einen Weltcupsieg nach Cortina gekommen, nun mit einer Machtdemonstration und zwei Laufbestzeiten im Slalom wieder abreist?
Näher am Team. Liensberger braucht den Rummel nicht, sie mag es, wenn sie sich auf das Wesentliche konzentrieren kann. Insofern hatten die Coronamaßnahmen und leeren Ränge auch ihr Gutes. Als sie sich als letzte Läuferin des Slalomfinales aus dem Starthaus stieß, war die Piste nicht gesäumt von frenetischen Skifans.
In der Pandemie ist die Vorarlbergerin auch näher an das ÖSV-Slalomteam gerückt. Stets war Liensbergers Mutter im Weltcup dabei gewesen, heuer war das kaum noch möglich. Noch ist sie keine Teamleaderin, doch über diese jüngste Entwicklung ist man im ÖSV nicht unglücklich. Befragt man die Teamkolleginnen zum Erfolgslauf der Ausnahmekönnerin, ist der Tenor noch stets derselbe: So gut kenne man sich jetzt auch nicht, so viel habe man zuletzt nicht zusammen trainiert, aber die Kathi sei auf jeden Fall sehr fokussiert.
ÖSV-Damenchefcoach Christian Mitter wähnte seinen Schützling in Cortina gar „auf einer Mission“. Seine Erklärung: „Zuerst muss man einmal einen solchen Schwung fahren und Körper und Material haben, um einen WM-Slalom gewinnen zu können. Sie ist im Weltcup ein paar Mal in Führung gelegen und hat Laufbestzeiten gefahren, sie hat diese Situation auch geübt.“Tatsächlich stand Liensberger in diesem Winter noch in allen fünf Slaloms auf dem Stockerl.
Für die mentale Stärke gebe es verschiedene Methoden. „Skifahrer sind sehr gut dabei, ihren Kopf zu regulieren“, sagt Mitter. Gemeint ist damit, die Spannung am Renntag unten zu halten und im richtigen Moment hochzufahren. Mitters Fazit: „Von Talent spreche ich nicht gern, sondern ich glaube, Skifahren gehört eher gelernt und geübt. Aber was sie natürlich tut : Sie lernt sehr schnell.“
Dass Liensberger nach wie vor auf Rossignol-Skiern unterwegs ist, ist ebenfalls ein Glücksfall. Zur Erinnerung: Die Vorarlbergerin war zu Kästle gewechselt, stand damit aber ohne Skischuhausrüster da und durfte erst wieder Rennen fahren, als sie zu Rossignol zurückkehrte. Mit den Franzosen steht ihr im Gegensatz zu Wiedereinsteiger Kästle jahrelanges WeltcupKnow-how zur Verfügung.
In ihrem letzten Rennen in Cortina hat Liensberger all diese Faktoren zu einer Glanzleistung vereint. „Mir ist es gelungen, mich auf das zu konzentrieren, was für mich so viel zählt. Einfach mit Begeisterung Skifahren.“