Die Presse am Sonntag

Tödliche Spiele vor Pilcher-Kulisse

- MPM

Thriller.

Die pittoreske Küste Cornwalls ist in Rachel Abbotts Roman nicht Kulisse für eine Rosamunde-Pilcher-Schnulze, sondern für eine düsterere Geschichte: Genau ein Jahr nach dem Tod seiner Schwester lädt Lucas seine Freunde wieder auf sein Anwesen. Denn Lucas glaubt nicht an Suizid, er vermutet den Täter unter seinen Freunden. Ein makaberes Spiel voller alter Geheimniss­e beginnt. Ein vielverspr­echendes Szenario, das die Autorin leider nicht durchgehen­d optimal umsetzt: Zwischendu­rch hat die Geschichte Längen, ist die Handlung vorhersehb­ar. Solide, aber nicht mehr.

Rachel Abbott: „Das Bootshaus“, übersetzt von Leena Flegler, Blanvalet, 478 Seiten, 10,30 Euro

s bed arf heutzutage nur eines Klicks, um sein tiefstes Inneres mit der Welt zu teilen. Viktoria Schnaderbe­ck kann sich genau erinnern, an dieses Posting am 19. Dezember 2019, das ihr Leben völlig verändern sollte. Daran, wie lang sie überlegt, die möglichen Reaktionen und Folgen durchgedac­ht hat. „Jetzt spreche ich sehr frei darüber, aber damals war ich wirklich nervös, habe mich gefragt, ob das notwendig ist“, erinnert sie sich. Als das Kussfoto mit ihrer Freundin, Anna, dann publik und sie Österreich­s erste offen homosexuel­le Profi-Fußballeri­n (Nationalte­amkollegin Sarah Puntigam postete ihr Coming-out zeitgleich) war, fühlte sie: erst einmal gar nichts. „Das war eine kurze Schockstar­re.“Die Spielerin von Arsenal London legte bewusst das Handy weg, flog zum Weihnachts­urlaub nach Österreich, in die Geborgenhe­it von Familie und Freunden.

Die Scham, das Verstecken. »Das würde ich anderen Menschen gern ersparen.«

Über ein Jahr ist seither vergangen und Schnaderbe­ck zu einer öffentlich­en Stimme der LGBTQ-Bewegung geworden. Die positiven Reaktionen bestärkten sie darin, für sich und als Beitrag für eine offenere Gesellscha­ft den richtigen Schritt gesetzt zu haben. „Die hohen Wellen haben mir gezeigt, dass es immer noch eine große Sache und weit weg davon ist, als normal gesehen zu werden“, erklärt die 30-Jährige, dass der Weg insbesonde­re im Profi-Sport noch ein weiter ist. „Es war ein kleiner Schritt, um für die Zukunft etwas zu bewegen. Das ist meine Geschichte und Sexualität nur eine Form der Diskrimini­erung.“

Inzwischen spricht die Steirerin offen über das, was sie in den Jahren zuvor geglaubt hat verstecken zu müssen: die Scham und die Angst als Teenager, das Gefühl, ertappt worden zu sein, als ihre Mutter sie nach einem zufälligen Foto-Fund auf ihre erste Freundin ansprach. Wie jede Reise zu ihrem damaligen Klub Bayern München auch eine „kleine Flucht“vor unangenehm­en Situatione­n war. Denn selbst als der innere Kreis Bescheid wusste, wartete sie bei anderen nur auf die Frage nach dem Lebenspart­ner, um möglichst schnell davon abzulenken. Penibel vermied sie Privates in Interviews oder ihren Web-Auftritten. „Es kostet viel Energie, man hat quasi ein zweites Leben und belügt Leute, die einem viel bedeuten. Das ist schmerzhaf­t, und das würde ich anderen jungen Menschen gern ersparen.“

Schnaderbe­ck möchte niemanden zu einem Coming-out drängen, wie sie betont, sondern Mut machen und einen Denkprozes­s anstoßen. „Man hat schon gewonnen, wenn Leute, die es vorher tabuisiert haben, darüber sprechen“, sagt sie vor ihrem OnlineTalk am Donnerstag. Sie selbst erkannte mit dem Erfolg bei den Europameis­terschafte­n 2017, als die Österreich­erinnen bis in das Halbfinale und die ORF-Primetime stürmten, eine neue Perspektiv­e. Als Kapitänin stand sie plötzlich mitten im Rampenlich­t, war ihre Meinung zu Themen abseits des Fußballpla­tzes gefragt. „Da ist mir bewusst geworden, dass ich eine Stimme habe, die zählt, und dadurch habe ich auch Verantwort­ung gespürt.“

Im März 2019 lernte Schnaderbe­ck dann in einem Londoner Nachtclub die Norwegerin Anna kennen und lieben, bald darauf auch deren liberale Heimat. „Dort habe ich gesehen, dass Homosexual­ität in Familie und Gesellscha­ft absolut normal ist, und mich gefragt, warum das in Österreich anders ist“, erzählt sie.

Wo sind die schwulen Fußballer? Während angeführt von US-Weltmeiste­rin Megan Rapinoe einige weibliche Stars offen in gleichgesc­hlechtlich­en Partnersch­aften leben, gibt es bislang offiziell keinen aktiven schwulen Fußballpro­fi. Schnaderbe­ck kennt die Geschichte­n von aufwend ig insze nierten Scheinlebe­n, hat vergangene­n Sommer den anonymen Erfahrungs­bericht eines Betroffene­n in der englischen Premier League in einem offenen Brief aufgegriff­en. Ob sie als Mann den Mut zum Coming-out gefunden hätte? Sie verweist auf allzu unterschie­dliche Lebenswelt­en. „Für mich ist Fußball nur ein Teil des Lebens, Geld oder Verein nicht das Wichtigste, sondern glücklich zu sein.“Das Männer-Business sei auf

 ?? Christian Jungwirth ?? Seit 2019 ein Paar: Viktoria Schnaderbe­ck (l.) und Anna.
Christian Jungwirth Seit 2019 ein Paar: Viktoria Schnaderbe­ck (l.) und Anna.

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