Wie Unis erfolgreich Firmen gründen
Die erfolgreichsten Konzerne der Welt wurden an Universitäten gegründet. Vor allem die USA verstehen es, mittels Gründerhilfen ihre Forschung zu kommerzialisieren. Das soll nun auch in Österreich klappen.
Etwa 336 Millionen US-Dollar erhielt die Stanford-Universität für den Verkauf ihrer Anteile an Google. Die Suchmaschine wurde zunächst von einem Rechner der kalifornischen Universität aus angeboten. Larry Page und Sergey Brin hatte diese im Rahmen einer akademischen Forschungsarbeit erfunden. Für das Patent hinter dem Algorithmus bekam die Uni 1,8 Millionen Aktien an dem Techgiganten. Ein Erfolg für Forschung und Wirtschaft.
Auch der populäre Bilder-Messenger Snapchat wurde erstmals in einem Design-Seminar in Stanford vorgestellt. Ähnlich fanden weitere Konzerne wie Yahoo, Fedex, Dell, HP, Facebook oder Dropbox ihre Wiege an einer US-Hochschule. Unter ihnen gilt Stanford als Leuchtturm für Patente und Innovation. Dort haben die meisten Gründer studiert, deren Start-up inzwischen mehr als eine Milliarde Dollar wert ist.
Unis fördern Innovation. Neben der Universität gibt es wenige Orte, an denen Personen aus verschiedenen Disziplinen so regelmäßig miteinander interagieren können. Die Chance, dass sich ein Informatikstudent und ein BWL-Student über den Weg laufen, ist höher als in den meisten Büros. Experten des Innovation Leadership Forum zufolge entstehen Innovationen, insbesondere radikale Innovationen, wenn zuvor nicht verbundene Wissensbereiche miteinander verbunden werden. Europa ist zwar führend in der Forschung, kommt laut einer McKenzie-Studie in der Anwendung und Kommerzialisierung dieser aber weit hinter den USA zu liegen. Warum?
Business-Kurse erlebten jenseits des Atlantiks einen wahren Boom. Nach Angaben der Kauffman-Stiftung haben sich die Abschlüsse im Bereich Unternehmertum seit 1975 verfünffacht. Und es ist wahrscheinlicher, dass Unternehmer Erfolg haben, wenn sie von einem der 250 Start-up-Förderprogramme unterstützt werden, die USUniversitäten anbieten. Bemerkenswerte Projekte gibt es zum Beispiel am MIT, Stanford, UC Berkeley, Harvard und Georgia Tech. So kam eine im „Journal of Technology Transfer“veröffentlichte Studie zu einer interessanten Erkenntnis. Unternehmen, die an Hochschuleinrichtungen gegründet und kultiviert wurden, haben mehr Arbeitsplätze und mehr Umsatz generiert als Unternehmen, die anderswo gegründet wurden.
14
Prozent aller Start-ups in Österreich kommen aus dem akademischen Bereich.
9
von zehn Hochschulen mit bester Kapitalversorgung sind in den USA.
165
Millionen Unternehmer sind unter 25 Jahre alt.
16
Prozent der Absolventen im Jahr 2011 gründeten eine Firma. Anfang der 1990er waren es nur fünf Prozent.
In Österreich kommen 14 Prozent aller Start-ups aus dem akademischen Bereich. „In ganz Österreich wird auf hohem Niveau geforscht“, sagt Ingrid Kelly zur „Presse“. Die irische Molekularbiologin und Patentexpertin leitet IST cube. Der Start-up-Fonds aus Klosterneuburg mit einem Volumen in Höhe von 40 Millionen Euro fördert akademische Neugründungen im Technologiebereich. Er soll die Lücke zwischen Wissenschaft und Finanzwelt schließen.
Das Geld fließt. Die USA warten mit Riesenmengen Risikokapital auf. In Österreich erfolgt Technologie-Transfer hauptsächlich über Drittmittelprojekte. Das Geld stammt also nicht aus dem festen Budget der Universitäten, sondern aus Zusatztöpfen von Bund, Ländern, der EU oder von privaten Förderern. Diese Mittel müssen immer wieder neu beantragt werden. Das bringt vor allem für die Personalplanung eine große Unsicherheit.
Aber es hakt nicht nur am Geld. Es gebe wenige, die zwischen Forschung und Industrie wechseln, erklärt Kelly. „Wenn mehr Forscher erfolgreich aus der Forschung ausstiegen, würden andere die Angst vor diesem Schritt verlieren.“Nach ihrem PhD an der Universität Cambridge wollte Kelly unbedingt weg von der Forschung. „Es war ein bisschen monoton. Für mich ist Vielfalt wichtig.“
Auch Irene Fialka, Leiterin des universitären Gründungsservice Inits, sieht die noch starren Grenzen zwischen Forschung und Wirtschaft als Problem. „Ganz wenige aus der Forschung gründen ein Unternehmen oder kommen aus der Industrie wieder zurück in die Forschung. In den USA ist das ganz anders. Davon erzählt auch Alexander Schwartz, Partner vom IST cube. Als er seinen Postdoc an der Harvard Universität absolvierte, nahm er eine andere Kultur wahr. Dort würde in der Vorlesung erst über die Theorie gesprochen und am Ende folge die Business-Theorie. Jeder würde seine Produktideen vorstellen. „Die Verzahnung von Forschung und möglichen Produkten ist man gewöhnt.“
In Österreich zurück erzählt Schwartz, der jahrelang für eine Beratungsfirma tätig war, von „zwei Welten“, der Akademie und der Wirtschaft. „Dabei herrscht das Vorurteil, dass Wirtschaft etwas Schmutziges ist. In der Forschung kann man etwas Gutes tun.“Dabei bringe gerade die Umsetzung der eigenen Ideen, der Gesellschaft etwas Gutes. In den USA müssten sich die Professoren nicht zwischen Forschung und Entrepreneurship entscheiden.
IST cube
Der Venture Fonds wurde 2018 vom Institute of Science and Technology Austria (IST) ins Leben gerufen. Er investiert vorrangig in Life-Scienceund Tech-Start-ups aus dem akademischen Umfeld. Acht Startups aus den Bereichen Medizin, Biotechnologie, IT und Displaytechnologie befinden sich derzeit im Portfolio. 30 Investitionen sind anvisiert.
Inits
Der Inkubator wurde 2002 von der Universität Wien, der Technischen Universität Wien und der Wirtschaftsagentur Wien mit dem Ziel gegründet, die Verwertung von Forschung und Entwicklung durch Unternehmensgründungen im akademischen Umfeld voranzutreiben. Kelly sieht bei vielen heimischen Universitäten Unsicherheit im Umgang mit dem Thema. Sie würden sich um Interessenkonflikte sorgen. Natürlich sei die Forschung und Lehre
Firmen, die an Unis gegründet wurden, haben mehr Jobs generiert als andere. »Es braucht unternehmerisch denkende Menschen, die ihrer Zeit voraus sind.«
die Hauptaufgabe eines Professors.
In den USA brachte der Bayh-Dole Act, auch Patent and Trademark Law Amendments Act oder Bayh-Dole-Gesetz genannt, schon 1980 den Universitäten mehr Spielraum. Das Gesetz räumt Einrichtungen, an denen Forschungsarbeiten mit der Hilfe von Bundesmitteln durchgeführt werden, das Recht zur Verwertung der Forschungsergebnisse ein. Somit seien uns die Amerikaner zwanzig Jahre voraus, sagt Fialka.
Ein neues Gesetz brachte Schwung. „Erst mit der Änderung des Universitätsgesetzes 2002, welches zwei Jahre später wirksam wurde, war es den Universitäten überhaupt erstmals möglich, Patente zu halten“, erklärt Inits-Chefin Fialka. „Zuvor waren Professoren Angestellte des Ministeriums. Erfindungen wurden dem Ministerium gemeldet. Doch das hatte keine Struktur für eine Verwertung.“
Doch inzwischen habe sich hierzulande viel getan. Österreich kann eine Reihe an Uni-Projekten vorweisen, die sich zu erfolgreichen Unternehmen entpuppten. So ist das Biotech Marinomed inzwischen an die Börse gegangen. Lithoz entwickelte die weltweit einzige 3-D-Druck-Technologie für Keramik. Auch die Wetterdatenfirma Ubimet, die Diabetes-Plattform Mysugr und die Chat-KI Zoovu sind Uni-Ableger. Und allein fünf akademische Start-ups sind für den Gründerpreis Phönix nominiert, der im März vom Gründerserivce aws im Auftrag des Bildungs-sowie Wirtschaftsministeriums vergeben wird.
„Viel Geld wird in Weltklasse-Forschung gesteckt. Wenn ich nicht dafür sorge, dass die Ergebnisse als Innovation in die Gesellschaft zurückkommen, ist zwar Wissen entstanden aber kein Nutzen“, sagt Fialka. „Es braucht unternehmerisch denkende Menschen, die ihrer Zeit voraus sind.“