»Ich will das Daheimsein genießen«
Mit dem Alter hat Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz keine Probleme, dass die 37-Jährige als Schanzen-Doyenne gilt, wertet sie als Selbstbestätigung. Über Teamgeist, »Playboy«-Fotos, Flugrouten, Strafzettel – und die wahre Rolle von Geld.
Wie hat Ihnen diese nordische WM in Oberstdorf gefallen? Und, Hand auf’s Herz: Wie sehr haben Ihnen die Zuschauer, deren Applaus, gefehlt?
Daniela Iraschko-Stolz: Für mich waren es unglaublich viele Emotionen, wirklich. Gerade im Team Gold zu gewinnen ist wirklich etwas Besonderes. Da muss so vieles zusammenpassen, muss bei jedem von uns vier jeder Sprung gelingen. Da wächst man als Mannschaft zusammen. Und die Zuschauer? Ja, wir haben bei der Siegerehrung schon gemerkt, dass keiner da war. Es war komisch, aber besser, als nur zu Hause zu sitzen, oder?
Täuscht es, oder ist im österreichischen Damen-Team das Verständnis untereinander sehr gut? Es wirkt so harmonisch, jede lobt die andere, man hört von keinen Streitereien oder gar Neid.
Ja, prinzipiell sind wir das ganze Jahr unterwegs zusammen. Da muss man sich schon arrangieren, auch wenn wir nicht die besten Freunde sind. Mit Sara (Marita Kramer, Anm.) verstehe ich mich wirklich extrem gut, ich verstehe mich aber auch mit allen anderen gut. Wir Mädels haben schon einen super Zusammenhalt. Jede hilft der anderen, da gibt es kein Zögern. Das ist nicht selbstverständlich, dessen bin ich mir bewusst.
Sie sind mit 37 die Älteste im Team, die Jüngeren fragen demgemäß oft um Rat. Marita Kramer ist ja erst 19 und . . .
. . . sowieso! Von der Technik her haben wir alle unterschiedliche Sprungstile, das trifft auch auf die Wahl des Materials oder die ganze Saisonvorbereitung zu. Wie gesagt: Wir versuchen, uns zu helfen, motivieren uns, wenn es einmal nicht läuft. Wir wissen über uns alle Bescheid. Auch, was im Privatleben los ist, das sagt alles. Und das schweißt schon zusammen. Wenn man dem anderen jeden Erfolg gönnt, ist das etwas Tolles.
Bei dieser WM gab es mit zwei Einzelkonkurrenzen von Normal- und Großschanze, Mixed- und Team-Bewerb erstmals vier Bewerbe für Skisprung-Frauen. Es gibt längst einen Weltcup, eine Tournee fehlt aber. Finden Sie, dass sich Frauen im WM-Programm etabliert haben?
Das denke ich schon. Das Niveau ist seit der ersten WM, bei der wir mitspringen durften (2009, Liberec, Anm.) wirklich viel höher geworden, es gibt mehr Nationen, die dabei sind. Bei der WM mit vier Bewerben ist ersichtlich, dass seitens des Weltverbandes FIS versucht wird, dass sich Frauen den Herren angleichen. Dass es im Preisgeld noch Unterschiede gibt, darf dabei nicht übersehen werden. Aber okay, ich kann das nicht ändern – es wird sich hoffentlich im Lauf der Jahre anpassen, weil es doch der gleiche Aufwand und die gleiche Arbeit ist.
Wäre es bei dieser WM dann nicht sinnvoll gewesen, allein schon als Signalwirkung? Im Langlauf oder im Skizirkus ist es doch längst so, da gibt es „Equal Pay“.
Ist es so? Logisch, als Zeichen wäre es toll gewesen bei der WM, es hätte genug Rampenlicht für alle gegeben. Ich weiß, es ist viel Geld. Aber wegen Geld springt bei uns eh keine mit.
Wohin führt Ihre Flugroute? Sie sind Profi, seit Anfang an dabei. Was fehlt noch?
Ich hatte schon sehr viele Verletzungen, also kann eine Karriere auch sehr schnell enden. Solang es geht, es Spaß macht und ich weiterkämpfen kann für unsere Sparte, mache ich weiter. Es ist viel passiert, wir sollten nicht jammern. Peking 2022 ist sicher ein Ziel. Es war eine coole Saison, aber ich weiß, dass ich viel besser springen kann. Jetzt schmerzt der Knöchel, es gab kaum Pausen . . . . . . und dann, nach der Karriere? Was geschieht, wenn Sie die Sprungski tatsächlich ins Eck stellen?
Trainerin sein würde mich wahnsinnig interessieren. Aber nach all den Jahren im Weltcup und dem ewigen Aus-derTasche-Leben wäre es schön und wichtig für mich, dass ich den größten Teil des Jahres auch daheim verbringen kann. Ich will das wirklich genießen. Es muss dann viel ruhiger werden. Insofern würde es mir Spaß machen, mit Kids zu arbeiten in Tirol. Es muss nicht jeder von denen Weltmeister werden. Sicher nicht. Ich will ihnen aber die Freude am Sport vermitteln.
Der Eindruck täuscht keineswegs: Ein Bürojob mit fixen Zeiten wäre nichts für Sie. Nein, das wäre eher nicht meins. (lacht) Ich habe gute Alternativen, auch bei der Polizei. Das ist ja ein spannender Beruf.
Haben Sie Strafzettel geschrieben oder jemanden verhaftet?
Nein, Gott sei Dank nicht. In Innsbruck gibt es eine eigene Verkehrsstreife. Da
Daniela IraschkoStolz
37, geboren in Eisenerz, lebt in Innsbruck. Sie lebt seit 2013 in einer eingetragenen Partnerschaft.
Sport
Sie war Fußball-Torhüterin bei Wacker Innsbruck. Seit 1995 ist sie Skispringerin und hebt seit 2011 im Weltcup ab. Ihr weitester Flug (inoffiziell):
200 Meter.
Größte Erfolge
Sie gewann 2018 in Pyeongchang Silber und nach der WM 2011 jetzt in Oberstdorf erneut Gold mit der Mannschaft. Im Weltcup landete sie 16 Siege und wurde 2015 Gesamtsiegerin. bist du viel unterwegs, mir macht diese Verantwortung Spaß. Man sieht andere Dinge im Leben und trifft Menschen, denen es nicht so gut geht. Da wird dir auch bewusst, wie privilegiert eigentlich dein Leben als Sportler ist.
Es ist also weiterhin schmeichelhaft für Sie, wenn man Sie als Doyenne der Schanzen sieht?
Ich habe mit dem Alter kein Problem. Deine Leistung musst du sowieso bringen, sonst ist es eh schneller vorbei, als du glauben willst. Ich traue mir zu, dass ich noch zwei Jahre mithalten kann mit der Spitze. Solang es Spaß macht, will ich mein Hobby leben.
Vor der WM hat sich die Deutsche Juliane Seyfarth für den „Playboy“ausgezogen, sich von ihrem Freund fotografieren lassen. Wie finden Sie diese Aktion?
Warum nicht, wenn’s ihr taugt. Ich bin eher nicht der Typ für den „Playboy“. Sie hat eine gute Figur, schaut gut aus, also warum nicht? Würde es allerdings jetzt jede machen, wäre es nicht mehr interessant.