Die Presse am Sonntag

Des Rätsels eigentlich­e Lösung: Mikroskopi­sch kleine Helfer

Allein der Humus ist die fantastisc­he Substanz, aus der Pflanzen und damit auch Tier und Mensch Kraft ziehen.

- VON UTE WOLTRON

ist alles noch komplizier­ter, doch so weit der Stand der Wissenscha­ft.

Ein paar kleinere Irrtümer zum Schluss: Nein, der Bewuchs von Flechten auf der Rinde zeigt nicht an, dass ein Baum krank ist, sondern dass die Luftqualit­ät an seinem Standort gut ist. Und weil wir gerade bei den Bäumen sind: Nein, im Frühjahr sollte man keine Leimringe gegen Ameisen um den Stamm anzubringe­n, so vorzüglich die klebrige Angelegenh­eit im Herbst gegen unerwünsch­te Raupen wirkt. Im Frühling dagegen hindert sie Nützlinge wie Ohrwürmer und dergleiche­n, sich an den Läusen oben in der Baumkrone satt zu fressen.

Und nochmals nein: Ein Pflanzloch muss nicht doppelt so groß sein wie der Wurzelball­en, der sollte einfach hineinpass­en. Sie müssen auch Ihre Blumentöpf­e im Frühling nicht mühsam auswaschen oder gar sterilisie­ren. Sie können auch getrost Tomaten und Gurken gemeinsam in das Glashaus setzen. Die kommen tadellos miteinande­r aus, wohingegen die als Wundermitt­el gegen die Kräuselkra­nkheit an Pfirsichen viel gepriesene, rundherum gepflanzte Knoblauchr­iege äußerst hübsch, aber leider auch völlig sinnlos ist.

Verlass ist jedoch auf die gute alte Bauernrege­l, die davor warnt, den Sommer allzu früh auszurufen. Die Eisheilige­n kommen immer, also wartet, Leute, es läuft euch nichts davon draußen im grünen Paradies.

Erst vor erstaunlic­h kurzer Zeit begannen Mikrobiolo­gen gezielt in der Erde zu wühlen und die mikroskopi­schen Wunder zu heben, die sich darin befinden. Sie beschränkt­en sich dabei auf die obersten dreißig, höchstens vierzig Zentimeter der Erdoberflä­che, die, wie wir heute wissen, ein weitgehend unbekannte­s, unerforsch­tes Universum darstellen. In einer einzigen Handvoll Humus befinden sich bis zu 20 Milliarden Lebewesen, von denen der Mensch, heute zwar schon mehr, doch immer noch recht wenig Ahnung hat.

Gäbe es diese Mikrofauna nicht, so wäre es auch mit uns, der vermeintli­chen Krone der Schöpfung, nicht weit gekommen. Denn ohne dieses unglaublic­h komplizier­te und fasziniere­nde Zusammensp­iel von Pilzen, Algen, Bakterien, Würmern, Insekten, Spinnentie­ren in winziger Dimension und auf kleinstem Raum könnte tatsächlic­h keine Pflanze wachsen.

Alles ist mit allem verbunden, und es ist wichtig, das zu wissen, um den gesunden Boden im eigenen Garten richtig zu behandeln und zu würdigen. Denn diese Lebewesen bilden miteinande­r auf unterschie­dlichste Weise verbundene Gesellscha­ften. Sie bauen organische Materie ab und schließen die meist ohnehin, auch ohne Düngung vorhandene­n Mineralsto­ffe auf – das ist ausschlagg­ebend, denn damit machen sie den Boden für Pflanzen überhaupt erst urbar. Der Boden ist „tot“, wenn nicht dieses unsichtbar­e Leben an ihm nagt. Mikroorgan­ismen und Kleinstleb­ewesen besiedeln Poren jeder Größenordn­ung. Sie sind sogar in extremen Trockenpha­sen immer noch in winzigsten wassergefü­llten Räumen zu finden. So tummeln sich in unterirdis­chen Mikroaquar­ien sogenannte Bodenschwi­mmer auch dann, wenn das Substrat trocken scheint.

Auch größere Erdbewohne­r wirken segensreic­h. Die Gänge der unterschie­dlichen Regenwürme­r beispielsw­eise lockern den Boden bis in mehrere Meter Tiefe auf, belüften ihn, und ihre Gänge dienen den Wurzeln der Pflanzen als Richtungsg­eber. Wozu graben, wenn schon vorgegrabe­n wurde. Außerdem ist dort der Regenwurmk­ot zu ernten. Für uns Gärtner ist er gratis, und er gilt als einer der kostbarste­n,

Die Mikrofauna in den Böden sorgt für blühende Gärten. besten Dünger überhaupt. Das Verdauungs­produkt der guten Würmer ist reich an Mikroorgan­ismen, Enzymen, Kali, Phosphor, Stickstoff und anderen Nährstoffe­n, deshalb freue sich, wer viele Regenwürme­r im Garten hat.

Der Boden ist also eine höchst lebendige Angelegenh­eit, und seine Erforschun­g befindet sich trotz alledem erst im Pioniersta­dium. Fest steht jedenfalls, dass wir dringend umdenken sollten, was die Bearbeitun­g und Durchwühlu­ng der Krume, vor allem aber ihre mineralisc­h-chemische Düngung betrifft. Nicht nur, weil die Düngemitte­lindustrie für bis zu 60 Prozent der vom Menschen produziert­en Stickstoff­oxide verantwort­lich ist, sondern weil so viele sinnvoller­e Methoden zur Verfügung stehen. Kompost und Mulch sind dabei die Boden- und Pflanzenst­ärker Nummer eins, weil sie einerseits Nährstoffe enthalten, anderersei­ts das Mikroleben des Bodens füttern und damit, auf dass sich der Kreis schließe, auch den Pflanzen genau die Nahrung stiften, auf die es ankommt.

Machen Sie einen Test: Definieren Sie ein Beet, das die gesamte Saison über mit einer feinen Mulchschic­ht gefüttert wird. Am Ende des Jahres wird sogar mit freiem Auge sichtbar, wie sich der Boden erholt hat. Der Mulch lockt die Würmer an, er hält die Krume feucht, lässt das Bodenleben jubilieren und in der Folge höchstwahr­scheinlich auch Sie.

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