Als der Zirkus nach Girifalco kam
Italien-Roman.
Als sich die Hitze des Hochsommers auf das kleine kalabrische Städtchen Girifalco legt, hadern sieben seiner Bewohner mit ihrem Schicksal. Die meisten von ihnen vermissen jemanden: die verstorbene Mutter, den verschwundenen Bruder, ein ungeborenes Kind. Bis sich ein mysteriöser Zirkus nach Girifalco verirrt. Für einen der Bewohner wird dieser Zirkus eine ganz besondere Bedeutung haben. Der Autor Domenico Dara kehrt nach seinem Erfolgsroman „Der Postbote von Girifalco“bereits zum zweiten Mal literarisch in seinen Heimatort zurück. Man merkt, wie tief der Autor mit Girifalco verbunden ist.
Domenico Dara: „Der Zirkus von Girifalco“, üb. von Anja Mehrmann, Kiepenheuer & Witsch, 528 S., 23,70 Euro
ermine liegt im Wald. Von innen beginnt sie zu faulen, von außen setzt die Verwesung ein. Erst knabbern Bakterien und Pilze an ihrem Körper, dann legen Schmeißfliegenweibchen ihre Eier auf dem Kadaver ab. Nach und nach kommen Schnecken, Käfer und andere Tiere, bis von Hermine am Ende nichts mehr übrig ist. Klingt nicht sehr appetitlich, lies ts ich aber sehr unterhaltsam, wenn Jasmin Schreiber erklärt, wie der Körper ihres toten Hamsters im Ökosystem aufgeht. Die gezeichneten Fliegenlarven mit lächelnden Gesichtern und Messer und Gabel in den Händen passen da ins Bild.
„Der Tod war schon immer ein Thema für mich“, erzählt die Autorin. Ihr Biologiestudium habe sicher dazu beigetragen, dass sie auch einen entspannteren Zugang zum Sterben hat. Und dass die Frankfurterin das ausgerechnet an der Uni Wien machte, sei vielleicht ein weiterer Puzzlestein gewesen: „Die Österreicher haben einen flapsigen Umgang mit dem Tod – da habe ich gelernt: Mit Humor kann man über alles reden.“
Der lockere Zugang ist auch quasi das Leitmotiv in ihrem ersten Sachbuc h. In „Abschi ed von Hermine“erklärt Schreiber den Tod, das Sterben und Trauer am Beispiel ihres Hamsters. Und damit all das auch im richtigen Kontext steht, beginnt sie zuerst einmal mit den Grundlagen des Lebens – von der Zellteilung über das Altern bis zu unsterblichen Organismen. „Ich will ja auch erklären, warum man den Tod braucht. Das geht nicht, ohne zu zeigen, wie Leben funktioniert.“Und warum gerade ein Hamster? Nun, weil ihr gerade dieses Tier, das sie einschläfern lassen musste, besonders nahegegangen sei. Und weil er sich als Anschauungsbeispiel besser eigne als ein Mensch. „Bei der Verwesung ist es zum Beispiel besser, das am Hamster zu erklären als an der Oma, die dann von den Würmern gefressen wird.“
Dass Schreiber es schafft, dem Themenkomplex Tod mit Leichtigkeit zu begegnen, hat sie Anfang 2020 mit ihrem Romandebüt „Marianengraben“gezeigt. Die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Charaktere, die durch die Sprache der Trauer zueinanderfinden, versprüht trotz aller Verzweiflung am Ende vor allem Hoffnung und Geborgenheit. Und auch das neue Buch ist eine liebevolle Beschäftigung mit einem Thema, dem bei der Lektüre die Schwere ziemlich genommen wird.
Was natürlich nichts daran ändert, dass es trotzdem jedes Mal ein Schlag ist, wenn man persönlich mit dem Thema konfrontiert wird. Wenn jemand aus der Familie stirbt, eine Freundin verunglückt oder man selbst eine erschütternde Diagnose bekommt. Da geht es Schre iber auch nicht anders als allen anderen. Nur, dass sie auch anderen Menschen in solchen Situationen beisteht. Etwa als Sternenkinderfotografin, die Bilder von tot geborenen Babys macht.
Tote Babys fotografieren. „Ich bin da irgendwie reingerutscht“, erzählt sie. Zuerst habe sie als Illustratorin in einem Kinderhospiz Wände bemalt. Schließlich wurde sie von einer Freundin angesprochen, ob sie nicht auch Fotos machen wollte. „Ich fand es erst ein bisschen komisch – ich fotografiere tote Babys.“Aber recht bald merkte sie, dass es ein schönes Gefühl ist, anderen eine schwierige Situation etwas erträglicher zu machen. Und dass sie auch gut damit umgehen kann. „Es ist wichtig zu wissen, das passiert nicht mir. Wenn man da weinend zusammenbricht, hat man den falschen Job.“Wobei Job hier etwas irreführend ist – schließlich übt sie die Sternenkinderfotografie ehrenamtlich aus.
Von dort aus führte ihr Weg weiter zur Trauerbegleitung. „Manchmal sind da nicht einfach nur tote Kinder, sondern man ist dabei, wenn Geräte abge
Bei der Verwesung ist es besser, das am Hamster zu erklären als an der Oma.
Jasmin Schreiber: »Abschied von Hermine«. Goldmann, 16,50 Euro