Was macht diese Pandemie mit unseren
Sie leiten die Kinder- und Jugendpsychiatrie am Wiener AKH. Anfang des Jahres haben Sie gewarnt, die Kapazitätsgrenze Ihrer Abteilung sei bald erreicht. Wo stehen wir heute?
Paul Plener: Wir hatten tatsächlich im Jänner und Februar einen extrem hohen Druck an Akutaufnahmen und sind auch mit einer deutlichen Überbelegung beschäftigt gewesen. Seit Ende Februar, Anfang März sind wir nun wieder in einem Zustand, dass wir „normal voll“belegt sind, dass wir auch in der Lage sind, die entstandenen Wartelisten abzuarbeiten.
Wie erklären Sie sich das?
Eine simple Erklärung wäre, dass die Schulen geöffnet wurden und wieder eine Struktur in das Leben von Kindern und Jugendlichen gebracht haben. Zudem ist es zu Erleichterungen in anderen Bereichen gekommen, was etwa die sozialen Kontakte mit Gleichaltrigen betrifft. So wurden sportliche oder außerschulische Aktivitäten wieder ermöglicht.
Nun sind die Schulen im Osten Österreichs aber wieder im Fernunterricht, zumindest bis 16. April.
Auf der einen Seite muss man bei einer hohen Zahl an Neuinfektionen und zunehmend angespannten Lage auf den Intensivstationen Schritte setzen, die einschränkend sind. Aus einer medizinischen Sicht ist das nachvollziehbar. Auf der anderen Seite aber, aus der Sicht eines Kinder- und Jugendpsychiaters, hat man natürlich Sorge, dass es wieder zu einem Anstieg der psychischen Belastung bei Kindern und Jugendlichen kommt.
Was braucht es hier?
Es ist wesentlich, dass die Planbarkeit erhalten bleibt. Dass man kurze Zeiträume vorgibt und keine monatelangen Phasen des Distance-Learning entstehen lässt wie im vergangenen Jahr. Außerdem sollte man darauf achten, dass die angekündigte Dauer eingehalten und nicht immer wieder verlängert wird. Sonst entsteht bei Kindern ein Gefühl der Ohnmacht. Das ist belastend – und verstärkt sich, wenn sie keinen Horizont haben.
Diese Krise verlangt uns allen viel ab. Trifft sie die junge Generation am härtesten? Zumindest was die psychischen Belastungen
angeht, sehen wir, dass die Gruppe der 15- bis 25-Jährigen am deutlichsten belastet ist. Von vielen Einschränkungen sind hauptsächlich die Jungen betroffen. Wir haben über die geschlossenen Schulen gesprochen, aber es trifft auch die Lehrlinge in einer sehr kritischen Phase ihrer Ausbildung. Oder die Studierenden, die schon lang hauptsächlich im Distance-Learning-Modus sind, oder junge Leute, die in den Arbeitsmarkt einsteigen wollen.
Von einer deutlichen Zunahme psychischer Störungen spricht Kinder- und Jugendpsychiater
Um eine »verlorene Generation« handle es sich aber keinesfalls. Was sie belastet – und wie wir sie schützen können.
Sie warnen vor den psychosozialen Folgen, die diese Krise auf Kinder und Jugendliche hat. Um welche geht es da hauptsächlich? Wir sehen eine deutliche Zunahme im Bereich der Depressionen und Angststörungen. Schlafstörungen haben stark zugenommen und auch Essstörungen.
Gibt es auch Jugendliche, die – im Gegenteil – stärker aus dieser Krise gehen? Prinzipiell bietet jede Krise immer das Potenzial, dass wir, wenn wir sie gut meistern, das auch als etwas mitnehmen können, was uns für den Rest unseres Lebens Kompetenzen vermittelt. Wir sprechen in der Traumaforschung von „Post-traumatic growth“, von Wachstum nach traumatischen Erlebnissen, das auf jeden Fall auch hier möglich ist. Sobald wir in der
Krise nicht feststecken, sondern sie bewältigen, macht uns das stärker.