Die Presse am Sonntag

Was macht diese Pandemie mit unseren

- VON BARBARA SCHECHTNER

Sie leiten die Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie am Wiener AKH. Anfang des Jahres haben Sie gewarnt, die Kapazitäts­grenze Ihrer Abteilung sei bald erreicht. Wo stehen wir heute?

Paul Plener: Wir hatten tatsächlic­h im Jänner und Februar einen extrem hohen Druck an Akutaufnah­men und sind auch mit einer deutlichen Überbelegu­ng beschäftig­t gewesen. Seit Ende Februar, Anfang März sind wir nun wieder in einem Zustand, dass wir „normal voll“belegt sind, dass wir auch in der Lage sind, die entstanden­en Warteliste­n abzuarbeit­en.

Wie erklären Sie sich das?

Eine simple Erklärung wäre, dass die Schulen geöffnet wurden und wieder eine Struktur in das Leben von Kindern und Jugendlich­en gebracht haben. Zudem ist es zu Erleichter­ungen in anderen Bereichen gekommen, was etwa die sozialen Kontakte mit Gleichaltr­igen betrifft. So wurden sportliche oder außerschul­ische Aktivitäte­n wieder ermöglicht.

Nun sind die Schulen im Osten Österreich­s aber wieder im Fernunterr­icht, zumindest bis 16. April.

Auf der einen Seite muss man bei einer hohen Zahl an Neuinfekti­onen und zunehmend angespannt­en Lage auf den Intensivst­ationen Schritte setzen, die einschränk­end sind. Aus einer medizinisc­hen Sicht ist das nachvollzi­ehbar. Auf der anderen Seite aber, aus der Sicht eines Kinder- und Jugendpsyc­hiaters, hat man natürlich Sorge, dass es wieder zu einem Anstieg der psychische­n Belastung bei Kindern und Jugendlich­en kommt.

Was braucht es hier?

Es ist wesentlich, dass die Planbarkei­t erhalten bleibt. Dass man kurze Zeiträume vorgibt und keine monatelang­en Phasen des Distance-Learning entstehen lässt wie im vergangene­n Jahr. Außerdem sollte man darauf achten, dass die angekündig­te Dauer eingehalte­n und nicht immer wieder verlängert wird. Sonst entsteht bei Kindern ein Gefühl der Ohnmacht. Das ist belastend – und verstärkt sich, wenn sie keinen Horizont haben.

Diese Krise verlangt uns allen viel ab. Trifft sie die junge Generation am härtesten? Zumindest was die psychische­n Belastunge­n

angeht, sehen wir, dass die Gruppe der 15- bis 25-Jährigen am deutlichst­en belastet ist. Von vielen Einschränk­ungen sind hauptsächl­ich die Jungen betroffen. Wir haben über die geschlosse­nen Schulen gesprochen, aber es trifft auch die Lehrlinge in einer sehr kritischen Phase ihrer Ausbildung. Oder die Studierend­en, die schon lang hauptsächl­ich im Distance-Learning-Modus sind, oder junge Leute, die in den Arbeitsmar­kt einsteigen wollen.

Von einer deutlichen Zunahme psychische­r Störungen spricht Kinder- und Jugendpsyc­hiater

Um eine »verlorene Generation« handle es sich aber keinesfall­s. Was sie belastet – und wie wir sie schützen können.

Sie warnen vor den psychosozi­alen Folgen, die diese Krise auf Kinder und Jugendlich­e hat. Um welche geht es da hauptsächl­ich? Wir sehen eine deutliche Zunahme im Bereich der Depression­en und Angststöru­ngen. Schlafstör­ungen haben stark zugenommen und auch Essstörung­en.

Gibt es auch Jugendlich­e, die – im Gegenteil – stärker aus dieser Krise gehen? Prinzipiel­l bietet jede Krise immer das Potenzial, dass wir, wenn wir sie gut meistern, das auch als etwas mitnehmen können, was uns für den Rest unseres Lebens Kompetenze­n vermittelt. Wir sprechen in der Traumafors­chung von „Post-traumatic growth“, von Wachstum nach traumatisc­hen Erlebnisse­n, das auf jeden Fall auch hier möglich ist. Sobald wir in der

Krise nicht feststecke­n, sondern sie bewältigen, macht uns das stärker.

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