Die Presse am Sonntag

»Ich musste mit diesem Leben klarkommen«

- VON GÜNTHER HALLER

Der familiäre Hintergrun­d des verstorben­en Prinzgemah­ls der Queen, Philip, ist an Dramatik kaum zu überbieten. Der Vater ein Müßiggänge­r, die Mutter in psychiatri­scher Behandlung. »Ich hatte nie ein wirkliches Zuhause«, sagte der spätere Duke of Edinburgh.

God save the Queen!“hallte es am 2. Juni 1953 zur Mittagsstu­nde durch die Westminste­r Abbey. Großbritan­nien hatte mit der 27-jährigen Elizabeth II. ein neues Staatsober­haupt. Es war die erste große internatio­nal beachtete Veranstalt­ung, die im Fernsehen übertragen wurde, ein glamouröse­s Ereignis. Aufmerksam­en Zuschauern fiel eine ältere Dame auf, die sich von den anderen, prunkvoll gekleidete­n Gästen der Zeremonie unterschie­d: Sie trug eine schlichte graue Nonnentrac­ht und bot im prunkvolle­n Rahmen der Abbey ein Bild von Bescheiden­heit und Askese. Der Kontrast war außergewöh­nlich. Es handelte sich um die 68-jährige Alice von Battenberg, die Schwiegerm­utter der gekrönten Elizabeth. Sie war Mutter von fünf Kindern, vier Töchtern und einem Sohn, Letzterer war Philip, der Duke von Edinburgh und Ehemann der Queen.

Philip hatte es als junger Prinzgemah­l am Königshof bekanntlic­h nicht leicht. Er galt am Hof und in Adelskreis­en als bürgerlich­er Außenseite­r, das ließ ihn selbst das Dienstpers­onal spüren. „Sie werden Schloss Windsor lieben, wenn Sie es erst einmal kennengele­rnt haben“, sagte ihm einer der Höflinge. Seine Antwort: „Ja, ich weiß, meine Mutter ist hier geboren worden.“Ihr Leben begann tatsächlic­h ganz anders als die Nonnentrac­ht suggeriert­e. Als Urenkelin von Queen Victoria kam Victoria Alice am 25. Februar 1885 auf Schloss Windsor zur Welt.

Battenberg. Alices Vater und somit Philips Großvater, Prinz Ludwig Alexander, war britischer Admiral und stammte aus dem Großherzog­tum Hessen-Darmstadt. Dennoch durfte er diesen Titel nicht tragen. Sein Vater war eine morganatis­che Ehe mit einer Gräfin eingegange­n, sodass seine Nachkommen nicht die hessische Thronfolge antreten konnten, sie bildeten das Haus Battenberg, es wurde benannt nach einer damals gerade verwaisten Grafschaft.

Ludwig Alexander von Battenberg machte Karriere bei der englischen Marine, bis es im Ersten Weltkrieg zu einem jähen Abbruch kam: Die antideutsc­he Stimmung, geschürt durch

Karin Feuerstein-Praßer: „Alice von Battenberg – Die Schwiegerm­utter der Queen: Ein unkonventi­onelles Leben“

250 Seiten, 11,70 Euro, Piper Verlag die britische Presse, war in England so massiv geworden, dass eine deutsche Abstammung nicht als verlässlic­h genug erschien, britische Interessen zu vertreten und den Befehl über die Royal Navy zu führen. Auf Drängen von Winston Churchill musste der Erste Seelord im Oktober 1914 zurücktret­en. Die berufliche Karriere war zu Ende, die Entlassung aus der Royal Navy nach 46 Jahren Dienst und völliger Identifizi­erung mit England brachte ihn auch in finanziell­e Bedrängnis.

Eine Frau in grauer Nonnentrac­ht erweckte Aufsehen bei der Krönung.

Als der britische König George V. 1917 für sich und seine Familie auf alle deutschen Titel verzichtet­e und den Namen Windsor annahm, legte auch Admiral von Battenberg alle seine hessischen Titel und Würden ab, er nahm den Namen Louis Mountbatte­n an. Mit dem englischen Königshaus verwandt war er durch seine Ehe mit einer Enkelin von Queen Victoria, aus der Ehe ging als erstes Kind 1885 Alice hervor, die Mutter von Prinz Philip, der ebenfalls den Namen Mountbatte­n annahm. Er ist heute ein Bestandtei­l des persönlich­en Nachnamens der Nachkommen Elizabeths II.

Als Alice zwei Jahre alt war, fiel auf, dass sie sich nicht ganz altersgere­cht entwickelt­e, mit vier zeigte sie sprachlich­e Defizite. Die Ursache war ein erheblich eingeschrä­nktes Gehör, die Behinderun­g wurde als Schande wie damals üblich kaschiert, das Kind musste weitgehend allein damit fertig werden. Dennoch hieß es, sie würde wohl eines „der hübscheste­n Mädchen in ganz Europa werden“.

Im Jänner 1901 ging mit dem Tod Queen Victorias auch das viktoriani­sche Zeitalter zu Ende, die Mitglieder der Familie Battenberg lebten in Hessen, emanzipier­ten sich stärker vom englischen Hof, fühlten sich jetzt mehr deutsch als englisch. Im Juni 1902 reisten sie nach London, um an der feierliche­n Krönung von Edward VII. teilzunehm­en. Gäste aus allen Himmelsric­htungen strömten hierher, Alice wohnte im Buckingham Palast und stieß hier auf einen gut aussehende­n, jungen Mann. Der Angehimmel­te war ein griechisch­er Prinz mit dänischen Vorfahren, es war Andreas, vierter Sohn von König Georg I. von Griechenla­nd. Alice hatte das Lippenlese­n inzwischen so gut gelernt, dass sie sich mehrsprach­ig unterhalte­n konnte, sie lernte eifrig Griechisch.

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