Neun Monate und ein Virus
Für Schwangere ist die Coronapandemie mitunter besonders belastend. Das Virus schafft Unsicherheit und wirft viele neue Fragen auf: vom Risiko für werdende Mütter über die Impfung bis zur Geburt in Zeiten von Covid-19.
Ich bin mit Baby im Bauch doppelt und dreifach vorsichtig“, sagt Victoria S. „Ich gehöre sicher nicht zu den superängstlichen Menschen. Aber das Immunsystem arbeitet in der Schwangerschaft ja bekanntlich anders – und man ist eben auch für ein Kind verantwortlich. Das macht mir mehr Sorgen, als ich sonst hätte.“Die 33-Jährige bekommt im August ihr zweites Kind – und die Coronapandemie betrifft sie als werdende Mutter definitiv mehr, als wäre sie nicht schwanger.
Grundsätzlich ist eine Schwangerschaft für die meisten eine glückliche Zeit – auch in Zeiten von Corona. Gerade für werdende Mütter ist das Virus aber mitunter belastend. Es wirft viele Fragen auf, die man sich in normalen Zeiten nicht stellt, schafft viele Unsicherheiten: Wie soll man sich verhalten? Wie groß ist die Gefahr für eine selbst, für das Baby? Und was, wenn man sich kurz vor der Geburt infiziert?
„Schwangere sollen sich maximal schützen und alles tun, um keine Infektion mit Sars-CoV-2 zu bekommen“, sagt Barbara Maier. Sie leitet die gynäkologisch-geburtshilfliche Abteilung der Klinik Ottakring, wo die meisten coronapositiven Schwangeren aus Wien betreut werden. Abstand, Händewaschen und FFP2-Masken sind zentral. „Denn auch wenn viele schwangere Frauen nur leichte oder gar keine Symptome haben, kann die Erkrankung bei ihnen sehr schwer verlaufen.“
Während man am Anfang der Pandemie noch wenig darüber wusste, wie sich das Virus in der Schwangerschaft auswirkt, ist nach 14 Monaten einiges klarer – und die Erkenntnisse sind für werdende Mütter durchaus beunruhigend: Zwar erkranken die meisten, die sich infizieren, nur mild oder sogar symptomlos. „Es ist inzwischen aber auch klar, dass Schwangere ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf haben“, sagt Mirijam Hall, Ärztin in der Klinik Ottakring, die auch zu Schwangerschaft und Covid-19 publiziert.
Mehr als 100 schwangere Coronapatientinnen sind bisher in Ottakring stationär betreut worden. „Das Risiko, dass sie eine intensivmedizinische Betreuung benötigen, ist gegenüber dem Risiko vergleichbarer, nicht schwangerer Frauen mehrfach erhöht“, sagt Hall. Unter anderem bedeutet eine CovidErkrankung auch eine dreimal höhere Frühgeburtenrate: Teilweise müssen die Babys früher geholt werden, damit ihre Mütter behandelt werden können.
Partner soll dabei sein. Victoria S. vertraut darauf, dass in ihrer Schwangerschaft alles gut geht – auch, weil sie sich entsprechend verhält. Sie trifft in Innenräumen nur getestete Menschen („Das soll man ja auch so machen, aber es tut nicht jeder“). Draußen hat sie mehr Kontakte – allein schon wegen ihres eineinhalbjährigen Sohnes, beispielsweise auf dem Spielplatz. „Natürlich habe ich da gewisse Bedenken, aber das ist eben der Kompromiss.“
Was sie sehr hofft: dass ihr Lebensgefährte dabei sein darf, wenn das Baby zur Welt kommt. „Meine größte Sorge ist, dass der Vater nicht bei der Geburt dabei sein kann“, sagt sie. „Das wäre für mich wirklich schlimm. Würde das eintreten, würde ich das Kind wahrscheinlich gar nicht im Spital bekommen wollen, dann würde ich, glaube ich, alles über den Haufen werfen und das Kind zu Hause kriegen.“
Die Frage, ob sie ihr Kind womöglich ohne ihren Partner auf die Welt bringen müssen, war lang eine der großen Unsicherheiten für Schwangere – vor allem am Anfang der Pandemie, als sogar noch die Rede von Geburten mit Mundschutz war. Seit Sommer ist relativ klar, dass der Vater bei der Geburt dabei sein und Mutter und Kind im Rahmen der (eingeschränkten) Besuchsmöglichkeiten auch danach sehen kann (siehe Interview rechts). Wobei Corona auch hier alles umschmeißen kann. So geschehen bei Regina N.
Ihr erstes Trimester fiel in die Anfangszeit der Pandemie. „Obwohl man beim zweiten Kind entspannter sein sollte, war ich viel unsicherer. Die Informationslage war so dünn“, sagt Regina. Als die Geburt näher rückte, igelte sich die Familie ein. „Wir trafen andere nur im Freien mit Abstand und Maske, nahmen unseren Sohn aus dem Kindergarten.“In der Woche des Geburtstermins geschah es doch: Ihr Mann wurde krank, ließ sich testen – um zu
»Schwangere haben ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf.«
beweisen, dass es nur eine Erkältung ist. Doch der Test war positiv. „Es war der Schock schlechthin“, sagt sie.
Der nächste folgte im Krankenhaus: von Vorwürfen durch die Hebamme, bis zum Druck, die Geburt einzuleiten. Letztlich kam das Baby von selbst. Zwei Tage später ging es nach Hause – in Quarantäne. „Markus durfte unser Baby nur von Weitem mit FFP2Maske anschauen.“Erst nach Tagen berührte er seinen Sohn zum ersten Mal – kurz und desinfiziert. Eine weitere knappe Woche später sah er ihn erstmals ohne Maske an. „Es war eine harte Zeit, aber auch eine, die uns stark gemacht hat“, sagt Regina. Coronapositiv wurde sie bis heute nie.
Unsicherheit und Überforderung im Spital sind freilich auch in der Pandemie nicht der Regelfall. An und
für sich laufen Geburten normal ab, mit Sicherheitsmaßnahmen wie etwa FFP2-Maske für Personal und Vater und üblicherweise einem Covid-Test.
Auch im Umgang mit infizierten Frauen ist man inzwischen (je nach Spital) routinierter. In Wien werden Sars-CoV-2-positive Gebärende, wann immer möglich, in die Klinik Ottakring überstellt. Dort können sie, sofern es ihr Zustand erlaubt, auch vaginal gebären – wobei die Kaiserschnittrate deutlich erhöht ist, wie Gynäkologin Maier sagt: Wer etwa unter schwerer Atemnot leidet, kann die Strapazen einer natürlichen Geburt schwerlich durchstehen.
Bei einer solchen Geburt, die potenziell ein höchst ansteckendes Ereignis ist, trägt das Personal Schutzkleidung, die Gebärende aber keine Maske – das mussten Frauen in Ottakring auch zu Beginn der Pandemie nicht. Ist das Kind auf der Welt, darf es bei der Mutter bleiben, wenn diese das will: Stillen wird sogar empfohlen, weil erwartet wird, dass die Antikörper der Mutter das Baby schützen. Freilich mit strengsten Hygieneregeln: „Wenn sich Frauen an diese Maßnahmen halten – Händedesinfektion, FFP2-Maske – stecken sie ihr Kind normalerweise auch nicht an.“
Dass je nach Bundesland werdende Väter inzwischen teilweise gegen Corona geimpft sind, ist für viele Frauen angesichts der Lage eine Beruhigung. „Das ist schon eine Risikominimierung, die Gefahr, dass er das mit nach Hause bringt, ist jetzt noch ein bisschen kleiner“, sagt Stefanie Bramböck, die im Juli ihr zweites Kind zur Welt bringen wird. Das Thema Impfung beschäftigt aber auch sie selbst: Sie würde sich an und für sich schon gern impfen lassen.
Gleichzeitig ist aber die Unsicherheit groß: „Ich hätte schon die Möglichkeit gehabt, mich über die Arbeit impfen zu lassen, habe dann einen Rückzieher
gemacht – und mich dann doch geärgert“, sagt sie. Aber da ist eben doch die Sorge: Was macht die Impfung mit dem Baby im Bauch – was ist, wenn etwas passiert? „Dieses Hin und Her beschäftigt mich“, sagt Bramböck „Für mich ist es neu, dass man so ein wichtiges Thema quasi selbst entscheiden muss.“Tatsächlich ist die Frage nicht ganz einfach zu beantworten: Bisher ist noch keine Covid-Impfung für Schwangere zugelassen – aber möglich ist sie.
Es gibt derzeit keine Hinweise, dass eine Impfung Mutter oder Kind schadet, sagt der Impfexperte Herwig Kollaritsch. „Allein in den USA sind 30.000 Impfungen bei Schwangeren ohne Probleme verlaufen.“Bei Pfizer/Biontech läuft eine Studie. Trotzdem wird es noch dauern, bis eine offizielle Freigabe erfolgt – zuerst laut Kollaritsch wegen der US-Erfahrungen wohl für Pfizer und Moderna. Bis dahin muss man als Arzt abwägen, sagt der Experte: „Wo das Risiko der Infektion und Erkrankung jenes der Impfung übersteigt, wird man eher zur Impfung raten.“
Das könnte der Fall sein, wenn eine Schwangere gesundheitlich vorbelastet ist und/oder, wenn sie besonders exponiert ist – was freilich sehr vage ist: Ist ein Kindergartenkind bereits ein Risiko? Ein Mann mit Kundenkontakt? Oder erst ein Job im Gesundheitsbereich? Die nächste Frage ist, wann es überhaupt einen Impftermin gäbe: Denn priorisiert wird man wegen der Schwangerschaft nicht – laut Kollaritsch eben wegen der fehlenden Zulassung. Ärztin Hall plädiert daher dafür, Schwangere als Risikogruppe einzustufen: So würde auch der Zugang zur Impfung erleichtert.
Bisher ist noch keine Impfung für Schwangere zugelassen – aber möglich ist sie.
Nicht zu Tode fürchten. Sicher ist Stefanie Bramböck, dass sie sich bald nach der Entbindung impfen lassen will. Bis dahin wird sie weiter alle Maßnahmen einhalten: Sie arbeitet im Home-Office, trifft sich nur mit getesteten Menschen, testet ihren Dreijährigen zu Hause und trägt FFP2-Maske. „Aber ich verschanze mich auch nicht zu Hause. Zu Tode gefürchtet will ich diese Schwangerschaft auch nicht erleben.“
Leiterin der gynäkologischgeburtshilflichen Abteilung an der Klinik Ottakring