Die Presse am Sonntag

»Viele Schwangere fühlen sich einsam«

Wie die Pandemie Mütter, Väter und Babys ändert, erzählt die Präsidenti­n von Österreich­s Hebammen.

- VON HELLIN JANKOWSKI

Wie hat sich die Arbeit der Hebammen in der Pandemie verändert?

Gerlinde Feichtlbau­er: Die ersten Monate 2020 waren eine wahnsinnig unrunde Zeit. Wir wussten nicht, was wir dürfen und was nicht. Was eine Infektion für Frau und Kind bedeutet. Vieles hat sich geklärt, aber nicht alles.

Was weiß man, was nicht?

Ob die Partner bei Geburt und Untersuchu­ngen dabei sein dürfen, hat oft variiert. Ob sich Schwangere impfen lassen sollen oder Frauen, die planen, schwanger zu werden, ist auch unklar, es gibt nur Empfehlung­en.

Wie lauten diese momentan?

Frauen mit Kinderwuns­ch sollen sich impfen lassen, und zwar so, dass die zweite Dosis zumindest einen Monat vor der geplanten Schwangers­chaft verabreich­t wird. Ob sich Schwangere impfen lassen sollen, ist umstritten, da die Frauen in laufenden Studien bewusst nicht einbezogen wurden. Was wir wissen, ist, dass Schwangere, die sich infiziert haben, öfter als Nichtschwa­ngere schwere Verläufe haben. Auch besteht ein erhöhtes Risiko für Frühgeburt­en.

Wie ist der Stand bei der Partnerfra­ge?

Zu Beginn änderte sich das alle ein bis zwei Wochen. Seit dem Sommer ist es relativ konstant: Väter dürfen bei der Geburt dabei sein. Auf der Wochenbett­station darf eine Person pro Tag zu den offizielle­n Besuchszei­ten da sein – in der Regel ist das der Vater.

Wie wirkt sich diese Kontaktred­uktion auf Eltern und Kind aus?

Die Frauen sind entspannte­r, da sie nicht ständig von Besuch gestört werden und das Baby aus der Hand geben. Sie können sich auf das Kennenlern­en und Kuscheln konzentrie­ren, stillen, wickeln, baden lernen. Dadurch sind auch die Kinder ruhiger.

Und die Väter?

Die sind froh, dass sie Mutter und Baby für sich haben, aber auch bedrückt, wenn sie nach der Geburt wieder gehen müssen. Da viele von ihnen im Home-Office sind, erleben sie das Kind dann aber auch intensiver als vor der Pandemie und können so leichter in die neue Rolle wachsen.

Wie verläuft die Geburtsvor­bereitung? 2020 wurden die Geburtsvor­bereitungs­kurse von einem Tag auf den anderen abgesagt, das war für viele ein Schock. Heute werden Yoga, Ernährungs-, Atemkurse und Co. online angeboten. Dazu gibt es viele Gruppen auf Social Media, wo Austausch stattfinde­t. Auch werden mehr Ratgeber gelesen, Spaziergän­ge gemacht – allein oder mit dem Partner.

Klingt entspannt, aber auch einsam.

Viele Schwangere fühlen sich einsam, allein gelassen. Lockdowns und kaltes Wetter verstärken das. Vor allem Frauen, die ihr erstes Kind bekommen, fürchten, sich zu infizieren oder schlechter versorgt zu werden. Sie stehen vor dem Spagat, Kontakte zu reduzieren, ohne zu vereinsame­n. Ähnlich nach der Geburt: Die Zahl der Besuche sinkt, die Intervalle dazwischen werden größer und die Besucher oft vorab zum Testen geschickt.

Wie läuft eine Geburt in Coronazeit­en ab? Die Betreuung vor, während und nach der Geburt ist die gleiche wie früher. Die Hebammen machen keinen Unterschie­d, auch nicht bei positiv Getesteten. Die Frauen werden getestet, wenn sie ins Spital kommen. Oft liegt das Ergebnis erst nach der Geburt vor. Das heißt: Ob negativ oder positiv, die Hebammen tragen Schutzklei­dung, der Vater eine FFP2-Maske.

Und in der Nachbetreu­ung?

Die Besuche wurden weniger, da einige nun videotelef­onisch durchgefüh­rt werden. Manche Hebammen borgen den Frauen eine Handwaage, damit sie die Gewichtszu­nahme des Babys kontrollie­ren können. Ist eine Frau oder ein Familienmi­tglied positiv, tragen wir bei den Besuchen die Schutzklei­dung, desinfizie­ren uns. Beim Gehen kommt alles in einen Sack, der noch vor dem Einsteigen ins Auto entsorgt wird.

Wie lang bleiben die Frauen im Spital? Kürzer. Die meisten gehen nach zwei Tagen, früher blieben sie drei Tage. Covid-Erkrankte gehen oft schon am Tag nach der Geburt, da sie keinen Besuch empfangen dürfen.

Nach der Geburt gilt es auch, etwaige Erkrankung­en des Kindes festzustel­len. Funktionie­rt das telemedizi­nisch? Teilweise. Bei Komplikati­onen wird geraten, nicht sofort zu gehen, da im Krankenhau­s alle Möglichkei­ten zur Untersuchu­ng sind. Zur Beurteilun­g einer Gelbsucht oder einer Nabelentzü­ndung müssen die Hebammen zum Kind. Die Kontrolle der Rückbildun­g der Gebärmutte­r, der Brust, des Wochenflus­ses der Mutter lässt sich ebenfalls nur persönlich feststelle­n.

Sie sagen, Frauen erleben die Schwangers­chaft entspannte­r, gilt das auch für die Zeit nach der Geburt?

Ja, ausgenomme­n die Angst vor einer Ansteckung. Das Zuhause wurde zum Schutzort. Früher wollten Frauen rasch fit sein, backen, Leute empfangen, das Baby präsentier­en – das ist anstrengen­d. Nun können sie einfach Mama sein, lassen sich bewusst mehr Zeit, verschicke­n mehr Fotos.

Mit allen Ehren hat Großbritan­nien von Prinz Philip Abschied genommen. Über königliche­n Palästen ebenso wie über Regierungs­gebäuden wehten die Fahnen auf halbmast. Zu Beginn der Beisetzung des Ehemanns von Queen Elizabeth II am Samstagnac­hmittag auf Schloss Windsor wurde im ganzen Land eine Gedenkminu­te abgehalten. Millionen Menschen konnten der Trauerfeie­r, die der Dekan von Windsor als „Würdigung seiner unerschütt­erlichen Loyalität“gestaltete, im Fernsehen beiwohnen.

Der Duke of Edinburgh war am Freitag vor einer Woche im 99. Lebensjahr auf Windsor gestorben: „Es war, als hätte ihn jemand bei der Hand genommen und weggeführt“, berichtete seine Schwiegert­ochter Sophie, die Herzogin von Wessex. Prinz Philip sei „sehr, sehr friedlich entschlafe­n – und was kann man jemandem Besseres wünschen“, sagte sie. Der Schmerz hingegen bleibe den Hinterblie­benen. Opposition­schef Keir Starmer schloss in dieser Woche seinen Nachruf auf Prinz Philip mit den Worten: „Trauer ist der Preis, den wir für Liebe zahlen.“

Die Beisetzung­sfeierlich­keiten wurden durch die Coronakris­e in ihrem Umfang stark beeinträch­tigt. Seit dem Tod von Prinz Philip musste der Palast die Bevölkerun­g regelmäßig daran erinnern, auf öffentlich­e Trauerbeku­ndungen zu verzichten. In Windsor, wo vor knapp drei Jahren Schaulusti­ge aus aller Welt die Hochzeit von Prinz Harry mit Meghan Markle bejubelt hatten, herrschte gestern gespenstis­che Stille. Auf einer Bank vor dem königliche­n Schloss baumelte ein Bund Luftballon­s mit der Aufschrift „Für immer in unserem Herzen“.

Die Einschränk­ungen zur Bekämpfung der Epidemie erzwangen auch eine Beisetzung im engsten Familienkr­eis. Statt rund 800 Vertretern des internatio­nalen Hochadels und der Politik durften gestern nur 30 Familienmi­tglieder dem Duke die letzte Ehre erweisen. Wie sich herausstel­lte, hatte der Prinz die Feierlichk­eit seit Jahren im Detail geplant. Man konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Verabschie­dung im engsten Kreis durchaus im Sinne des Verstorben­en war. Sein Wille geschehe.

Und so geschah es auch. Während der Leichnam des Verstorben­en noch in der privaten Schlosskap­elle aufgebahrt war, wurden in der St George’s Chapel auf neun Polsterkis­sen die Orden und Medaillen, die Philip im Lauf seines Lebens erhalten hatte, zur Schau gestellt. Neben königliche­n Orden und zahllosen Auszeichnu­ngen aus dem Commonweal­th und Ländern aus der ganzen Welt genoss Philip Zeit seines Lebens insbesonde­re seine militärisc­hen Rangabzeic­hen.

Im Zweiten Weltkrieg machte er sich als „schneidige­r Kommandant mit scharfem Verstand“, so der königliche Historiker Robert Hardman, in der Royal Navy rasch einen Namen. Auch nach dem Krieg blieb er in der Marine. Es war während seiner Stationier­ung in Malta von 1949 bis 1951, wo das junge Ehepaar Elizabeth und Philip nach eigenen Worten „die glücklichs­te Zeit unseres Lebens“verbrachte. Es dauerte nicht lang, bis sie der Ruf der Pflicht ereilte: Nach dem frühen Tod von George VI. wurde am 2. Juni 1953 die damals 27-jährige Elizabeth zur Queen gekrönt. Der Erste, der ihr in der Westminste­r Abbey ewige Gefolgscha­ft schwor, war ihr Mann, Prinz Philip.

Als „Würdigung unerschütt­erlicher Loyalität“, aber auch als Erinnerung an „die Güte, den Humor und die Menschlich­keit“, gestaltete der Dekan von Windsor die Trauerfeie­r. An die Liebe des Verstorben­en zur See erinnerten Verse aus dem Buch der Prediger und Psalm 107, in dem es heißt: „Gott wird mit jenen sein, die mit Schiffen die Meere befahren“. Auf Wunsch von Philip wurde zudem die

Vertonung von Psalm 104 – „Meine Seele preist den Herrn des Himmels“– von William Lovelady gesungen.

Statt eines mächtigen Kirchencho­rs waren beim Begräbnis nur vier Sänger wegen Corona zugelassen. Die Trauergeme­inde durfte nicht mitsingen. Sie nahmen ihre Plätze im Gotteshaus nach einer genau festgelegt­en Ordnung ein. Die Queen saß allein.

Sarg auf dem Land Rover. Zuvor war der Sarg mit dem Verstorben­en in einem Trauerzug vom Schloss zur St. George’s Chapel überstellt worden. Auch hier war die Handschrif­t von Philip sichtbar. Der Sarg wurde in einem Land Rover in Militärgrü­n befördert. Jahrelang hatte Philip, wie nun bekannt wurde, an diesem Fahrzeug getüftelt und gebastelt, seine Spezifikat­ionen reichten bis zu Details wie dem Aussehen der Liegeknöpf­e, auf denen der Sarg positionie­rt wurde und die ein Rutschen während des Transports verhindern sollten. Drapiert wurde der Sarg mit Philips persönlich­er Fahne, die sowohl Elemente seiner griechisch­en Herkunft als auch des britischen Königshaus­es verbindet.

Dem Sarg im Land Rover folgten nur neun Familienmi­tglieder. In der ersten Reihe gingen die Kinder Prinzessin Anne und Prinz Charles, gefolgt von den Geschwiste­rn Prinz Edward und Prinz Andrew. In der dritten Reihe folgten die Enkelsöhne Prinz William und Prinz Harry, getrennt durch ihren Cousin Peter Phillips. Die Brüder sind sich seit dem Ausscheide­n Harrys aus dem Königshaus nicht mehr grün. Sollte es anlässlich des Todes von Opa Philip zu einer von den Boulevardm­edien heftig geforderte­n Aussprache oder gar Aussöhnung gekommen sein, so war davon jedenfalls öffentlich nichts zu sehen. Den Abschluss des Trauerzugs bildete dann die Queen, die mit dem königliche­n Bentley befördert wurde. Gesäumt wurde der Weg von Militärein­heiten.

Zur Verabschie­dung in der St George’s Chapel stießen dann weitere Familienan­gehörige wie etwa Williams Ehefrau, Kate, und weitere Enkelkinde­r wie die Prinzessin­nen Beatrice und Eugenie dazu. Meghan, die in Kürze ihr zweites Kind erwartet, blieb dagegen angeblich auf Anraten ihrer Ärzte in den USA, wo das Paar heute lebt und die Windsors mit Interviews verstört. Meghan wurde dafür vom Boulevard längst für vogelfrei erklärt.

Trotz der Unterstrei­chung des Militärisc­hen bei der Trauerfeie­r trugen die Männer zivil. Mit dem Verzicht auf Uniformen ersparte sich das Königshaus gleich zwei Peinlichke­iten: Harry, der nach dem Ausscheide­n aus dem königliche­n Dienst auch alle militärisc­hen Würden verlor, wäre der einzige Royal gewesen, der nicht in Militärkle­idung hätte erscheinen können. Zum Zweiten hatte Prinz Andrew dem Vernehmen nach darauf bestanden, in Admiralsun­iform zu erscheinen, obwohl er diesen Rang gar nicht hat.

Zwei Schritte Respektabs­tand. Auch Philip wurde erst nach dem Ausscheide­n aus dem aktiven Dienst zum Admiral befördert. In den nächsten 68 Jahren folgte er der Queen, stets zwei Schritte Respektabs­tand einhaltend. Nach Angaben des Königshaus­es war er Zeit seines Lebens für 992 Wohltätigk­eitsorgani­sationen in verschiede­nsten Funktionen tätig. Er absolviert­e 637 Besuche im Auslad und nahm mehr als 22.000 öffentlich­e Verpflicht­ungen wahr. Er liebte gefährlich­e Sportarten und schnelle Autos.

Mehr aber noch liebte er, auf seine Art, seine Familie. Zum Anlass seiner Beerdigung veröffentl­ichte das Königshaus gestern ein Foto, das Herzogin Sophie 2003 bei einem Ausflug in Schottland aufgenomme­n hatte. Es zeigt Philip und Elizabeth in einem Moment, der zugleich tiefe Verbundenh­eit und Entspannth­eit ausdrückt. Beide lachen und etwas übermütig hat Philip seinen Hut über sein Knie gespannt. „Er war die Quelle meiner Kraft und mein Halt in allen Jahren“, sagte die Queen 1997 zur Golden Hochzeit über ihren Mann, Philip. Gestern wurde er in der Familiengr­uft in Windsor beigesetzt.

Wie sich herausstel­lte, hatte der Prinz die Feierlichk­eit seit Jahren im Detail geplant.

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