»Roman ist an einem schrecklichen Ort«
Der belarussische Oppositionelle Franak Viaˇcorka über den entführten Mitstreiter Protassewitsch.
Was für ein Mensch und Journalist ist Roman Protassewitsch, und welche Rolle spielte er in der Opposition in Belarus? Franak Viaˇcorka: Roman war ein Paradebeispiel für Revolutionäre im digitalen Zeitalter. Er nutzte alle Möglichkeiten der neuen Medien für seine Arbeit. Ich lernte Roman vor zehn Jahren bei Demonstrationen kennen. Er marschierte immer ganz weit vorn. Schließlich fing er an, Fotos von den Protesten zu schießen, und kommentierte sie auf seinem Blog. Wir arbeiteten später als Journalisten für die gleichen regierungskritischen Medien. Egal, was er tat, Roman war immer mutig und voller Ideen. Damit hat er besonders andere junge Menschen inspiriert.
Haben Sie nähere Informationen, wie es Protassewitsch geht?
Wir wissen nicht genau, was mit Roman passiert ist. Es scheint klar, dass er verhört wurde und im Gefängnis ist. Das ist in Belarus ein schrecklicher Ort. Roman sah schlecht aus auf dem Video, das von ihm im Staatsfernsehen von Belarus gezeigt wurde. Es lassen sich Spuren von Schlägen erkennen auf diesen Bildern. Seine Freundin, Sofia Sapega, war mit ihm in der RyanairMaschine, die zum Landen gezwungen wurde. Sie wurde in das berüchtigte Okrestina-Gefängnis gebracht. Wir versuchen nun, mit beiden über Anwälte Kontakt aufzunehmen.
War die erzwungene Landung in Minsk für Sie eine Überraschung?
Für alle in der Exil-Opposition ist das ein furchtbarer Schock. Lukaschenko verhält sich nun wie ein unberechenbarer General aus dem Kalten Krieg. Es gibt bei der Aktion zwei Adressaten. Zum einen sollten die Europäer erkennen, wie egal es Lukaschenko ist, was sie denken. Zum anderen wollte er Russland zeigen, dass er als starker Mann sogar den Himmel über Belarus unter Kontrolle hat. Dennoch sehe ich keine Strategie hinter seinem Handeln. Es erscheint mir als weiterer Beweis dafür, dass Lukaschenko aus dem Bauch heraus entscheidet, ohne die Folgen einzukalkulieren. Dafür wird er jetzt einen hohen Preis bezahlen.
Die EU hat nun ihren Luftraum für belarussische
Franak Viaˇcorka (33) arbeitete mit dem festgenommenen Roman Protassewitsch für regimekritische Medien in Belarus. Er engagierte sich für freie Wahlen und organisierte Demos. Mehrfach war er deshalb in Haft. Im vergangenen Jahr ging er ins Exil nach Litauen. Dort ist er heute Berater der ebenfalls 2020 nach Litauen geflohenen belarussischen Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Flugzeuge gesperrt. Reicht das aus? Die EU muss Strafen verhängen für alle in Lukaschenkos Apparat, die nicht nur Roman entführt, sondern auch andere Journalisten oder Dissidenten unterdrückt haben. Das muss auch für Richter und Staatsanwälte gelten, die sich an der Repression beteiligen. Ein Aktivist starb vor einigen Tagen hinter Gittern angeblich an einem Herzinfarkt. Auch da muss es Druck geben, damit der Vorfall untersucht wird. Eine mangelnde Reaktion der EU in den vergangenen Jahren in Belarus ein Gefühl der Straflosigkeit befördert hat. Das führt uns jetzt in diese Lage, in der Lukaschenko zu wahnsinnigen Mitteln greift.
Werden Sie noch ein Flugzeug besteigen, das den Luftraum von Belarus durchquert? Sicherlich nicht. Wir werden in Zukunft sehr vorsichtig sein müssen. Ich denke dabei nicht nur an Swetlana Tichanowskaja selbst, sondern an alle, die wie ich in ihrem Stab arbeiten. Wir wissen, dass Lukaschenkos Regierung und sein ganzer Sicherheitsapparat in diesem Moment gegen uns arbeiten.