Süße Früchte mit Verspätung
Die Radl-Töchter Gerlinde (links) und Gudrun in einem der Erdbeerfelder in Wien Donaustadt. Die Chefs, Manfred und Birgit Radl, haben für ein Foto keine Zeit: zu viel zu tun kurz vor dem großen Erntestart. Und wenn es brennt, muss sowieso die ganze Familie her. flott. Wenn die Sonne einmal heraußen ist, dann schieben die wirklich an.“
Angefangen haben die Radls natürlich nicht mit mehreren Hunderttausend Erdbeerpflanzen. Im Jahr 1984 startete Manfred Radl hinter dem Bauernhof in Hirschstetten versuchsweise mit einem kleinen Flecken und einem Erdbeerstand. Der damalige Junior, der auf der Universität für Bodenkultur studierte – immer nur im Winter, im Sommer war zu Hause zu viel Arbeit –, war überzeugt davon, dass es eine Spezialisierung braucht, um als Landwirt langfristig überleben zu können. „Und die Erdbeeren waren immer schon seine Leidenschaft – auch deshalb, weil er sie einfach gern isst“, sagt seine Frau, Birgit, die 1989 dazukam.
Die landwirtschaftliche Tradition der Familie ist lang: Um 1840 zogen die Radls aus dem Marchfeld nach Hirschstetten, wo ihr Hof noch heute steht. Ursprünglich war dieser ein klassischer Mischbetrieb, mit Vieh, Getreide, Gemüse und mehr. „Mein Mann hat als Fünfjähriger noch das Pferd miterlebt und die Kühe“, sagt Birgit Radl. „Dann ist die Stadt gewachsen, und sie haben die Viehwirtschaft aufgegeben.“Der Schwiegervater baute unter anderem Getreide, Zuckerrüben und Gemüse an. Bis der junge Manfred Radl irgendwann mit seinen Erdbeeren anfing.
Streng biologisch. Die Erdbeeren sind heute das Hauptgeschäft der Radls – Gemüseanbau sowie Gemüseparzellen zur Selbsternte betreibt als eigenen Betrieb Sohn Manfred junior, um den Bioladen auf dem Bauernhof kümmert sich Tochter Gudrun, die wie ihre Schwester Gerlinde natürlich auch bei den Erdbeeren mithilft, wenn es brennt. Das heißt aber längst nicht, dass nur Erdbeeren produziert werden. Denn die erfordern einiges an Organisation – vor allem, wenn man sie, wie die Radls, seit 1996 streng biologisch hegt und dabei nicht einmal jene Düngemittel und Spritzmittel verwendet, die auch für den Bio-Landbau zugelassen sind.
„Das ist unser oberstes Prinzip“, sagt Birgit Radl. „Es läuft alles über Fruchtfolge: Unsere Erdbeeren stehen daher immer nur zwei Jahre am selben Platz, und dann wachsen dort 14 Jahre lang keine.“Auf die stark zehren
Ursprünglich war der Hof in Hirschstetten ein klassischer Mischbetrieb, inklusive Vieh.
den Pflanzen, deren Standort man übrigens auch zu Hause nach ein paar Jahren wechseln sollte – folgen Getreide, Zuckerrübe, Kürbis oder Sonnenblumen. Dann gibt man dem Feld ein paar Jahre, in denen man nur Luzerne anbaut, als Gründüngung, um den Boden auf natürliche Art und Weise mit Stickstoff zu versorgen. „Darum haben wir jetzt eine große Landwirtschaft mit 200 Hektar, damit wir immer schön wechseln können“, sagt Birgit Radl.
Streng biologische Produktion bedeutet natürlich auch, dass manchmal die Natur zuschlägt. „Wenn wir einen Schädling drinnen haben, haben wir ihn halt drinnen“, sagt Radl. Die betroffenen Felder werden dann gar nicht abgeerntet, sondern umgeackert. Um zu verhindern, dass Schädlinge auf die gesamte Ernte überspringen, stehen die Erdbeeren auch an nicht direkt nebeneinander gelegenen Orten. „Dann hat man halt auf einem Feld einmal null Ertrag, aber das muss ein Betrieb aushalten können.“Ob man da jemals in Versuchung kommt, doch etwas zu spritzen? „Um Gottes willen nein, absolut nicht“, sagt Birgit Radl. „Das ist einfach eine Lebenseinstellung.“
Sechs Wochen Ernte. Sie hofft jedenfalls, dass heuer alles gut ist – und darauf, dass sich das Wetter beruhigt. „20 bis 25 Grad mit leichtem Wind und Sonnenschein, das wäre das optimale Wetter, so hätten wir es gern.“Üblicherweise dauert die Erntezeit sechs Wochen, geplant ist derzeit bis zum 4. Juli. Beschäftigt sind damit rund 40 Erntehelfer, um deren Wohl man sich bei den Radls auch ordentlich kümmert. „Teilweise sind es seit 15, 20 Jahren die gleichen, da bin ich auch sehr dankbar, weil was täte ich ohne meine Erntehelfer: Erdbeerpflücken ist keine leichte Arbeit.“Ende kommender Woche startet dann auch die Selbsternte.
Auf ihren Feldern bauen die Radls zwei Hauptsorten an: Elsanta, eine robuste, aromatische Erdbeere. Und Clery, die sich wegen ihrer intensiv roten Farbe unter anderem besser für Marmelade eignet. Für Balkon und Hausgarten empfiehlt Birgit Radl übrigens die an Walderdbeeren erinnernde Mieze Schindler, die für den Anbau im großen Stil zu weich ist. Und Monatserdbeeren, die häufiger Früchte tragen. Sie selbst isst nach mehr als 30 Jahren übrigens nicht mehr so viele Erdbeeren. „In der ganzen Saison sind es vielleicht zwei Kilo“, sagt sie und lacht wieder. „Aber mein Mann, der isst immer noch jeden Tag zweieinhalb Kilo.“Vielleicht nicht ganz, aber: viel jedenfalls.