»Für uns ist die Krise noch lang nicht vorbei«
Die »Presse am Sonntag« begleitet sechs Unternehmer seit dem Ausbruch von Covid-19 durch die Wirtschaftskrise. Jetzt zeichnet sich ein Ende der Pandemie ab, Gastronomie, Hotels und Geschäfte haben wieder offen. Aber eine Rückkehr zur Normalität ist es nicht.
Alles wieder gut? Die Hotels haben offen, die Gäste kommen wieder, manche Unterkünfte waren zu Pfingsten bereits ausgebucht. Weniger vielleicht, weil die Menschen Ausflüge machen wollten – das verhinderte in weiten Teilen Österreichs das schlechte Wetter –, sondern mehr, weil die Gäste einfach wieder einmal Gäste sein wollten. Nach Monaten zu Hause endlich wieder einmal raus aus den eigenen vier Wänden, irgendwohin und sich wieder als Gast fühlen.
„Ich freue mich für die Kollegen, dass es bei ihnen so gut läuft“, sagt Dimitrij Simulevski. Bei ihm selbst läuft es weniger gut. Der 50-Jährige besitzt gemeinsam mit seinem Bruder Erik das Hotel Lucia in der Hütteldorfer Straße in Wien. „Stadthotellerie und Ferienhotellerie sind zwei völlig unterschiedliche Dinge mit völlig unterschiedlichen Gästeschichten.“Und das bedeutet: „Für uns ist die Krise noch lang nicht vorbei.“
Als beispielsweise im Sommer vergangenen Jahres die Unterkünfte rund um den Wörthersee ausgebucht waren, blieben viele der 53 Zimmer des Hotels Lucia leer. „Österreicher machen nicht Urlaub in der Stadt“, erklärt Simulevski. „Städtetourismus ist international.“Und die internationalen Touristen werden wohl noch einige Zeit ausbleiben. Manche Experten glauben, dass erst 2023 der Tourismus wieder das Niveau von Vor-Corona-Zeiten erreichen wird.
„Uns geht der internationale Flugverkehr massiv ab“, erklärt der Hotelier. Die Abschottungsmaßnahmen, die es in Asien und in den USA gebe, seien insgesamt für den europäischen Tourismus katastrophal. „Wir hatten früher viele japanische und koreanische Gäste, teilweise auch manche aus Indien und Australien. Diese Märkte gibt es derzeit nicht, und es wird sie auch noch längere Zeit nicht geben. Und das ist für uns verheerend.“
Hilfe für Stadthotels. Während manche Hotels an den Seen und in den Bergen Österreichs von einer aktuell guten und für die Sommermonate gar ausgezeichneten Buchungslage schwärmen, sieht es im Hotel Lucia anders aus. „Die Buchungen für die nächsten drei Wochen ergeben bei uns eine Auslastung von vielleicht fünf bis zehn Prozent.“Wie lang wird man das finanziell stemmen können? Noch erhält Simulevski staatliche Hilfe. Einen Zuschuss zu den monatlichen Fixkosten des Hotels und einen Ausfallersatz. Aber diese Hilfe gibt es nur bis Ende Juni. „Wie es danach weitergeht – ich weiß es nicht.“
Die Politik hat einst über ein spezielles Hilfspaket für die Stadthotellerie diskutiert. „So etwas würden wir auf jeden Fall brauchen“, meint Simulevski. Eine Verlängerung des Fixkostenzuschusses etwa, der sich nach der Höhe des Umsatzes richtet, und eine Verlängerung der Kurzarbeit. „Die Hotels in den Städten benötigen staatliche Unterstützung, bis der Tourismus wieder funktioniert. Sonst gibt es eine große Pleitewelle.“
Von den einst 14 Mitarbeitern des Hotels Lucia gibt es aktuell noch fünf, von denen einige noch in Kurzarbeit sind. „Wir suchen derzeit wieder Angestellte.“Aktuell zwei Zimmermädchen, später vielleicht auch wieder Rezeptionisten. In den vergangenen Monaten haben sich Dimitrij und Erik Simulevski die Tages- und Nachtdienste aufgeteilt, wenn man das Hotel für die wenigen Geschäftsreisenden offen ließ. Mittelfristig sollen wieder elf Angestellte im Hotel arbeiten.
Das Hotel Lucia gibt es seit dem 15. März 2000. Als man 20 Jahre feiern wollte – im März 2020 – kam der erste Lockdown. Jetzt hat – je nach Rechenart – der zweite oder dritte geendet.
Die Familie Simulevski hat das Haus in der Hütteldorfer Straße 1998 gekauft und anfangs selbst umgebaut. Zwei Jahre später eröffnete man das Hotel mit zuerst 14 Gästezimmern, später übernahm man nach und nach Zimmer im Nachbarhaus. Mittlerweile bietet man 53 Zimmer. „Es stecken viel Schweiß und viel Herzblut in dem Hotel“, sagt Dimitrij Simulevski.
Krise? Welche Krise? Auch als der erste Lockdown im März 2020 Österreich lahmlegte, war KTM-Eigentümer Stefan Pierer zuversichtlich. „Ich bin nicht verzagt“, meinte er damals im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Sein Optimismus wurde belohnt: Der Zweiradsektor boomt. Weil die Menschen öffentliche Verkehrsmittel aus Sorge vor Ansteckung meiden und nicht alle mit dem Auto in die Arbeit pendeln können, kaufen viele Fahrräder oder Motorräder. Nach einem Rekordjahr 2020 hat die Pierer Mobility AG (KTM und Husqvarna) auch heuer wieder massiv zugelegt. Angetrieben durch eine hohe globale Nachfrage stieg der Umsatz im ersten Quartal im Vergleich zur Vorjahresperiode um 82 Prozent auf 509 Mio. Euro.
„Wir fahren auf 100 Prozent Auslastung“, erzählt Pierer, Mehrheitseigentümer der AG. „Mehr können wir nicht mehr produzieren.“Kürzlich stellte er elektrifizierte Husqvarna-Motorräder vor. Die Roller, die einem Verbrenner mit 50 bis 125 cm3 entsprechen, werden in naher Zukunft die städtische Mobilität bestimmen, glaubt Pierer. „Flott, leise, keine Abgase und kein Parkplatzproblem.“
Eine der Folgen der Coronapandemie spürt man bei KTM aber auch: Die Logistik sei völlig durcheinander, in Asien fehlten beispielsweise die Container. Das führe zu Lieferproblemen und einer starken Verteuerung der Logistikosten, klagt Pierer. „Das ist derzeit das größte Problem für uns. Noch können wir ohne Unterbrechungen produzieren, aber es ist jeden Tag eine Herausforderung.“
Besitzer des Hotels Lucia
Unternehmensberaterin, Mediatorin in Salzburg
Für die Unternehmensberaterin, Mediatorin und Supervisorin Christine Seemann geht eine lange Durststrecke dem Ende zu. Ihre Einzelberatungen konnte sie zum Teil zwar trotz pandemiebedingter Restriktionen weiter durchführen, oft eben virtuell. Aber die finanziell einträglichen, oft mehrtätigen Seminare fielen aus. Jetzt läuft der Normalbetrieb wieder an: „Seit ein bis zwei Wochen vergeht kein Tag ohne neuen Auftrag.“
Um in der Krise finanziell über die Runden zu kommen, löste sie ihre Lebensversicherung auf. Dank Staatshilfen wie dem Fixkostenzuschuss, dem Ausfallbonus und dem Härtefallfonds kam sie unter dem Strich einigermaßen gut durch. Zumal Seemann, wie sie sagt, privat niedrige Fixkosten und keine teuren Hobbys hat. Durch die Krise getragen hat sie ihr Optimismus.
Aktuell würden sich die Anfragen für Moderationen von Teamklausuren häufen. Die Pandemie hat in der Arbeitswelt einiges durcheinandergewirbelt, viele Teams haben ein Jahr lang in getrennten Anwesenheitsschichten gearbeitet. „Nach Home-Office und Zoom-Meetings treffen sie nun erstmals wieder live aufeinander.“Die Fragen, Spannungen und Konflikte moderierend zu begleiten, das ist Seemanns Geschäft. Und ab Juli laufen auch die mehrtägigen Fortbildungen in Seminarhäusern wieder an. Die Krise habe sie zwar gebeutelt. „Aber nun wurde ich mit neuer Kraft, neuen Ideen und neuen Aufträgen beschenkt.“