Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Wie groß war die Hoffnung, als Österreich 2016 als Gruppensie­ger der Qualifikat­ion zur EM nach Frankreich gefahren ist? Und wie groß war die nationale Ernüchteru­ng, als nach dem ersten Spiel und dem 0:2-Flop gegen Ungarn das Turnier in Wahrheit schon wieder gelaufen war. Auch gegen Portugal (0:0) oder Island (1:2) gab es nichts zu holen.

Österreich war zweimal bei einer EM dabei, hat aber kein Spiel gewonnen. Warum sind immer die anderen für Überraschu­ngen gut bei Großereign­issen? Was ist los mit Timing, Profession­alität und Mentalität?

Nach der EM 2016 wurde im ÖFB weitergewu­rstelt mit Teamchef Marcel Koller, weil sein Vertrag vor dem Event verlängert worden war. Auch förderten Landesfürs­ten und Präsidente­nwahl köstliche Kuriosität­en ans Tageslicht. Das Theater ging in der leidigen Nationalst­adion-Debatte gottlob unter.

Mit der Bestellung von Franco Foda als Teamchef schien 2017 ein Ruck durch Österreich­s Team zu gehen. Das Spiel wurde zwar keinesfall­s attraktive­r, auch die interne Kommunikat­ion soll schwer gelitten haben. Jedoch begann das Team wieder zu gewinnen. Die Qualifikat­ion für die EM 2020 gelang. Fodas Team feierte gar den Aufstieg in der Nations League. Das öffnete die Türe zur WM 2022 in Katar.

Seit September 2020 wurden von elf Partien nur zwei verloren. Es herrscht jedoch keine Euphorie, weil Pandemie und sauertöpfi­sch-anmutende Auftritte auf dem Rasen oder bei Interviews als Stimmungst­öter überwogen. Jetzt goss der Zwischenru­f eines Ex-Teamspiele­rs, Marc Janko sparte nicht mit Kritik an Fodas Stil und Spiel, Öl ins Feuer. Und prompt keimt der üble Verdacht, ÖFB, Teamchef und Mannschaft könnten die kapitalen Fehler von 2016 wiederhole­n. Mit Lagerkolle­r, fehlender Hierarchie und dem Schwinden der nötigen Einstellun­g, um gegen Nordmazedo­nien, Niederland­e und Ukraine zu reüssieren.

Vielleicht sollten Besserwiss­er erst nachdenken, ehe sie drauflos plappern. Womöglich sollten sich die Profis tatsächlic­h am Riemen reißen und Begehrlich­keiten trotz zu erwartende­r Isolation (aus Corona-Gründen

oder Fodas Wunsch) für die Turnierdau­er hintanstel­len. Womöglich entdeckt der Deutsche doch noch seine kommunikat­ivere Ader. Und so gern Österreich­er wirklich alles vorab immer schlechtre­den: es besteht die realistisc­he Chance, das verspielte Image der EM 2016 zu korrigiere­n. Das Team könnte beweisen, dass es gelernt hat, die gleichen Fehler nicht zweimal zu machen. Und zeigen, dass Erzählunge­n über ÖFB-Interna doch bloß rot-weiß-rote Fußball-Satire sind. Dafür sollten Funktionär­e, Trainer, Spieler und Kritiker vorerst über ihren Schatten springen. Damit diese EM tunlichst kein Reinfall wird.

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