Wenn Sonnenlicht für unerträgliche Schmerzen sorgt
Wenn der Himmel verhangen ist, hat Pascale Niklos keine starken Schmerzen. Dann wagt sie sogar, für ein Foto kurz vor die Haustür zu gehen, ohne ihren Körper komplett zu verhüllen. Ein paar Aufnahmen, dann geht es wieder zurück in die Wohnung. Hier ist sie sicher. „Aber wenn ich keine Jalousien herunterlasse, kommt der Schmerz trotzdem“, erzählt sie. Dass die Tage im Frühling und hin zum
Sommerbeginn immer länger werden, es immer heller wird, das freut sie schon. Doch gleichzeitig kommt dabei auch der Gedanke wieder, den sie in den Wintermonaten ein wenig verräumen konnte: „Oje, da ist dieser Schmerz wieder.“
Erythropoetische Protoporphyrie, kurz EPP, das ist die Krankheit, unter der die 42-Jährige leidet. Das Hauptsymptom dabei ist, dass die Betroffenen bei Kontakt mit Sonnenlicht unerträgliche Schmerzen an den vom Licht getroffenen Stellen bekommen, die teilweise bis zu einer Woche anhalten können. Vom Verhalten, mit dem Betroffene diesen Schmerzen zu entgehen versuchen, kommt auch der landläufigere Name – Schattenspringerkrankheit. Sie zählt zu den seltenen Krankheiten – Schätzungen zufolge gibt es in Österreich etwa 40 Betroffene –, hat genetische Ursachen und entsteht wegen eines defekten Enzyms beim Aufbau des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin.
Schwer zu erkennen. „Eigentlich ist es nicht sichtbar“, erzählt Niklos. Nur wenn es sehr stark ist, sind Schwellungen zu erkennen. Dadurch haben die Ärzte auch lang nicht gewusst, womit sie konfrontiert sind. Und von ihrer Umgebung hieß es immer wieder, dass sie wohl einfach überreagiere und sich die Schmerzen nur einbilde. „Ich bin dann auch oft über meine Grenzen gegangen und habe mir gedacht: Wenn ich mich genug der Sonne aussetze, geht es weg.“Aber sie versuchte auch, verschiedene Lebensmittel wegzulassen, in der Hoffnung, dass sich dadurch die Lage verbessern würde. Wobei sie eigentlich immer schon wusste, dass es an der Sonne lag. „Aber wenn einem kein Glauben geschenkt wird, ist es schwierig.“
Gerade weil die Krankheit so selten ist, gibt es nur wenige Experten dafür. Die naheliegende Wahl ist natürlich, damit zum Dermatologen zu gehen. Doch auch wenn die Haut betroffen ist, im Grunde handelt es sich um eine Stoffwechselkrankheit. Bei einem bestimmten Bereich des sichtbaren weißen und blauen Lichts, das auf den Körper trifft, beginnt es unter der Haut zu wirken. In den Gefäßen entstehen Verbrennungen zweiten Grades. Und die Beschwerden gehen dann nur über die Haut nach außen.
Erst das Internet brachte ihr Gewissheit. Als sie bei Google „Schmerzen durch Sonne“eintippte. Und plötzlich las sie auf der Seite einer Selbsthilfegruppe in Deutschland über all die Symptome, die sie auch hatte. „Da wusste ich, das ist es.“Doch bis ihr auch die Ärzte glaubten, dauerte es noch eine Zeit. Etwa der Dermatologe, der wohl noch ein falsches Bild der Krankheit hatte. „Und ich glaube, Ärzte haben es nicht so gern, wenn man mit Eigendiagnosen kommt.“Erst bei einer Blutuntersuchung im AKH wurde die Diagnose schließlich bestätigt.
Ärmel, Handschuhe, Hut. „Was für eine unglaubliche Erleichterung“, sagt Niklos. „Mein Schmerz ist echt, und ich kann das auch nach außen sagen.“Allein, an ihrem Alltag änderte das nicht viel. Nach wie vor musste sie viel Zeit daheim verbringen, auf viele soziale Kontakte verzichten. Oder wenn sie schon nach draußen musste, musste sie sich verhüllen – lange Ärmel, Handschuhe, Hut, ein Schal vor dem Gesicht. Und das natürlich auch bei sommerlich heißem Wetter.
Ein Medikament, das gibt es zwar. Doch Scenesse, ein Implantat, das unter die Haut gesetzt wird und dort die Symptome bekämpft, ist nicht so einfach zu bekommen. Denn einerseits gibt es nur zwei Stellen in Österreich, die es verabreichen dürfen, nämlich ein EPP-Behandlungszentrum in Innsbruck und eines in Graz. Und andererseits ist es teuer – ein Implantat, das rund zwei Monate lang wirkt, kostet 14.500 Euro. Und die Kostenübernahme ist in Österreich nicht geregelt.
„Wenn das Medikament in einem Zentrum abgegeben wird, muss das
Zentrum auch die Kosten dafür übernehmen“, sagt Cornelia Dechant. Die Internistin und Kardiologin ist eine der Expertinnen für die Krankheit – auch, weil sie selbst seit ihrer Kindheit daran leidet. „Aber sobald man die Krankheit selbst hat, gilt man nicht mehr als Experte“, sagt sie. „Der Patient darf betroffen sein, mehr nicht.“Doch gerade bei seltenen Krankheiten sei man eben oft darauf angewiesen, selbst zur Expertin zu werden. Die Zweifel der Ärzte, die kann sie schon verstehen, „aber eine seltene Erkrankung sieht ein Arzt oft nur einmal im Leben – ich selbst lebe damit“.
Eine Dosis für zwei Monate kostet 14.500 Euro. Und keine Stelle will das übernehmen.
Sie hatte immerhin das Glück, über eine Sondergenehmigung an das Medikament heranzukommen – wenn auch nach zahlreichen Irrwegen zwischen der steirischen Kages und dem Hauptverband. „Da werden die Patienten hin und her geschickt“, meint sie. Denn keiner wolle die Kosten übernehmen. Sie selbst musste sechs Jahre lang dafür kämpfen. Und argumentierte dabei nicht nur mit den Schmerzen, sondern auch mit den psychischen Folgen. „Ich habe dann sogar einen Suizidversuch deswegen zugegeben“, erzählt sie. „Wie sehr muss man sich entwürdigen, dass man ein Medikament bekommt?“
Auch LED-Licht tut weh. Sie will nun dafür kämpfen, dass auch andere Betroffene die Behandlung bekommen. Mit der Selbsthilfegruppe EPP Austria versucht sie, Informationen über die Krankheit zu vermitteln. Und nicht zuletzt hat sie auch eine Petition gestartet, mit der sie erreichen will, dass die Kosten für die Therapie bei EPP-Patienten so rasch wie möglich übernommen werden. Denn die sorge dafür, dass die Betroffenen ein fast normales Leben führen können. Sie können sich dann im Freien aufhalten. Und sie können auch arbeiten – was in jüngster Zeit schwieriger geworden ist. Denn das zunehmend eingesetzte LED-Licht in vielen Arbeitsstätten rufe die gleichen Symptome hervor wie das Sonnenlicht.