Die besten (und schlimmsten) F
Leinwandurlaub. Die Filmgeschichte steckt voller außergewöhnlicher Gaststätten, die auch im Lockdown geöffnet hatten: Ein kleiner Kinohotelführer.
PNun, wenn das Wetter urlaubsfreundlich wird und die Tourismusbranche langsam aus dem LockdownSchlaf erwacht, treten Hotels und Filme wieder in direkte Konkurrenz zueinander. Bleibt man in der Stadt und geht abends ins Kino? Oder nimmt man Reißaus, in eine lauschige Lagerstätte mit Frühstücksbuffet und Panoramablick? Dabei sind Lichtspielhäuser auf ihre Weise auch öffentliche (Stunden-)Hotels, die rastlosen Geistern und müden Seelen eine Filmdauer lang Zuflucht und Erholung bieten können. Und abseits von realen Reiseerfahrungen lernt man kaum so viel über den Zauber des Hotelwesens wie auf der großen Leinwand.
Denn die ausgeleierte Anthropologenrede vom Hotel als Nicht- und Transitort greift im Film noch stärker als in Wirklichkeit. Als Zwischenzone ohne Bodenhaftung, in der Menschen wie Astronauten beim Weltraumspaziergang dem Alltag entschweben, ohne die Verbindung zur Zentrale je ganz zu kappen, entwickelte sich die Hotellerie fast schon zwangsläufig zu einer der wichtigsten dramaturgischen Keimzellen der Filmgeschichte.
Spielplatz und Schmelztiegel. Während die eigenen vier Wände eher Routine bedeuten, eröffnet ein anonymer „Room with a View“nämlich ungeahnte Möglichkeiten für Ausbrüche, Seitensprünge, Grenzüberschreitungen und kuriose Verstrickungen aller Art. Das befeuert seit jeher erzählfreudige Fantasien. Und die wissen genau: In jedem Zimmer läuft ein anderer Film.
Was hier, auf diesen meist nur knapp bemessenen Quadratmetern, nicht alles Platz hat! Heimliche Treffen, wilde Partys, denkwürdige Zufallsbekanntschaften, verstohlene Techtelmechtel, erotische Abenteuer, einsame Abschiede, waidwunde Rückzüge, ausufernde runkvoll und doch kalt, so beschreibt ein französischer Trailer von Alain Resnais’ „Letztes Jahr in Marienbad“den Schauplatz der Handlung dieses bis heute rätselhaften Films. Ein Mann versucht eine Frau inmitten einer scheinbar endlosen Soiree der besseren Gesellschaft davon zu überzeugen, dass er sie schon vor einem Jahr getroffen und geliebt hat. Sie weigert sich hartnäckig, diese Erinnerung zu beglaubigen. In einem zeitlosen Traumtaumel umkreisen einander die zwei Namenlosen, ihre gemeinsame Nicht-Geschichte ständig neu verhandelnd. Nach einem Drehbuch von Alain Robbe-Grillet schuf Resnais dieses vielleicht schönste Aushängeschild des europäischen Nachkriegskino-Modernismus. Das opulente Hotel mit Barockgarten, in dem es spielt, gibt es passenderweise gar nicht: Es setzt sich aus verschiedenen Drehorten zusammen, darunter die Schlösser Nymphenburg und Schleißheim. Alles zerfließt in formvollendeter Abstraktion.
Bewertung
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: Gespräche, intime Bekenntnisse, konspirative Zusammenkünfte, kriminelle Coups, absurde Verwechslungen und vieles, vieles mehr. Ob man dort arbeitet wie in „Love Steaks“oder sich nur kurz einmietet wie in „Pretty Woman“: Im Filmhotel werden oft Bünde fürs Leben geschlossen. Oder mit Affären unterlaufen. Noch öfter bleibt es bei kurzen zwischenmenschlichen Verheißungen a` la „Lost in Translation“, im Bewusstsein der
WFlüchtigkeit jeder Hotelbekanntschaft: Irgendwann muss man die Schlüssel wieder abgeben. Filmische (Groß-) Gaststätten sind dabei stets auch Mikrokosmos und Attrappe der Gesellschaft. Mal erscheinen sie als sozialer Schmelztiegel, der Klassenklüfte verpuffen lässt. Mal als „geschlossene Anstalt“(wie der Filmkritiker
Fritz Göttler schreibt), in der
Verlorene vergeblich an fremde Türen klopfen: Das er hätte nicht gern ein ganzes Gasthaus für sich allein? Ihr Traum kann in Erfüllung gehen: Werden Sie im Winter unser Berghotelverwalter! Endlich ausspannen, den Roman fertig schreiben, Höhenluft tanken! Kind und Kegel können natürlich mitkommen, es gibt genügend Platz. Genießen Sie den Ausblick und die reich bestückte Bar. Wissenswertes für Bildungsfreunde: Unser Grundstück war einst letzte Ruhestätte für US-Ureinwohner! Überzeugt? Noch ein paar Worte zur Hausordnung: Keine Äxte, keine Baseballschläger. Meiden Sie bitte Zimmer 237. Und nutzen Sie um Gottes willen nicht den Fahrstuhl. Wenn es nicht anders geht, halten Sie unbedingt einen Wischmopp bereit. Passen Sie auf Ihre Kleinsten auf, man kann sich hier sehr leicht verlaufen. Sollten Ihnen im Zuge Ihres Aufenthaltes andere, möglicherweise verstorbene Menschen begegnen, keine Sorge: Sie wollen nur spielen.
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