Pragmatismus kommt vor Revolution
Vor dem Bundeskongress der Grünen nächsten Sonntag geht in der Regierung die Sorge vor einem Aufstand der grünen Basis um. Doch wie realistisch ist das?
Es kommt nicht oft vor, dass die Grünen einem FPÖ-Obmann dankbar sein können. Doch diese Woche hat ihnen Norbert Hofer gleich doppelt geholfen. Wenn es so kommt, wie alle glauben, dass nämlich Herbert Kickl die freiheitliche Partei übernimmt, schmälert das die künftigen Koalitionsoptionen der ÖVP und damit wohl auch die türkise Neuwahlbereitschaft. Stand jetzt wären KurzÖVP und Kickl-FPÖ auf der persönlichen Ebene inkompatibel.
Daneben hat Norbert Hofer mit seiner Rücktrittsankündigung auch vom Umstand abgelenkt, dass die Grünen – wenn auch unverschuldet – in ein Dilemma geraten sind: Wie lassen sich die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (wegen einer möglichen Falschaussage im U-Ausschuss) und Finanzminister Gernot Blümel (der unter Korruptionsverdacht steht) mit dem „Saubere Politik“-Selbstverständnis der Grünen vereinbaren?
Fürs Erste ganz gut, wie die Parteiführung in den vergangenen Wochen versicherte: Nicht die Grünen hätten ein Problem, sondern die ÖVP. Und wie man mit einer allfälligen Anklage gegen den Kanzler umgehe, werde man sich überlegen, wenn es so weit sei. Die schwelende Social-Media-Debatte über Sinn und Unsinn der grünen Regierungsbeteiligung passte nicht ganz zu diesem scheinbar gelassenen Spiel auf Zeit, dürfte aber auch nicht repräsentativ für die gesamte Partei sein.
Ein echtes Stimmungsbild wird wohl erst der grüne Bundeskongress nächsten Sonntag in Linz liefern. In der ÖVP warnt man bereits, die grüne Basis könnte einen Aufstand gegen TürkisGrün anzetteln: „Sollte bis dahin noch Anklage gegen Sebastian Kurz erhoben werden, könnte das zum Supergau für die Koalition werden“, sagt ein türkiser Nationalratsabgeordneter.
»Überzogene Erwartungen« an die Regierungsbeteiligung wurden mittlerweile abgelegt.
Wie unwahrscheinlich es ist, dass es kommende Woche schon zu einer Anklageerhebung kommt, weiß natürlich auch die ÖVP. Für die Grünen lässt das nur zwei Schlüsse zu: Entweder handle der Koalitionspartner hier aus strategischem Kalkül. Oder, wie es im grünen Parlamentsklub heißt: „Die Türkisen sind nervöser als wir.“
Allerdings geht auch bei den Grünen das Revolutionsgespenst um. Der „Kurier“berichtete diese Woche, dass Funktionäre der einflussreichen Wiener Landespartei beim Bundeskongress einen Beschluss erwirken wollten: Demnach sollten die Grünen die Koalition beenden, wenn angeklagte Regierungsmitglieder den Rücktritt verweigern. Der Antrag sei „gerade noch“verhindert worden, hieß es. Das Dementi ließ nicht lang auf sich warten.
Bisher, versichert die grüne Bundesgeschäftsführerin Angela Stoytchev, sei kein (derartiger) Antrag zur Auflösung der Regierung eingetrudelt. Doch das ließe sich vor Ort nachholen. Ein „Dringlicher Antrag“bräuchte dann aber eine Zweidrittelmehrheit, um behandelt zu werden. Und das, meint ein grüner Funktionär, sei ziemlich unrealistisch. Die Parteispitze hat dennoch