Scooter-Sheriff für den Ersten
Falsch abgestellte Leihroller sorgen immer wieder für Ärger. Ein E-Scooter-Ordner soll nun für die Einhaltung der Regeln sorgen – und das Image der Scooter verbessern.
Gut möglich, dass der Ordner bald auch bei anderen Hotspots unterwegs ist.
Dass er schon nach wenigen Tagen einen Spitznamen bekommen hat, der wohl bleiben wird, darf in einer Stadt wie Wien, die ihre Parkraumüberwachungsorgane „Parksheriffs“nennt, nicht wirklich überraschen. Eigentlich heißt der Job des Mannes, der da mit grellgelber Warnweste und weißem Helm auf dem E-Bike im ersten Bezirk unterwegs ist, ja Scooter-Ordner.
„Die Leute“, sagt Dieter Steup, Obmann in der Wiener Wirtschaftskammer für den ersten Bezirk, „nennen ihn aber jetzt schon Scooter-Sheriff“. Das klingt knackiger, auch wenn es vielleicht nicht ganz treffend ist: Denn Samsoor Jabarkhel, der heute für den Leihscooter-Anbieter Lime den Dienst als, nun, Scooter-Sheriff übernommen hat, soll weder strafen noch ermahnen.
Sondern die Nutzer der Leihscooter informieren, wo und wie die Roller abgestellt werden dürfen. Er soll aber auch – und hier passt die Sheriff-Konnotation vielleicht doch wieder ein bisschen – für Ordnung sorgen. Ist ein Lime-Scooter falsch abgestellt oder liegt überhaupt quer über den Gehsteig, kümmert sich Jabarkhel darum, dass der E-Scooter rechtmäßig abgestellt wird und nicht für Ärger sorgt.
Drei Mal in der Woche – dienstags, freitags und samstags – schlüpft Jabarkhel oder ein anderer Mitarbeiter von Lime in die Warnweste, setzt den Radhelm auf und fährt mit dem E-Bike durch die Straßen und Gassen des ersten Bezirks, um zu überprüfen, ob die Lime-Flotte ordnungsgemäß abgestellt auf neue Fahrten wartet (für die Fahrzeuge der anderen E-Scooter-Anbieter ist er freilich nicht zuständig).
Initiiert hat das Projekt Dieter Steup von der Wirtschaftskammer, der schon Hunderte Fotos von falsch abgestellten Scootern von verärgerten Geschäftsleuten
und Anrainern bekommen hat. Scooter, die an Auslagenscheiben lehnen, Geschäftseingänge versperren oder quer über den Gehsteig liegen und – etwa auf der Rotenturmstraße – damit nicht selten auch das Blindenleitsystem blockieren. Auch Steup selbst „stolpert fast jeden Tag“über einen falsch abgestellten Leihroller in der Innenstadt.
Und falsch abgestellt sind sie sehr häufig: Auf dem Gehsteig darf man sie nämlich nur stehen lassen, wenn dieser mindestens vier Meter breit ist, „was bei uns im ersten Bezirk aber bei den wenigsten Gehsteigen der Fall ist“. Weshalb die Scooter dann eigentlich auf der Straße, ähnlich wie ein Moped, geparkt werden müssten.
Gestartet wurde der zunächst auf zwei Monate beschränkte OrdnerDienst bewusst jetzt, sagt Steup, da nun langsam die Touristen zurückkehren, die die E-Scooter besonders gern nutzen – gerade auch im ersten Bezirk mit seinen Tourismus-Hotspots. Die Hälfte der Fahrten, sagt Ivor Safar, Operations Manager bei Lime in Wien, sei vor Corona auf Touristen entfallen. Als erster von aktuell fünf E-Scooter-Anbietern in Wien sei Lime an die Wirtschaftskammer herangetreten.
Testphase. Gut möglich, dass nach den zwei Monaten Pilotphase der OrdnerDienst ausgeweitet wird – er also öfter als drei Mal die Woche in der Innenstadt unterwegs ist. Oder auch, sagt Safar von Lime, auf andere Hotspots ausgedehnt wird. Denn beliebte Strecken bei den E-Scooter-Nutzern – mit entsprechend vielen dort richtig oder eben häufig auch falsch geparkten Fahrzeugen – seien etwa auch der zweite Bezirk (vor allem die Pratergegend), der Donaukanal oder die Mariahilfer Straße.
Scooter-Ordner Jabarkhel hat sich inzwischen auf den Weg gemacht, über den Graben und den Stephansplatz. Hier, am Stephansplatz und den umliegenden Fußgängerzonen, ist das Parken der Scooter überhaupt ganz verboten – auch das wissen nicht alle, die sich einen E-Scooter ausborgen, auch wenn die Lime-App diese Verbotszonen rot markiert deutlich anzeigt: Es gibt also durchaus Informationsbedarf.
In der Rotenturmstraße wird Jabarkhel von einem Passanten auf sein Fahrrad angesprochen. „Ah, jetzt gibt es auch E-Bikes zum Ausleihen?“, fragt er überrascht. Ja, gibt es, sagt Jabarkhel und erklärt dem Mann geduldig, wie er sich ein solches über die Lime-App am Handy ausborgen kann. Die meisten Menschen, sagt Jabarkhel, der eigentlich als Mechaniker bei Lime arbeitet und Scooter und Fahrräder wartet und repariert, reagieren freundlich auf ihn als Scooter-Ordner. Die ersten Erfahrungen zeigen, „dass viele sogar froh sind, dass sie jemanden sehen und nicht nur den anonymen Roller“, sagt Operations Manager Safar. Lime bekommt durch die Scooter-Ordner also auch erstmals eine Art öffentliches Gesicht. „Viele kennen sich nicht aus und sind dankbar, wenn ihnen jemand erklärt, wie man Gas gibt oder bremst.“
Demnächst könnten auch die anderen Anbieter einen Scooter-Ordner losschicken.
Jabarkhel und die anderen Kollegen, die die Sheriff-Dienste übernehmen, sollen also auch für ein besseres Image der E-Scooter sorgen, die durch falsches Abstellen oder zu schnelles Fahren bei vielen Menschen eher negativ konnotiert sind.
Der Scooter-Ordner von Lime dürfte dabei erst der Anfang sein: Denn auch Mitkonkurrent Thier habe sich schon gemeldet, erzählt Steup, „sie wollen sich auch beteiligen“. Demnächst könnte also auch Thier einen eigenen Scooter-Ordner losschicken. Steup will zwar eigentlich „keine Sheriff-Armada“, freut sich aber, dass die Idee auch bei den anderen Anbietern ankommt. Eine möglichst große Beteiligung sei das Ziel, „damit wir die Menschen sensibilisieren und das Stadtbild wieder schöner wird“.