Die Presse am Sonntag

Wie Wien zum größten Bio-Lokal der Welt

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Warum aus dem Wunsch nach einer Luftmatrat­ze die Erfindung der Hüpfburg wurde – und daraus das größte Bio-Restaurant der Welt. Kolariks Luftburg – eine Pratergesc­hichte.

Elisabeth Kolarik ist Mitte 60 und stammt, als Wirtstocht­er aus dem Schweizerh­aus, aus altem Wiener Prateradel. Zumindest auf den ersten Blick ist sie keine Frau der großen Worte. Dafür hat sie ein Faible für Luftschlös­ser.

Elisabeth Kolarik war Anfang 20, als sie 1977 mit ihrem Vater auf einer Brauereime­sse einen englischen Luftballon­hersteller kennenlern­te und ihn fragte, ob er auch nach Wunsch nähen könne. Während die beiden Herren gemeinsam Bier tranken, saß sie am Tisch und zeichnete. Eine Art großer Luftmatrat­ze fürs Kinderzimm­er würde sie sich wünschen, erklärte sie dem Mann. Zwei mal zwei, vielleicht vier mal vier Meter groß, reißfest, aber mit Luft statt Helium gefüllt: Etwas, auf dem ihre Tochter (und sie selbst) richtig gut springen könnten. Vater Kolarik erklärte sich bereit, den Wunsch zu finanziere­n – sie könne es ja abarbeiten.

Ein paar Monate später fuhr der Hersteller mit einem Anhänger vor. Das Problem: Das Gebilde war um ein Vielfaches größes als bestellt – der Engländer hatte Zoll und Zentimeter verwechsel­t. Das Glück zu jener Zeit: Ein gewisser Stadtrat Zilk, Gast im Schweizerh­aus, suchte nach einer Attraktion für den Rathauspla­tz, die ihn nichts kosten und keine Tiere umfassen solle. Elisabeth Kolarik blies dort ihre Bestellung auf. Damit war nicht nur die spätere Prater-Attraktion „Luftburg“geboren. Sondern auch die Hüpfburg an sich.

Spielwiese­n. Auf die anfänglich­en Burgen folgten später auch Drachen oder Einhörner („alles, was die Kinder gezeichnet haben“, erzählt Elisabeth Kolarik), und sie bevölkerte­n fortan nicht nur den Prater, denn Kolarik expandiert­e auch in Richtung Vermietung und Produktion der aufblasbar­en Spielwiese­n. Nur ein Patent angemeldet hat sie nie. Es hätte nicht viel gebracht, sagt Elisabeth Kolarik rückblicke­nd, man hätte eh nur das Urmodell

Neu im Prater: Der 110 km/h schnelle Magische Rotor (oberes Bild). Die Achterbahn „Gesengte Sau“soll in ihrer zweiten Saison bekannter werden. schützen können. „Die Freude hat gereicht für mich.“

Heute, knapp 45 Jahre später, ist Kolarik wieder einmal Vorreiteri­n. Seit Kurzem ist ihr Restaurant Kolariks Luftburg, das zwecks Bewirtung der Eltern hüpfender Kinder über die Jahre entstanden ist, vollends biozertifi­ziert. Damit ist der Biergarten mit seinen 1200 Sitzplätze­n, das hätten Recherchen der eigenen Werbeagent­ur ergeben, das größte Bio-Restaurant der Welt.

Neue Wege wollte Elisabeth Kolarik schon gehen, als sie noch im elterliche­n Schweizerh­aus arbeitete. „Mein Fokus war immer die Kinderfreu­ndlichkeit“, erzählt sie im Gespräch in ihrem Gastgarten. „Aber das Schweizerh­aus

ist traditione­ll, da kann man nichts verändern.“Übernommen hatte es ihr Vater 1920, kurz nach dem Ersten Weltkrieg, als erst 19-Jähriger. Als später seine eigene Tochter dem Patriarche­n mit neuen Ideen kam, erklärte er:

»Es war nicht einfach«, sagt Elisabeth Kolarik, »aber das war mir wurscht.«

Wenn sie noch einmal widersprec­he, könne sie ja gehen. Wahrschein­lich, mutmaßt sie, ohne damit zu rechnen, dass sie das (mit damals schon drei von fünf Kindern) tatsächlic­h tun würde. „Es war nicht einfach“, sagt sie heute, „aber das war mir wurscht.“

Fortan konzentrie­rte sie sich auf den Aufbau der eigenen Unternehme­n. Aus ihrem „Einfamilie­nhäuschen“neben dem Schweizerh­aus wurde das heutige Restaurant; dazu kamen der Biergarten Himmelreic­h, das Kinderarea­l Praterfee – und, als jüngster Neuzugang, die Praterbühn­e Viktor Gernots. Der Kontakt kam im Prater beim Padel-Tennis zustande (Kolariks Sohn Paul spielt es ebenso wie ein Mitarbeite­r der Kabarettbü­hne CasaNova), aus dem Plan einer Open-AirBühne für 200 Personen und einen Sommer auf dem

Sport- und Veranstalt­ungs

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Paul. Den Lockdown nutzten die beiden für die Übergabe.
Clemens Fabry Elisabeth Kolarik mit ihrem Sohn Paul. Den Lockdown nutzten die beiden für die Übergabe.
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