Die Presse am Sonntag

GESCHICHTE

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platz der Kolariks wurde inzwischen ein Spielort mit mehr als 900 Sitzplätze­n, der auf mehrere Jahre Betrieb angelegt ist. Das könnte, hofft man, auch neues Publikum in den Prater bringen.

Doch zurück zum Bio-Projekt: Ausgerechn­et ein riesiges Praterloka­l auf Bio umzustelle­n, damit begann Elisabeth Kolarik schon vor mehr als zehn Jahren. „Es gibt Dinge, wo man die Tradition auch einmal brechen muss“, sagt sie, und: „Wenn es machbar ist, dann machen wir es.“

Zunächst erfolgte, begleitet vom „Natürlich gut essen“-Programm der Stadt Wien, der Wechsel beim Gemüse. Später, langsam, auch beim Fleisch. Dass billigste Massentier­haltung für sie nicht in Frage kommt, wusste sie schon, seit sie vor 20 Jahren von einem deutschen Hühnerfabr­ikanten eingeladen worden war. „Zuerst Besichtigu­ng oder Essen?“, war sie gefragt worden. Sie entschied sich für die Besichtigu­ng. Nachdem sie, in finsteren Katakomben, die Tiere mit den ausgerupft­en Federn und ausgehackt­en Augen gesehen hatte, schüttete sie nur noch einen Kaffee hinunter, bevor sie entsetzt floh.

Das Stelzen-Thema. Einen Produzente­n für die Schweinsst­elzen zu finden, sei freilich eine Herausford­erung gewesen. Als sie ihren Händler nach 75 Tonnen fragte, sagte er zu – und rief kurz darauf an, weil er dachte, er habe sich verhört: Sie meine wohl 7,5? Am Ende fand man eine Lösung; die Stelzen und Ripperl liefert nun ein BioSchinke­nproduzent. Natürlich, sagt Elisabeth Kolariks Sohn Paul, sei auch das noch eine Industrie. Aber es seien auch Schritte in die richtige Richtung, die er weiterführ­en will: Denn im Vorjahr hat Paul Kolarik offiziell übernommen. Dass das geschehen würde, sei 1920 kauft Karl Kolarik das Schweizerh­aus im Wiener Prater.

1954 wird Elisabeth Kolarik als jüngstes Kind geboren. Das elterliche Lokal führen heute ihre Geschwiste­r Lydia und Karl.

1977 erfindet Elisabeth Kolarik die Hüpfburg.

1992 beginnt sie, die Kunden ihrer Luftburgen auch zu bewirten.

2008 bis 2017 wird die Luftburg immer wieder erweitert.

2019 verarbeite­t die Luftburg nur noch Lebensmitt­el in Bioqualitä­t.

2020 übergibt Elisabeth Kolarik die Kolarik Freizeitbe­triebe an ihren Sohn Paul. Das Restaurant wird komplett renoviert, der Fokus auf Nachhaltig­keit geschärft.

2021 gelingt die vollständi­ge Umstellung auf Bioprodukt­e. absehbar gewesen. „Aber wir hatten nie die Zeit, es zu tun.“

Der Einschnitt des ersten Lockdowns war für Elisabeth Kolarik die passende Gelegenhei­t. Wie überhaupt das Mutter-Sohn-Duo das vergangene Jahr der Schließzei­ten genutzt hat, um anderes voranzutre­iben. So wurde das Restaurant komplett renoviert. Ein Großteil des Mobiliars sei zwölf Jahre alt oder älter gewesen, sagt Paul Kolarik, „was in einem Gastronomi­eleben das doppelte bedeutet“. Viel Holz, geräuchter Kork und im Innenraum rankender Kastanienw­ein sollen nun den Fokus auf Nachhaltig­keit signalisie­ren.

Das eine bedingt das andere. Plötzlich, erzählen die Wirte, habe man sich über die Mitarbeite­rkleidung Gedanken gemacht, über das Speisekart­enpapier, die Wahl der Reinigungs­mittel. Lebensmitt­elverschwe­ndung hingegen sei schon länger kein Thema gewesen. Als Global 2000 für eine Studie im Haus war, seien die recherchie­renden Studenten erstaunt über die leeren Teller gewesen. Ihre Kellner, erklärt Kolarik, würden angesichts der üppigen Stelzenpor­tionen schon seit Langem aktiv Verpackung zum Mitnehmen anbieten. Derzeit sind die Stelzen übrigens besonders groß: Im Lockdown hatten die Schweine Zeit zum Wachsen.

Die Kolariks wiederum nutzten die Zeit auch, um nach Produzente­n zu suchen, um die letzten Bio-Lücken zu schließen: Schon seit zwei Jahren stammen alle Lebensmitt­el aus Bioprodukt­ion sowie Kaffee und Limonaden.

Gespießt hatte es sich zuletzt ausgerechn­et an Bier und Schnaps. Drei Jahre lang habe sie Budweiser gebeten, ein Bio-Bier auf den Markt zu bringen, sagt Elisabeth Kolarik, der an langfristi­gen Partnersch­aften gelegen ist. Immerhin hatten ihr Vater und Großvater Budweiser einst 1926 in Böhmen entdeckt und erstmals nach Wien importiert.

Drei Euro mehr. Erhört wurde sie nicht, neuer Lieferant ist nun Fohrenburg­er aus Vorarlberg. Nun strömt in der Luftburg das Bio Hofbier der Bludenzer Brauerei, die extra weitere Bio-Hopfenbaue­rn unter Vertrag genommen habe. Produzente­n müssen planen können, sagt Kolarik. Wenn die Nachfrage da sei, könne auch das Angebot geschaffen werden. Blieben nur noch die Spirituose­n – und auch dieses Problem ist gelöst. Statt Aperol gibt’s Wiener Dirndl (aus Kornellkir­schen). Und was anderen der Jägermeist­er, ist hier jetzt halt der Förster. Hauptsache, er hilft beim Verdauen der Stelzen.

Die kosten in der Luftburg seit der Umstellung übrigens pro Portion um drei Euro mehr. „Nicht-Bio ist sehr billig, was aber die Umwelt sehr teuer kommt“, erklären die Kolariks ihre Motivation. Man wolle für das Wohl künftiger Generation­en etwas beitragen, „und die Gäste sind bereit, dafür zu zahlen“. Kollegen, die sich mit dem Gedanken spielen, spricht Paul Kolarik Mut zu. „Man kann sich fürchten – oder die Entscheidu­ng angehen.“Inzwischen würden sich immer wieder Wirte melden, die in die Küche schauen wollen, nach möglichen Lieferante­n fragen. „Da haben wir immer ein offenes Ohr.“

Schon gestellt ist übrigens auch ein Antrag ans Guinness Buch der Rekorde. Allein, die Antwort steht noch aus.

Statt Aperol gibt’s Wiener Dirndl, statt Jägermeist­er einen Förster.

1200

Sitzplätze hat das Restaurant Kolariks Luftburg, davon

350

Plätze im neu renovierte­n Innenraum und

850 75

Plätze im Gastgarten.

Tonnen Stelzen werden hier pro Jahr verspeist, das sind in etwa

37

Tausend Portionen.

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