James Dean der Formel 1
Jochen Rindt liebt das volle Risiko – am Ende zu sehr. Vor mehr als 50 Jahren endet in den Leitplanken von Monza der Aufstieg des Formel1-Piloten. Das Charisma des ersten Weltmeisters, der seine Trophäe posthum erhält, fasziniert bis heute.
Autorennen sind wie Stierkämpfe“, urteilt der fünfmalige Weltmeister Juan Manuel Fangio nach dem tödlichen Unfall von Jochen Rindt. „Je mehr Blut fließt, umso mehr Menschen kommen und schauen zu.“
Am 5. September 1970 verlässt den Rennfahrer, der zum Mythos wird, das Glück. Beim Training auf dem MonzaMotodrom stirbt er: In der legendären, gefürchteten Parabolica-Kurve reißt die rechte vordere Bremswelle, der Bolide schießt unter die Leitplanken und wird noch einmal auf die Piste geschleudert. Der Pilot rutscht unter dem Bauchgurt nach vorn, der Riemen drückt eine Rippe in die Aorta. Der 28-jährige Jochen Rindt ist binnen Sekunden tot. Sein Rivale und gleichzeitig enger Freund Jackie Stewart wankt in die Fahrerbox – um Jochens Frau Nina, die noch mit der Stoppuhr in der Hand sitzt, die Hiobsbotschaft zu überbringen.
Michael Horowitz
Jochen Rindt will in seinem Leben nie etwas anderes tun, als Rennen zu fahren, will Weltmeister werden. Er liebt die Geschwindigkeit, das Risiko – am Ende zu sehr. Vor mehr als 50 Jahren endet in Monza der Aufstieg des charismatischen Formel1-Piloten. Des ersten Weltmeisters, der seine Trophäe posthum erhält.
Vor Jochen Rindt fahren seit 1948 bereits 38 Piloten in den Tod. Allein in Monza drei. Denn immer schnellere, immer gefährlichere Autos werden gebaut, die auf meist veralteten Rennstrecken starten. Als Sprecher der GrandPrix-Fahrer fordert Jochen Rindt immer wieder bessere Sicherheitsvorkehrungen, um das tödliche Risiko zu minimieren.
Karl Jochen Rindt wird 1942 in Mainz geboren. Ein Jahr später kommen seine Eltern im Hamburger Feuersturm, dem Bombenangriff der Alliierten, ums Leben. Der Bub wächst bei den Großeltern in Graz auf. Schon sehr früh liebt er die Geschwindigkeit. Mit seinem auffrisierten Moped rast er durch die Gegend, ein Strafmandat nach dem anderen wird vom Großvater, einem wohlhabenden Rechtsanwalt, zähneknirschend bezahlt. Bereits im Alter von 15 Jahren wagt der aufmüpfige Enkel auf sandigen Teststrecken Drift-Versuche, bei denen sein VW-Käfer immer wieder auf dem Dach landet.
Jochen besucht mehrere Grazer Gymnasien, bis er im Privatinternat des ehemaligen SS-Offiziers Höttl in Bad Aussee, das auch Andre´ Heller absolviert, mit horrend hohem Schulgeld zur Matura durchgepeitscht wird. Helmut Marko und Jochen Rindt teilen sich das Zimmer in der Privatschule der lernunwilligen Schüler aus besseren Kreisen. Marko meint später, sein Jugendfreund sei „der populärste Sportler, den Österreich je hatte“.
Als Geschenk für die endlich absolvierte Reifeprüfung bekommt der Teenager von den Großeltern einen „Simca Aronde P60 Montlhery“, den er bis auf den Fahrersitz ausräumt, um damit an Rennen teilzunehmen. Am Flughafen Innsbruck erreicht der 19-jährige Jochen in seinem Simca, dem Maturapräsent, beim SemperitRennen immerhin den 16. Platz.
Als Volljähriger verkauft Rindt die von den Eltern geerbte „Mainzer Gewürzmühle“,
um einen Formel 2-Rennwagen zu kaufen. Die Karriere kann beginnen. Bereits im zweiten Rennen landet Rindt in seinem mitternachtsblauen Brabham auf dem vierten Platz.
In der Formel 1 läuft es anfangs nicht gut, obwohl Rindt in fast jedem Rennen bis zum Äußersten geht, ab 1969 steht er bei Colin Chapman unter Vertrag. Der Lotus des genialen Ingenieurs gilt als der schnellste, aber auch gefährlichste Bolide der Formel 1 – filigran
Einer, der gewinnen will. Um jeden Preis. Kompromisslos geht er seinen Weg.
und technisch innovativ wie kein anderer: Über seine Zeit der Lotus-Blüte sagt Rindt: „Entweder ich werde bei Lotus Weltmeister oder ich sterbe.“Eine schicksalhafte Beziehung beginnt. Bernie Ecclestone, der den Deal zwischen Rindt und Chapman einfädelt, erinnert sich: „Es war absurd, wir wohnten im gleichen Hotel, ich musste von Zimmer zu Zimmer, um Nachrichten zu überbringen – weil die Herren Chapman und Rindt oft nicht miteinander redeten.“
10. Mai 1970, Grand Prix von Monaco. Rindt startet in seinem Lotus