Wirkung von EU-Förderungen
Um die zu analysieren, greifen Forscher nun auch in Europa auf eine Methode der Entwicklungsökonomie zurück – die Emission von Nachtlicht.
und 330 Milliarden Euro wird die Europäische Union in der aktuellen Budgetperiode zwischen 2021 und 2027 für die sogenannte Kohäsionspolitik an Förderungen auszahlen. Dieses Geld soll dafür sorgen, dass sich wirtschaftlich schwächere Regionen besser entwickeln und so den Anschluss an die stärkeren Regionen finden. Mit rund 31 Prozent der gesamten EU-Förderungen ist die Kohäsionspolitik einer der wichtigsten Förderbereiche der Union.
Doch wie gut funktionieren diese Förderungen und welche Zunahme an wirtschaftlicher Aktivität bewirken sie eigentlich? Diese Frage wird natürlich schon seit Langem gestellt und auch regelmäßig überprüft – allerdings mit einem gewissen Schönheitsfehler. „Es gibt bei diesem Thema kaum Daten auf Gemeindeebene“, sagt Julia Bachtrögler-Unger, Ökonomin mit der Spezialisierung für Strukturwandel und Regionalentwicklung am heimischen Wifo. In der Regel werde die Kohäsionspolitik daher auf der sogenannten Nuts-2-Ebene evaluiert. In Österreich sind das die Bundesländer.
Für eine genaue Messung einzelner Maßnahmen ist diese Ebene jedoch viel zu ungenau, weshalb Ökonomen schon seit Längerem nach besseren Messmethoden suchen. Dem Wifo ist das nun in Zusammenarbeit mit dem Münchner ifo-Institut und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt gelungen. Sie erstellten im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung eine Pilotstudie, in der sie sich die Grenzregion von Deutschland, Tschechien und Polen hinsichtl ich der dort ausgezahlten Kohäsionsförderungen und der erzielten Wirkungen angesehen haben.
Die Grundidee war, mittels der Auswertung von Satellitenbildern eine möglichst detaillierte Überprüfung zu erhalten. Es habe hierbei eine Methode gebraucht, bei der große Datenmengen leicht verarbeitet werden können, so Bachtrögler-Unger. „Denn es war ja klar, dass wir uns nicht jedes Förderprojekt einzeln ansehen können.“Eine Idee wäre gewesen, sich die Zunahme von „künstlicher Fläche“anzusehen – vereinfacht gesagt, wo grün durch grau ersetzt worden ist.
Bei der Überprüfung der Satellitenbilder habe man dann aber gesehen, dass bei konkreten Projekten auch die Emissionen von Licht in der Nacht zunehmen. „Und da diese Methode bereits ein anerkanntes Verfahr en ist ,haben wir uns dafür entschieden.“Genutzt wird die Messung von Nachtlicht bisher vor allem in der Entwicklungsökonomie – also wenn Forscher feststellen wollen, in welchen Regionen von Entwicklungsländern es bereits eine gewisse wirtschaftliche Aktivität und die dazugehörige Infrastruktur gibt. Hierbei ist das Entstehen von künstlichem Licht bei Dunkelheit ein wichtiger Indikator für wirtschaftliche Entwicklung.
Zusammenhang. Doch auch in entwickelten Region en wie Europa nimmt die Emission von Nachtlicht zu, wenn die wirtschaftliche Aktivität steigt. Zusammen mit den konkreten Förderdaten der EU für die Förderperiode 2014 bis 2020 konnten die Ökonomen so einen direkten Zusammenhang zwischen der Kohäsionsförderung und der wirtschaftlichen Entwicklung feststellen. „Wenn die Förderhöhe um ein Prozent höher ausfiel, dann stiegen die Nachtlichtemissionen um 0,01 Prozent“, sagt Bachtrögler-Unger. Aufgrund der verfügbaren Daten von höheren Ebenen berechneten die Forscher, dass dieser Wert zu etwa 20 Prozent auch auf das BIP durchschlägt – ein Prozent mehr Förderung brachte somit 0,002 mehr Wachstum in der betroffenen Gemeinde.
Was das konkret bedeutet, zeigt das Beispiel der Kleinstadt Myskow in Polen, die in der Studie ausführlich beschrieben wird. Dort wurde zwischen
102
Nuts-3-Regionen (in Österreich Ebene der Bezirke) umfasste die Pilotregion der Studie. Das ist die unterste Ebene, bei der es zumindest rudimentäre Daten für die Kohäsionspolitik gibt. In der Regel wird sogar eine Ebene darüber (in Österreich die Bundesländer) genommen.
6571
Gemeinden konnten aufgrund der Nachtlichtemissionen nun als unterste Darstellungsebene genommen werden. Die Analyse wurde dadurch wesentlich detaillierter. 2016 und 2018 eine acht Kilometer lange Umfahrungsstraße errichtet, die großteils von der EU finanziert wurde. Diese Straße sorgte nicht nur dafür, die Innenstadt von Myskow verkehrstechnisch zu entlasten, sondern brachte auch die Ansiedlung zusätzlicher Gewerbebetriebe, die Jobs und Wertschöpfung mit sich brachten. Dieser Zugewinn war auch durch die Emission von mehr Nachtlicht im Rahmen des Projekts messbar.
Nachfolgeprojekt. „Das Verfahren funktioniert und kann auch anderswo angewandt werden“, sagt BachtröglerUnger. Das sei auch notwendig, weil die konkreten Zahlen nur für die untersuchte Pilotregion gelten. Wie die Situation in anderen Ländern oder Regionen ist, müsse erst empirisch erhoben werden.
Für die Pilotregion haben die Forscher aber durchaus einige interessante Erkenntnisse gewonnen. So wurde beispielsweise verglichen, welche Art von Förderung den höchsten BIP-Effekt hat. „Am stärksten war die Zunahme bei der Förderung von Forschung und Innovation, direkten Unternehmensförderungen oder Umweltinfrastruktur.“Schwächer hingegen bei allgemeiner Verkehrsinfrastruktur, Förderungen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch bei Investitionen in Bildung. Letzteres sei etwa erklärbar, weil der Effekt von höherer Bildung länger dauert.
Um ein wirklich aussagekräftiges Bild zu bekommen, müsste jedoch eine Evaluierung über ganz Europa erfolgen, so Bachtrögler-Unger. Dafür fehle bislang jedoch noch die Finanzierung. Aber auch abseits von wirtschaftlichen Fragen sollen die Satellitenbilder künftig für Evaluierungen eingesetzt werden – etwa beim Thema Luftverschmutzung.
Für eine genaue Evaluierung der Förderungen sind die Daten bisher zu ungenau.
Forschungsförderung brachte in der Studie den höchsten Wachstumseffekt.