Abfahrt ins Grüne
Nach der Pandemie soll es einen grünen Aufschwung geben. Das versprachen die mächtigsten Staaten der Welt diese Woche in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Zwischen den ostasiatischen Industrienationen ist dabei zuletzt ein richtiger Wettlauf darum entstanden, wer die ehrgeizigsten Klimaziele hat.
Der Gipfel in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul endete mit einer gemeinsamen Verpflichtung, wie sie die Welt länger nicht erlebt hat: Der Weg aus der Pandemie, die dem Planeten nun seit eineinhalb Jahren den Takt vorgibt, müsse über Nachhaltigkeit führen: „Wir erkennen die Klimakrise als drängende globale Bedrohung an, deren Auswirkungen auch über die Umwelt hinausreichen und ökonomische, soziale, sicherheitspolitische und menschenrechtliche Herausforderungen beinhalten“, heißt es in der Seouler Erklärung von vergangener Woche.
Unterzeichnet haben sie mehr als 60 Vertreter führender Staaten und internationaler Organisationen, darunter die Regierungsoberhäupter von Deutschland, Großbritannien und Frankreich, hohe Vertreter aus China und den USA sowie die Generalsekretäre der Vereinten Nationen und der OECD. Das Abschlussstatement des P4G genannten Klimagipfels, der bis Anfang der Woche über digitale Kanäle in Seoul stattgefunden hat, soll als Trittbrett für den COP-Klimagipfel Ende des Jahres gelten, an dem dann alle Staaten der Welt teilnehmen.
Ziele für 2030. P4G steht für „Partnering for Green Growth and the Global Goals 2030”, also die internationale Partnerschaft für grünes Wachstum und die globalen Ziele, die für 2030 gesetzt worden sind. Diese betreffen vor allem die UN-Entwicklungsziele – also maßgeblich eine Reduzierung der Armut und Ungleichheit sowie einen nachhaltigeren Umgang mit dem Planeten – und die Vorgaben des Pariser Klimaabkommens von 2015, wonach die Erderwärmung bei deutlich unter zwei und möglichst bei 1,5 Grad Celsius gehalten werden soll.
Nach 2018 in Kopenhagen fand der P4G-Gipfel nun zum zweiten Mal statt und sein Ziel ist es, Lösungswege durch öffentlich-private Partnerschaften zu finden. Erreicht hat er schon auf anderer Ebene etwas: Mit der Seouler Erklärung wurde ein Text vorgelegt, der die Klimakrise ganzheitlich begreift. Anders als zu Zeiten von Donald Trump im US-amerikanischen Präsidentenamt, als man sich auf internationaler Ebene streiten musste, ob es den Klimawandel überhaupt gibt, wird das Problem mit seinen vielen Facetten wieder ernst genommen.
Der Klimawandel betrifft demnach also nicht nur die Umwelt, sondern diverse Ebenen des nicht-menschlichen und menschlichen Lebens. In der Wissenschaft ist dies schon lang Konsens. Allein durch häufiger und stärker auftretende Wetterphänomene, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur sowie des Meeresspiegels werden einige Gegenden der Welt unbewohnbar, andere werden sich nicht mehr bewirtschaften lassen.
Nicht nur Tier- und Pflanzenarten sterben aus, auch Menschen verlieren die Lebensgrundlagen. Es könnte zu großen Migrationsbewegungen und neuen Konflikten kommen. Teilweise zeigt sich dies bereits. Die Pandemie ist gerade dabei, die globalen Ungleichheiten noch zu verschärfen. Denn es sind die reicheren Länder der Welt, die mehrheitlich ihre Bevölkerungen impfen, während die Mehrheit der Menschheit voraussichtlich noch deutlich länger mit der Pandemie zu kämpfen haben wird. Dort wird dann auch die ökonomische Erholung später beginnen.
Die Seouler Erklärung, die sich als Taktgeberin für den wichtigeren COPKlimagipfel in Glasgow ab November versteht, will nun zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das postpandemische Aufleben der Ökonomie soll zugleich ihre klimapolitische Läuterung werden. Die Rede ist von einer „inklusiven grünen Erholung in Richtung CO2-Neutralität“. Weltweit wolle man daran arbeiten, dass Kohlekraftwerke schnellstmöglich heruntergefahren und keine neuen gebaut werden, stattdessen die Förderung von erneuerbaren Energien steige.
„Der Staat kann und wird diese Krise nicht allein lösen“, betonte allerdings John Kerry, Ex-US-Außenminister und Vertreter der USA. „Privat-öffentliche Partnerschaften sind nötig, um widerstandsfähige Gemeinschaften
1,5
Grad Celsius soll der Temperaturanstieg betragen, um die negativen Folgen der Erderwärmung gering zu halten.
2060
Jahr.
Bis dahin will die Volksrepublik China netto kein CO2 mehr ausstoßen. zu kreieren.“Auch der Privatsektor stehe in der Pflicht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte zudem die Chance im Neuanfang: „Die Erholung von der Pandemie ist der richtige Moment, um unsere Gesellschaften und Ökonomien neu zu denken.“
Kristalina Georgieva, Generaldirektorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), forderte von den Staaten eine CO2-Bepreisung, die so hoch sei, dass Betriebe und Staaten den Druck spürten, ihre CO2-Abdrücke schnellstmöglich zu reduzieren. Dies müsse über CO2-Steuern oder Emissionshandelssysteme passieren. Außerdem kündigte Gastgeberstaat Südkorea auf dem Gipfel an, seine EntwicklungshilfeAusgaben künftig stärker an Nachhaltigkeitsthemen zu binden.
Viel konkreter wurde es in Seoul zwar nicht, Hoffnungen auf einen neuen Ton in der Klimapolitik machte das Treffen dennoch. Einen weiteren Grund dafür kannte Chung Eui-yong, Außenminister von Südkorea: Es sei besonders wichtig, dass die USA und China, die zwei größten und derzeit vielleicht zerstrittensten Volkswirtschaften der Welt, die gemeinsame Erklärung unterschrieben. „Sie haben beide viel zu dieser internationalen Anstrengung beigetragen.“Was sich auch als Aufforderung verstehen lässt, dass es jetzt nicht bei bloßen Worten bleiben kann.
In Südkorea nutzt man die internationale Aufmerksamkeit außerdem dazu, sich als Beschleuniger dieser angekündigten Wende zu etablieren. Das Vorhaben des „Green New Deal“wurde nicht nur von Politikern der Europäischen Union, sondern seit vergangenem Sommer auch vom koreanischen Präsidenten Moon Jae-in aufgegriffen. Als die Pandemie ihren globalen Lauf zu nehmen begann, kündigte der Regierungschef des in der Virusbekämpfung relativ erfolgreichen Landes schon im Juli an, der ökonomische Weg aus der Krise müsse über mehr Nachhaltigkeit führen.
Asiatischer Wettlauf. Womöglich auch deshalb begann kurz darauf zwischen den drei großen Volkswirtschaften Asiens ein Wettlauf darum, wer der Grünste der Region ist. Im September überraschte Chinas Staatspräsident Xi Jinping die Welt, als er per Video vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York verkündete, China werde binnen 40 Jahren netto kein CO2 mehr freisetzen. Bis 2060 müssten im 1,4-Milliarden-EinwohnerLand also diverse Kohlekraftwerke stillgelegt und Fabriken wie Autos umgerüstet oder ausgetauscht sein. Derzeit ist China der mit Abstand größte Umweltverschmutzer und setzt fast doppelt so viel CO2 frei wie die USA.
Es könnte zu großen Migrationsbewegungen und neuen Konflikten kommen.
Zwischen China, Japan und Südkorea ist ein Wettlauf gestartet, wer der Grünste ist.
Einen Monat nach Xis großem Versprechen folgte Yoshihide Suga, Premierminister Japans, der drittgrößten Volkswirtschaft und des fünftgrößten Emittenten von Kohlendioxid weltweit. Sein Land werde bis 2050 CO2-neutral sein, also zehn Jahre vor China und zeitgleich mit der EU. Dafür werde man einerseits die Entwicklung von Wind-, Wasser- und Sonnenkraft sowie Wasserstoff als Energieträger fördern, andererseits will der japanische Staat auch in Zukunft auf Atomkraft setzen. Ohne diese sei eine Wende nicht zu machen, heißt es aus Regierungskreisen in Tokio. Die regierenden Konservativen im Land sehen Japan als ressourcenarm an, wenngleich das Land über diverse Quellen für Erneuerbare verfügt. Kritiker sehen den großen Einfluss der Atomindustrie auf die Politik als Grund für diesen Zugang.
Das konnte man in Seoul nicht auf sich sitzen lassen, weshalb Südkorea die beiden großen Nachbarn in dieser Frage übertrumpfen will. Nach den Ankündigungen aus Japan im Oktober konkretisierte Südkoreas Präsident Moon seinen vorher recht vagen Plan zur CO2-Neutralität, die auch dort bis 2050 erreicht sein soll. Allerdings will Südkorea aus der Atomkraft, die derzeit rund 20 Prozent des Energiemix ausmacht, Schritt für Schritt aussteigen. Und nicht nur das: Für den COPKlimagipfel in Glasgow hat Moon Jaein zudem auch noch eine weitere Erhöhung der derzeitigen koreanischen Klimaziele in Aussicht gestellt.
ie unmittelbare Zukunft der heimischen OMV scheint besiegelt. Der ehemalige Borealis-Chef Alfred Stern soll einen der größten Konzerne des Landes in ein Post-Ölzeitalter führen. Öl- und Gasprojekte wird es bei der OMV zwar auch weiterhin geben, doch die Investitionen werden künftig vor allem in den Chemiebereich fließen, wo man eine neue Heimat finden will.
Ein Unternehmen auf Strategiesuche ist nicht nur die OMV. Auch andere Ölmultis haben zu kämpfen – und zwar gegen den Klimawandel. Doch seien wir ehrlich, fossile Energie und Umweltschutz, das war immer mehr Gegen- als Miteinander. Wurden Naturschützer im Kampf gegen Goliath früher belächelt, hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Denn Erderwärmung und Zerstörung der Natur sind kein Randproblem mehr, sie sind ein globales – zu dessen Lösung auch die multinationalen Konzerne einen Beitrag leisten müssen. Selbst, wenn dieser nicht immer freiwillig erfolgt.
So wurde der britisch-niederländische Öl- und Gaskonzern Shell erst Ende Mai von einem Den Haager Gericht dazu gezwungen, seine Kohlendioxid-Emissionen drastisch zu senken. Der Konzern müsse den Ausstoß von CO2 bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 re duzieren , hieß es im Urteil. Die bisherigen Klima-Ambitionen gingen dem Gericht nicht weit genug. Während Umweltschützer in Anbetracht des „wichtigen Signals“jubelten, will Shell Berufung einlegen.
Die Aktie war nach Bekanntgabe der Gerichtsentscheidung unter Druck geraten, einige Analysten haben seither auch ihre Kursziele revidiert. Jedoch nicht zuungunsten des Unternehmens: Den Experten zufolge darf man bei Shell nun getrost zugreifen, die überwiegende Mehrheit empfiehlt das Papier zum Kauf. Laut Daten von Bloomberg rät nur ein Analyst, den Titel abzustoßen. Ertragspotenzial ist nämlich durchaus gegeben, im Schnitt wird ein
Kursziel von knapp unter 22 Euro als realistisch betrachtet, was einem Plus von rund 36 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau entspricht.
Besser als andere. Auch bei Chevron könnte kürzlich ein Raunen durch die Chefetage gegangen sein. Denn bei der Hauptversammlung des US-Ölriesen stimmte eine überwiegende Mehrheit der Investoren für einen von Aktivisten ausgearbeiteten Entwurf, der die Verringerung von CO2-Emissionen bei seinen Produkten vorsieht. Einer Erhebung von Bloomberg New Energy Finance zufolge ist der 142 Jahre alte Konzern aber ohnehin nicht untätig und übertrifft bei seinen Anstrengun
Folgt auf die längste Börsenhausse der Geschichte eine der kürzesten? Über diese Frage zerbrechen sich die Experten derzeit die Köpfe, während die großen Leitindizes von Rekord zu Rekord klettern. Einige trauen der Gemengelage jedoch nicht. „Wir befürchten zunehmend, dass es kurzfristig zu einem Rückschlag kommt“, sagt Grace Peters, Anlagestrategin bei JP Morgan.
So notiert der breit gefasste US-Index S&P 500 derzeit um rund ein Viertel über seinem Hoch, das er unmittelbar vor dem CoronaCrash im vergangenen Februar erreicht hat. Im Nachklang der Finanzkrise dauerte es etwa fünf Jahre, bis sich der Markt ähnlich stark erholte. Der europäische Stoxx 600 liegt derzeit zwar nur drei Prozent über seinem Rekord vom Februar 2020. Aber auch bei ihm hatte die vergleichbare Erholung nach 2008 ähnlich
Eine Ölplattform östlich von Schottland. Bohrungen im Meer waren immer schon umstritten. lang gedauert. Der DAX brauchte wegen der europäischen Schuldenkrise fast zehn Jahre, bis er genauso viel zugelegt hatte wie nun.
Der Bullenmarkt zwischen 2009 und 2020 bescherte dem globalen Aktienmarkt ein Plus von 237 Prozent und war der längste der Geschichte. Darauf folgte ein Rekord-Bärenmarkt. Durch den Ausbruch der Coronapandemie stürzten die Börsen binnen vier Wochen um rund ein Drittel ab. Seither geht es ununterbrochen bergauf, das Plus beläuft sich bis dato auf 73 Prozent. Die Marktkapitalisierung wuchs um 42 Billionen Dollar, was der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA, Chinas, Japans und Deutschlands entspricht.
Diese Rallye hat auch das Kurs-GewinnVerhältnis (KGV) in die Höhe getrieben, Aktien also teuer gemacht. Dieses Verhältnis ist ein Gradmesser dafür, ob ein Papier überteuert ist. gen, Treibhausgase im Zaum zu halten, sogar seine Ziele (die freilich immer noch ambitionierter sein können). Bei Chevron halten sich die Kaufen- und Halten-Empfehlungen fast die Waage, ein Anstieg um rund 15 Prozent auf rund 120 Dollar wird der Aktie vom Schnitt der Analysten aber trotzdem zugetraut.
Auch Repsol werden Fortschritte im Kampf gegen den Klimawandel nachgesagt. Die Suche nach neuen Ölvorkommen will der Konzern mit Sitz in Madrid zurückfahren, die Kapazitäten bei erneuerbaren Energien (etwa Solar- und Windkraft) im nächsten Jahrzehnt dagegen verfünffachen. Bis zum Jahr 2050 soll Repsol zudem gänzlich frei von schädlichen Emissionen sein – in der Branche galten die Spanier bei Ausrufung dieses Ziels als Pioniere. Im ersten Quartal konnte das Unternehmen zudem wieder in die Gewinnzone zurückkehren, der zuletzt stark gestiegene Ölpreis erwies sich dabei als Wohltat. Wobei die Aktie auf Sicht von zwölf Monaten nur noch kleine Zugewinne ein fahren dürfte, zumal sie sich seit Jahresbeginn schon um rund 40 Prozent verteuert hat.
Die Ölmultis stehen vor einem gravierenden Wandel. Manche werden die Abkehr vom schwarzen Gold schlechter, andere besser vollziehen. Noch ist die Datenlage über die Nachhaltigkeit dieser Konzerne aber mangelhaf t, was die Entscheidung nicht unbedingt einfacher macht. Als Investor kann man die Firmen bei ihrer Reise unterstützen – oder ihnen den Rücken kehren. Tatsache i st, dass d ie Nachfrage nach Öl weiterhin vorhanden sein wird. Saudi Aramco, Adnoc aus Abu Dhabi oder Gazprom aus Russland könnten sich da als Lückenfüller des Westens erweisen. Das wird aber wohl nicht nur den Klimaschützern nicht gefallen.
Eduard Steiner ist auf Urlaub.
LET’S MAKE MONEY erscheint wieder am 13. Juni.
Mit etwa 21 liegt das durchschnittliche KGV aller 500 S&P-Werte derzeit knapp unter dem Niveau der Dotcom-Blase. Stoxx 600 und DAX sind davon zwar entfernt, aber auch ihre KGVs liegen über dem langjährigen Mittel von 15.
Ein noch deutlicheres Warnsignal für eine Blase liefert das um Konjunkturzyklen bereinigte KGV, auf Englisch Cape. Seit 1870 hätten Börsenhaussen im Schnitt mit einem Cape von 11,5 begonnen und seien bei etwa 20 geendet. Die aktuelle Rallye sei im März 2020 mit einem Cape-Wert von 24,8 gestartet und liege jetzt bei 37. Einige Experten bezweifeln aber die Aussagekraft dieser Zahlen. Schließlich wurden seither Billionen aus gegeben, weshalb Vergleiche zu früheren Börsenzyklen hinken würden. Bezieht man diese Faktoren mit ein, erschienen Aktien selbst bei den aktuellen KGVs kaum überteuert.