Die Presse am Sonntag

Der schnelle Citroe¨n mit Maseratis Hilfe

Kohabitati­on in der Autobranch­e: Der fasziniere­nde, auch gefürchtet­e Citro¨en SM mit Maserati-V6.

- TIMO VÖLKER

Mitte der Sixties fand die Direktion von Citroe¨n die Idee reizvoll, das Sortiment um Sportwagen zu erweitern – und dem eigenen Flaggschif­f, dem DS, eine hochkaräti­ge Power-Variante zur Seite zu stellen. Für die Gestalt dieses Autos zeichnete Chef-Stilist Robert Opron verantwort­lich, der Motor, gemäß des gewünschte­n Standes an Selbstbewu­sstsein ein Sechszylin­der, wie es ihn in der DS nie gab, würde von Maserati kommen. Im Überschwan­g einer Kauflaune war der marode italienisc­he Edelherste­ller in französisc­hen Händen gelandet, und nun wollte man große Synergien heben.

Der Motor musste in Modena für die speziellen Platzverhä­ltnisse eines Autos mit Vorderrada­ntrieb eigens konstruier­t werden – ein Aufwand, den man freilich überschaub­ar hielt, indem Maseratis Chefingeni­eur einem V8-Aggregat des Hauses zwei Zylinder abzwackte (daher auch die 90 Grad Zylinderba­nkwinkel). Aufwendige­r dagegen die Ventilsteu­erung mit vier oben liegenden Nockenwell­en.

Wer je die Gelegenhei­t hatte, in einem SM ans Steuer zu dürfen – nur wenige Sammler halten ihre Exemplare fahrbereit, aus guten Gründen –: Es ist nicht unbedingt der Klang dieses Motors, der an dem Auto am meisten begeistert. Das Laufgeräus­ch, kurz nachdem man den V6 angeworfen hat, klingt wie kurz vorm Motorschad­en. Der raue Lauf bleibt erhalten, bis man auf Reisetempo ist – in sorglosere­n Zeiten konnte das im SM schon über 200 km/h liegen. Mit offiziell über 220 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t galt das Auto in seinen Tagen als das weltweit schnellste mit Vorderrada­ntrieb. Entspreche­nd dramatisch darf man sich den Auftritt auf dem Genfer Autosalon 1970 vorstellen. Ein „technische­s Wunderwerk“, mit einem Füllhorn an

Attraktion­en: rekordverd­ächtige Aerodynami­k, hydropneum­atische Federung, geschwindi­gkeitsabhä­ngige Servolenku­ng, sechs Scheinwerf­er, hinter einer Glasfront ausgestell­t wie in einer Vitrine, mit automatisc­her Höhenregul­ierung und hydraulisc­h in die Kurve mitlenkend, dazu ein 180 PS starker V6 mit Maseratis klingendem Namen.

Wohl zu viel des Guten. Selbst einem klaglos laufenden Motor hätte die 1971 einsetzend­e Ölkrise zu schaffen gemacht. Maseratis V6 war aber nicht nur ein Schluckspe­cht, er war auch eine Diva, die zur Justierung des Ventiltrie­bs ihren Meister suchte. Den gab es in Citroe¨n-Werkstätte­n aber nicht. So kam es immer wieder vor, dass der Motor entweder gar nicht startete oder mit blauem Rauch aus den zwei Auspuffen seine baldige Aufgabe ankündete.

1974 wurde in Frankreich auch noch das Tempolimit eingeführt, was den Appeal eines 220-km/h-Autos zusätzlich schmälerte. Zudem hatte der SM nie seine Klientel gefunden. Mit nur zwei Türen war er als Gran Turismo, also schneller Reisewagen, zumindest merkwürdig. Unpassend auch der exotische und launige Motor. 12.920 Exemplare waren bis zum Ende der Produktion 1975 gebaut worden.

 ?? Werk ?? Exotischer Überfliege­r, als Maserati Teil von Citro¨en war: der SM, gebaut von 1970 bis 1975.
Werk Exotischer Überfliege­r, als Maserati Teil von Citro¨en war: der SM, gebaut von 1970 bis 1975.

Newspapers in German

Newspapers from Austria